Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 21.07.2013, 15:00   #1
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Standard Cimarrón

Die Seminole nennen mich Cimarrón.

Das ist spanisch und bedeutet „verwildert, entflohen“, ihr Stammesname ist davon abgeleitet und der Muskogee Sprache entnommen. Der Begriff Simanóle heißt nichts anderes als „Vertriebene, Entlaufene“, die Seminole selbst betonen seine gleichzeitige Bedeutung für „frei, unabhängig“.

Im Grunde gibt es keine Seminole als solche, dafür aber ein Sammelsurium aus Creek, Yamasee, Apalachee und anderen verstreuten Gruppen überlebender Indianerstämme der Mississippi Kulturen des Südostens, die sich nach Florida geflüchtet haben. In den undurchdringlichen Sumpfgebieten der Everglades haben die Flüchtigen ihr Refugium gefunden und sich mit den Enklaven entlaufener farbiger Sklaven zusammengetan und vermischt. Ende des letzten sprich achtzehnten Jahrhunderts gründeten die „Vertriebenen“ in dem durch eingeschleppte Seuchen menschenleer gewordenen Gebiet eine eigene Gesellschaft, die von Selbstständigkeit und Unabhängigkeit geprägt ist, kurzum sie lassen sich von niemandem dreinreden, schon garnicht von Bleichgesichtern. Was denen natürlich von Anfang an nicht ins Konzept eines von Indianern „gesäuberten“ Landes passt.

Als ich auf meiner Flucht aus New Orleans mit Hilfe der Vermittlung meiner farbigen Freunde zu ihnen durchdringe, haben die Seminolen bereits zwei schreckliche Kriege hinter sich. Während im ersten achtzehnsiebzehn amerikanische Truppen unter Andrew Jackson über ihre in spanischem Territorium befindlichen Ansiedlungen herfallen unter dem Vorwand, die entlaufenen Sklaven zurückzuholen, nachdem die Kolonien deren „freiwillige“ Herausgabe unverschämt verweigert hatten, ist der zweite nichts anderes als ein großangelegter Vernichtungsfeldzug. Inzwischen haben die Amerikaner Florida den Spaniern unter Kriegsandrohung abgekauft, und deren erklärtes Ziel ist ein indianerfreies Land. Die Seminole-Dörfer in der natürlichen Festung aus Zypressen und Mangrovensümpfen, erbaut auf Waldlichtungen oder gerodeten Plätzen, ihre offenen aber stabilen Pfahlhäuser mit schwebenden Plankenböden, die Dächer mit Palmblättern bedeckt, ihre durchaus wohnlichen „Chickees“ sind den Weißen im wahrsten Sinn des Wortes ein Dorn im Auge. Die ärgerliche Vorstellung, dass es diese unbeugsamen Wilden wagen, der Zivilisation den Allerwertesten zu kehren und wie ihre Ahnen von Jagd und Fischfang zu leben, Zitronenhaine anzulegen, Felder zu bestellen, Eichelbrot zu backen und in Einbäumen aus Zypressenholz das Labyrinth zu durchstreifen, zudem über eine umfassende Kenntnis von Heilpflanzen zu verfügen, ist ein bohrender Stachel in ihrem fortschrittlichen Fleisch fortgeschrittener Verwesung.

Womit die US Truppen freilich nicht gerechnet haben und was sie in ihrer Überheblichkeit nicht einkalkulieren, sind die unabwägbaren Gesundheitsrisiken des feuchtheißen Klimas und die unbekannten Gefahren der Sümpfe, deren Undurchdringlichkeit und Heimtücke ihnen erhebliche Probleme bereiten. Vor allem aber ist es der junge Seminolenhäuptling Osceola, der „Verkünder des schwarzen Trunkes“. Die amerikanischen Einheiten haben allen Grund, dem in seiner Sprache so genannten Asi-Yaholo den Namen Assiola zu verpassen für „Schwarztrunkschreier“, das Kriegsgeschrei seiner Widerstandskämpfer kostet die Vereinigten Staaten nicht nur das Vermögen von zwanzig Millionen Dollar, sondern vor allem über fünfzehnhundert Soldaten das Leben in den Schrecken des zweiten Seminolenkrieges, der Mitte der Dreißiger beginnt und acht Jahre andauern sollte.

Osceola verdankt seinen Namen dem sommerlichen Grünmaisfest, einer viertägigen religiösen Zeremonie geheimer Tänze und Gesänge, zu deren Eröffnung ein schwarzer Trank eingenommen wird. Wie alle Seminolen trägt der junge Häuptling einen farbigen baumwollenen Turban mit prächtigen Federn auf dem Kopf, in seinem Falle sind es drei Straußenfedern, er ist in ein prächtiges Kleid aus Kaliko gewandet, schräg über die Schulter trägt er einen schmucken Gürtel mit Blättern und Quadraten aus Glasperlen um den Leib, die Brust ist mit drei halbmondförmigen Anhängern verziert, zwei lange Perlenketten und eine anliegende hängen um seinen Hals. Seine fast weiblichen Gesichtszüge können nicht hinwegtäuschen über seine unversöhnliche Härte, die er der Verschleppung seiner halbschwarzen Creekfrau, einer Häuptlingstochter, verdankt, die von Sklavenjägern in Eisen gelegt und nach Westindien verkauft wurde.

Als ihm und einigen anderen Häuptlingen von den Regierungsvertretern in Camp King mal wieder einer ihrer fiesen Umsiedlungs- und Enteignungsverträge -mit hochtrabenden Namen wie Moultrie Creek oder Payne’s Landing übertüncht und quasi sanktioniert- zur Unterzeichnung präsentiert wird, rammt er seinen Dolch mit derartiger Wucht in das Papier, dass die Klinge fast die Tischplatte durchbohrt und das schäbige Machwerk fest ans Holz geheftet ist. Mit einem verächtlichen Lächeln auf den Lippen spricht der zornige junge Mann dazu die Worte „Hier ist mein Zeichen!“ Der Vertrag von Fort Gibson, der die Seminolen fast um ihr ganzes Land betrogen hätte, wird von der widerstandswilligen Bevölkerung nicht anerkannt, die unterzeichnenden Häuptlinge werden von ihren Stammesgruppen kurzerhand abgesetzt. Nicht lange danach fällt der korrupte Indianeragent General Wiley Thompson im Handgemenge eines Scharmützels einem Attentat zum Opfer, Osceola wird kurz darauf von den Aufständischen zum Kriegshäuptling aller Seminolen ernannt und ausgerufen.

Noch am Abend des selben Tages marschieren zwei Kompanien unter Major Francis Dade in die Everglades ein, um an den Aufmüpfigen das Exempel einer Strafexpedition zu statuieren. Die Armee-Einheiten sollten die ersten sein, die Bekanntschaft machen mit seminolischer Schlagkraft und der strategischen Begabung ihres Anführers Osceola. Im Verbund mit den Häuptlingen Jumper, Minacopy und Alligator werden die Kompanien in einem erbitterten Gefecht vollständig aufgerieben, immerhin überleben drei Soldaten, um ihren Vorgesetzten die Nachricht des inzwischen berüchtigten „Dades Massakers“ überbringen zu können.

Osceola überzieht die unwegsamen Sümpfe mit zahlreichen Stützpunkten und erwidert das Vordringen der Unionstruppen mit gezielten Überaschungsangriffen, seinem durchdachten und wohlgeplanten Guerillakampf können die Amerikaner in den nächsten drei Jahren trotz aufgestockter Truppenstärke nicht Herr werden. Schwerbewaffnete Marineeinheiten paddeln so vorsichtig und geräuschlos wie möglich durch das Netz zahlloser Wasserarme, die Verbände der Seminolen, die ihre Angreifer, bis zum Hals im Wasser lauernd, unsichtbar versteckt unter den großen Luftwurzelgewölben der Mangrovenbäume von einem Hinterhalt in den nächsten rudern lassen, entdecken die Soldaten in den wallenden Nebelschwaden erst, wenn sie ihrerseits unvermutet angegriffen werden. Wie aus dem Nichts sind sie von Kriegern umzingelt und haben kaum Gelegenheit, einen Schuss abzugeben, bevor sie als Happen der Alligatoren enden, die ein Festmahl nach dem andern feiern. Stoßen die Einheiten dennoch eher zufällig auf eines der Dörfer, werden seine Bewohner, meist zurückgebliebene Alte, Frauen und Kinder, ohne Erbarmen niedergemacht.

Seltsam, manchmal kommt mir etwas bekannt vor, ohne sagen zu können woher...

Die Zahl der getöteten Seminole ist unbekannt, niemand macht sich die Mühe, die indianischen Opfer zu zählen, die der US Truppen jedenfalls erreichen nach drei Jahren Sumpfkrieg ein unerträgliches Maß, und wie üblich bei einem derart verfahrenen Unternehmen bedienen sich die amerikanischen Militärs des Mittels von Verrat und Täuschung, um den verhassten und unbezwingbaren Gegner Osceola in ihre Gewalt zu bringen. Mithilfe der gehissten Parlamentärflagge eines vorgetäuschten Waffenstillstands, auf deren Unverletzlichkeit der aufrechte Kämpfer gutgläubig vertraut, locken sie den Verhandlungswilligen in eine Falle und nehmen den skrupellos Vorgeführten gefangen. Selbst die bis dahin indianerfeindlich gestimmte weiße Öffentlichkeit verdammt diesen feigen Verrat. Das hindert die Regierung mitnichten daran, Osceola nach South Carolina zu deportieren und als Kriegsgefangenen zu inhaftieren, nach nur drei Monaten Gefangenschaft stirbt der Seminolenhäuptling eines ganz sicher nicht natürlichen Todes, die genauen Umstände seines plötzlichen Ablebens bleiben ungeklärt. Sein vom Rumpf getrennter Kopf wird im „Medizinmuseum“ von Fort Moultrie ausgestellt.

Als Freiheitsheld gestorben spornt Osceola seine Mitstreiter auch nach seiner Ermordung dazu an, ihren verzweifelten und letztendlich aussichtslosen Kampf unter Führung seines Nachfolgers Billy Bowlegs alias Halpuda Mikko sprich„Häuptling des Alligator Klans“ noch weitere vier Jahre fortzusetzen. Viertausendvierhundertundzwanzig überlebende Seminolen werden im Lauf des Krieges gefangengenommen, nach Oklahoma deportiert und in Reservationen gesperrt, eine erschreckend hohe Zahl, die die Dunkelziffer der Getöteten erahnen lässt.

Gut zwei Dutzend Jahre sind seither vergangen, erneut durchkämmen Truppen die Everglades, um die letzten versteckten Dörfer auszuheben, niederzubrennen und ihre Bewohner zu verschleppen, weit über hundert Seminole konnten sie schon ihrer Freiheit im Exil der Sümpfe berauben in diesem dritten Seminolenkrieg, den Ort aber, an dem ich mich befinde, werden sie in hundert Jahren nicht entdecken.

„Als ich ein Junge war, sah ich den weißen Mann nur von ferne, und man sagte mir, er sei mein Feind. Ich konnte ihn doch nicht wie einen Wolf oder Bären erschießen, doch er kam über mich, mein Pferd und meine Felder nahm er von mir. Er sagte, er sei mein Freund- er gab mir seine Hand in Freundschaft. Ich nahm sie, er hatte eine Schlange in der anderen, seine Zunge war gespalten.
Ich musste mein Land für immer verlassen, und habe nichts getan, um ihm Schande zu machen. Es war meine Heimat, ich liebte es, und es zu verlassen war, als würde ich meine Frau und mein Kind begraben.“

Mit diesen warmen Willkommensworten empfängt mich ein Mann namens Coacoochee, doch das anfängliche und nur allzu verständliche Misstrauen der Seminolen einem Weißen gegenüber ist bald der Einsicht gewichen, dass ich Ihresgleichen und ein Gejagter bin, daher auch mein Name Cimarrón zum Zeichen meiner Aufnahme in ihre Gemeinschaft. Ich fühle mich wohl, wie man sich unter Menschen wohlfühlen kann, es wäre ein Leichtes, alles hinter mir zu lassen und einfach hier zu bleiben unter den Gleichgesinnten, deren buntgemischter Haufen mich an die Desperadokolonien meiner Jugend erinnert, in der Lebensmitte habe ich um ein Vielfaches mehr als genug gesehen und erlebt, um allem getrost und entschieden den Rücken kehren zu können ohne irgend Bedenken, irgendetwas zu versäumen. Während der Wochen und Monate in ihrem Kreise erlebe ich eine freie Zeit der Selbstbestimmung wie seit langem nicht mehr, jedoch mein Selbst hat seine Bestimmung längst verloren.

Gleichmütig sitze ich im Herzen einer Flamme, das blaue Licht durchsichtig brennenden Gases umflackert mich, kälter ist es im Zentrum als im ewigen Eis, doch ich friere nicht, weil ich selbst es bin, der diese tanzende Zunge speist. Ich spüre weder Liebe noch Hass, weder Zorn noch Trauer, weder Angst noch Freude, bis auf die Kurzweil flüchtiger Rauschzustände nicht einmal das Leben, nichts rührt mich, nichts bewegt mich, nichts erreicht mich und nichts dringt zu mir durch, selbst die Verlockungen des Weibes täuschen mich nicht mehr.

In den undurchdringlichen Sümpfen des Mangrovendschungels gehst du entweder zu Grunde oder wirst neu geboren. Klar sind meine Gedanken wie eine Sternennacht, nicht Rachedurst noch Hunger nach Vergeltung erhalten mich am Leben und mein Herz am Pochen, ich bin ein fröstelnder Hauch, der lautlos durch die Leben anderer streicht und sie erschaudern lässt, der die unheimliche Macht in sich birgt, ihre Hoffnung fort zu fegen wie alten Staub von ihren Türschwellen und ihre Träume zu stehlen in der Mitte der Nacht. Wie ein Sumpfgeist steige ich aus dem Morast meines Lebens, mit Algen und Schlick behangen, mit Augen kalt wie ein Fisch, willig und bereit, die Seelen der Hoffärtigen und Selbstgerechten in mein dunkles Reich zu locken wie ein Irrlicht den Verirrten in den Untergang.

Es ist nicht so, dass ich die Leute der überlegenen Rasse meiner Hautfarbe das Fürchten lehren will, ich weiß, dass sie es an mir lernen werden. Es treibt mich fort aus der heimeligen Mitte der Seminolengemeinschaft, es drängt mich nicht und zerrt nicht an mir, mein bloßer Wille ist es, der mich ohne Eile und Druck zum Aufbruch ruft, zurück zu meinem wohlversorgten Pferd. In den Südwesten werde ich reiten, meine Heimat, die Geborgenheit meiner Wüste, doch nicht mehr als der kehre ich dorthin zurück als der ich sie verlassen.

Von allen guten Geistern verlassen muss ich sein, der ich den sieben Booten der Soldaten mit Bändern und abgebrochenen Zweigen einen Weg hinaus lotse aus dem Labyrinth des Mangrovenwaldes, in das tief hinein ich sie zuvor locken musste, da sie sich mit lästiger Beharrlichkeit an die Heckwelle meines Birkenrindenkanus geheftet hatten.

Ich kenne jede Gasse, jeden Schleichweg, jeden Winkel und bergenden Schatten im Moloch von New Orleans, aber verglichen mit der Wildnis der Everglades ist der Dschungel der Stadt eine gepflegte englische Parkanlage. Rettungslos in ihrem Schlund verloren sind die Greenhorns samt ihrer Fährtensucher und Spurenleser, wenn da kein Leuchtturm zu finden ist zur rechten Zeit, doch was hätte ich von ihrem kläglichen Untergang? Mindestens eine ihrer Zillen wird ohnehin von den großen Panzerechsen ausgehoben und umgekippt, es dürfte mehr als unwahrscheinlich sein, dass die Strampelnden vollzählig ins Trockene der anderen Kähne gefischt werden können. Aber das muss nicht meine Sorge sein, ich hab sie nicht in ihr Verhängnis geschickt, sie folgten nicht meinem Befehl, als sie sich an meine Kielspur hängten.

Sorgfältig verberg’ ich mein Kanu in einem nur den Seminolen bekannten Versteck, nur für die zu finden, die den Weg durch den grünen Höllenschlund kennen und nehmen nach Belieben, Lust und Laune.

Und ich bin mir sicher, sie werden es noch lange tun.
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.07.2013, 17:35   #2
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.165


Entschuldige, Desperato, dass ich Deinen langen Text nicht völlig gelesen habe; denn ich habe vor einigen Monaten ein Buch über die Indianer Nordamerikas gelesen und bin deshalb noch etwas gesättigt.

Ich habe nur eine Frage:

Weshalb schreibst Du in Deinem Text erst über "die Seminole" (was richtig ist), gehst dann aber später über zu "die Seminolen"?

Das ist eine ernstgemeinte Frage, denn ich habe immer gedacht, es heißt "die Seminolen", "die Apachen", "die Kommantschen" usw. Erst durch das oben erwähnte Buch zweier Wissenschaftler bin ich belehrt worden, dass dies falsch sein muss.

Hast Du für diesen Unterschied eine Erklärung?
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.07.2013, 19:57   #3
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Du hast ein Buch über Indianer gelesen, Ilka-Maria?

Interessant. Dann versteh ich freilich, dass Du ein Päuschen brauchst und etwas Abstand. Vielleicht vermittelt Dir das eine kleine Ahnung, was es heißen kann, wenigstens das Wichtigste davon niederzuschreiben...

Das mit Seminole und Seminolen hat keinerlei Bedeutung, bei den drei von Dir genannten Stämmen sind beide Schreibweisen möglich und in üblichem Gebrauch, auch die Übersetzer variieren zwischen der englischen ohne und der eingedeutschten mit n am Schluss, weshalb der lässige Desperato sich die Freiheit nimmt, je nach Sprachmelodie und Schreibfluss immer wieder mal hin und her zu pendeln.

Herzlich Danke für Dein Interesse!

Ich wünsch Dir einen geruhsamen Sonntagabend
Desperado
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 01:07   #4
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.165


Zitat:
Zitat von Desperado Beitrag anzeigen
Du hast ein Buch über Indianer gelesen, Ilka-Maria?
Ja, ist allerdings ein Buch aus den 80er Jahren aus der Reihe "dtv Wissenschaft". Deutsche Autoren. Die handeln das Thema ziemlich trocken und schematisch ab: Geschichte, Sprache, Kultur ... Volk für Volk. So etwas wie "Stämme" gibt es für sie nicht, schon gar nicht den klassischen "Indianer", sondern eben Völker. Und was dort beschrieben ist, deckt sich weitgehend mit dem, was Du geschrieben hast. Allerdings bleibt nicht unerwähnt, dass sich diese Völker gegenseitig bekriegten und - bis auf zwei Ausnahmen - nicht fähig waren, ihre Partikularinteressen zu überwinden, um sich mit gebündelter Kraft gegen die weißen Eindringlinge zu wehren. Der Rest ist bekannt, wenn auch nicht neu: Seit Ur-Zeiten sind Völker und Sprachen vom Erdboden verschwunden, weil sie von anderen Völkern rücksichtslos überrannt wurden. Heute sind gottseidank viele Menschen sensibel dafür, sich für den Erhalt alter Kulturen und Sprachen einzusetzen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 07:58   #5
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Insbesondere die Engländer verstanden es glänzend, alte Fehden und Rivalitäten für ihre Zwecke auszunutzen, den Indianer gibt es nicht, Stamm müsste eigentlich Volk heißen, Kulturen und Sprachen waren schier unüberschaubar vielfältig und verschieden, die Fusionen kamen viel zu spät und in höchster Bedrängnis, weil sich das Hinmorden über Jahrhunderte erstreckte und schrittweise vollzog, außerdem hätten sie nichts geändert, ihre völlige Ausrottung was von Anfang an beschlossene Sache und das erstrebte Ziel, der Genozid an den Indianern ist unvergleichlich und steht an der Spitze der Menschheitsverbrechen, bis heute wird seine ungeheuerliche Dimension vertuscht und die unverzeihliche Schuld als traurige Notwendigkeit abgetan.

Ich hab auch derlei nüchterne Schinken im Regal, die können sehr anstrengend sein und deuten zudem die Unvorstellbarkeit weißer Grausamkeiten nur an, lange Zeit war Euphemismus der durchaus übliche Umgang mit dem immer noch heißen Thema, dennoch allemal lesenswert.
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 08:19   #6
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.165


Zitat:
Zitat von Desperado Beitrag anzeigen
Ich hab auch derlei nüchterne Schinken im Regal, die können sehr anstrengend sein und deuten zudem die Unvorstellbarkeit weißer Grausamkeiten nur an, lange Zeit war Euphemismus der durchaus übliche Umgang mit dem immer noch heißen Thema, dennoch allemal lesenswert.
Das stimmt. Ob dahinter allein Euphemismus steckt, kann ich nicht beurteilen, vielleicht kommt auch Gleichgültigkeit hinzu. Bei meinen beiden Autoren klingt jedenfalls an, dass das Interesse an diesem Gebiet äußerst gering ist.

Geändert von Ilka-Maria (22.07.2013 um 11:06 Uhr)
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 08:38   #7
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Das stimmt. Ob dahinter allein Euphemismus steckt, kann ich nicht beurteilen, vielleicht kommt auch Gleichgültigkeitkeit hinzu. Bei meinen beiden Autoren klingt jedenfalls an, dass das Interesse an diesem Gebiet äußerst gering ist.
Nun, das Interesse würde beinhalten, die USA einer gewaltigen und ungesühnten Schuld zu überführen, die der deutschen in nichts nachsteht, zu der zu stehen sich die Vereinigten Staaten jedoch bis dato konsequent weigern (geschweige denn sich wenigstens ansatzweise um Wiedergutmachung bemühen). Kurzum- ein hochbrisantes Politikum, das insbesondere deutsche (weißamerikanische sowieso) Autoren und Geschichtswissenschaftler elegant zu umschiffen verstehen, indem sie's einfach verschweigen oder bei nichtssagenden Andeutungen belassen.

Auch ein Grund, weshalb ich mein Buch geschrieben habe. So lange die Amerikaner nicht Mann's genug sind, zu der Sünde ihrer Väter zu stehen und sie vor aller Welt offen zu bekennen, haben sie mir definitiv nichts zu sagen, weder als Demokraten noch als Kulturträger noch als Weltpolizei, ich kann gut und gerne auf ihren verlogenen Sermon und ihre ständigen Einmischungen verzichten. Im Grunde hat diese kollektive Verdrängung nur zur Folge, dass sie die Ursprungshaltung ihres Entstehens, nämlich die des vermessenen und barbarischen "Überlegenen" in Gottes Auftrag, über die ganze Welt verbreiten, um ihr unsägliches Verbrechen, das im Unterbewusstsein der Generationen emsig vor sich hin nagt, im Nachhinein zu legitimieren und als Notwendigkeit gut zu heißen.

Damit will ich nichts zu tun haben.
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 11:09   #8
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.165


Muss man dann aber nicht die Spanier und Portugiesen miteinbeziehen?
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 11:39   #9
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Muss man dann aber nicht die Spanier und Portugiesen miteinbeziehen?
Sowie deren Nachkommen, die überaus grausamen und indianerfeindlichen Mexikaner, ebenso -zumindest regional und zeitweise- die Kanadier. Nordamerika wurde überwiegend von emigrierten Europäern besiedelt, die zwar vor langem eine eigene Nation gegründet, den Überlegenheitsdünkel und -wahn des Eurozentrismus jedoch lediglich in patriotischen Amerikanismus umfunktioniert haben.

(Wie gesagt, mein Standpunkt ist sehr viel weniger politisch fundiert -auch wenn es zwangsläufig zu Überschneidungen mit diversen amerikafeindlichen Strömungen kommen muss-, als er vielmehr als ein zeitübergreifend gewissenhaftes, mahnendes "Oh Brother, where are thou?" verstanden sein will. Grundsätzlich und persönlich habe ich natürlich nichts gegen Amerika und seine Menschen von heute mit ihrer kulturellen Vielfalt, zumal es ja auch etliche Leute gibt, die ihre eigene Nation und deren aggressive Politik sowie die Gesellschaft mit ihren Auswüchsen und Ungerechtigkeiten kritisch unter die Lupe nehmen, sehr viel kritischer als ich es je könnte und mir anmaßen möchte.)
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 11:55   #10
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998


[QUOTE=Desperado;269831 Nordamerika wurde überwiegend von emigrierten Europäern besiedelt, die zwar vor langem eine eigene Nation gegründet, den Überlegenheitsdünkel und -wahn des Eurozentrismus jedoch lediglich in patriotischen Amerikanismus umfunktioniert haben.

[/QUOTE]

!
(Yes)
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 12:25   #11
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.165


Jetzt habe ich den Text nochmal gelesen, diesmal vollständig. Schade, dass er nicht auf größere Resonanz gestoßen ist.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.07.2013, 17:20   #12
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Jetzt habe ich den Text nochmal gelesen, diesmal vollständig. Schade, dass er nicht auf größere Resonanz gestoßen ist.
Och, ich bin's zufrieden. War doch ganz interessant und kurzweilig.

Danke für Deine -Eure- Zuschriften!
Desperado
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Cimarrón




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.