Winter auf Mallorca

[Cornelius]

Von Zeit zu Zeit fühlt Madame Sand
sich fremd in ihrem Heimatland.
Sie sitzt am Teetisch mit Chopin.
Er murmelt Richtung Gobelin:

"Man ist im Winter in Paris
gefangen wie im Burgverlies.
Ich hab schon lang die Nase voll
vom Sturmgeheule in fis-Moll."

Sie spricht: "Mein lieber Frédéric,
erheitre deinen trüben Blick!
Pack dein Klavier! Wir zwei, wir fahren
In Urlaub auf die Balearen.

Bald greifst du deinem Klimperkasten
in Spaniens Nächten in die Tasten.
Ich weiß, dass du es nicht bereust,
sobald er durch den Zoll geschleust."

Die Überfahrt wird rasch gebucht,
die Unterkunft vor Ort gesucht.
Die beiden meiden ganz gezielt,
was ihnen Baedeker empfiehlt.

Sie schreibt die allerschönste Prosa
im stillen Kloster Valdemosa,
wo nachts verliebt die Eulen stöhnen.
Er dichtet am Klavier in Tönen.

Der Mond hängt gelblich fahl im Fenster.
Die Wolken huschen wie Gespenster.
Der Regen plätschert in Des-Dur,
doch von Erholung keine Spur.

Viel lieber wär er jetzt zu Hause.
Zwar fand er hier in der Kartause
die wundersamsten Melodien,
doch wohin vor sich selber fliehn?

Daheim wird seine Notenfracht
gleich von Pleyel herausgebracht.
Der Autor hat schon Blut gespuckt
und wird von Breitkopf nachgedruckt.

[Faber]

Lieber Cornelius,

sofort hatte ich das Regentropfenpräludium im Ohr. Reinste Poesie.

Wieder einmal hast du eine (größtenteils) wahre Begebenheit kunstvoll umgesetzt und – wo nötig – ausgeschmückt. Bravo!

Leider ist Chopin zur falschen Jahreszeit nach Malle gereist. Das Wetter war seiner Genesung dann nicht besonders zuträglich... Immerhin war der Aufenthalt künstlerisch ertragreich.

LG
Faber