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Alt 15.02.2015, 22:12   #1
männlich Ex-Ralfchen
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Standard La sabiduría de las cornejas (Die Weisheit der Krähen)

La sabiduría de las cornejas
(Die Weisheit der Krähen)

Das „krah-krah-krah“ schreckte mich aus meiner morgendlichen Lethargie. Augenblicklich bin ich am Fenster meines Bibliothekszimmers. Heute wird es – nein - muss es geschehen.

Ich bin ein Vogelfan. Als Kind hatte ich einen hellblauen Wellensittich namens Putzi, den ich mehr als die zierlichen Hof-Spatzen liebte. Im Laufe der Jahre fliegfaul geworden, lungerte der Plusterer nur mehr im Käfig rum. Als ich ihn dann mal zu einem Ausflug animierte, landetet er prompt im direkten Sinkflug in einem Riesentopf voll gekochtem Spinat, den Oma gerade in der winzige Kochnische auf dem Herd stehen hatte. Das war einerseits ein Lacherfolg, denn das Grün stand ihm schick, aber es war ein deutliches Zeichen für das nahende Ende des alten Birds.

In den Jahren danach füllte ich den prächtigen Messing-Käfig im Arbeitszimmer meiner Werbeagentur in regelmäßigen Abstand mit Pfirsichkopf-Pärchen auf. Sie werden vielleicht fragen „warum das?“ Eine Verkettung zwischenvögelscher Beziehungen. Diese Flatterer haben einiges an Überraschungen für den ahnungslosen Besitzer bereit. Inklusive Mord. Aber das würde den Rahmen meiner Erzählung sprengen.

Nach diesen unerfreulichen Episoden wandte ich mich von häuslicher Vogelhaltung ab. Ich lausche – zwischen dem Auswendiglernen meiner TV-Rollen – hin und wieder besinnlich dem Piepsen und Zwitschern der Schnäbler im parkähnlichen Hof unter meinen Fenstern. Nein: ich „lauschte“. Ein Krähenpaar hatte vor zwei Jahren ein Terror-Regime in unserem idyllischen Hofpark etabliert. Dieses Duo-Infernal, brachte nach und nach all das wunderbare Zwitschern zum Verstummen. Es musste den sonoren Krah-Stimmen weichen. Die Ironie am Rande: Krähen und Raben stehen bei uns unter Artenschutz. Als würde man einem Heer von Jacky the Ripper’s straffreies Morden gestatten.

Vor einiger Zeit begann ich mich mit dem Gedanken des Krähozids zu beschäftigen. Meine Mordabsichten wurden von Woche zu Woche konkreter. Der Gedanke all die lieblichen Singer zu rächen, erfüllte mich mit heißer Genugtuung. Ich rüstete für einen konventionellen Kleinkrieg auf.

Das grässliche Duo hatte seine Festung in einer der oberen Astgabeln der mächtigen Linde vis a vis meines Bibliotheksfensters gebaut. Im späten Herbst – nachdem die Blätter gefallen waren – konnte ich das Nest deutlich wahrnehmen. Allerdings waren die Krächzer weder im Herbst noch im Winter anwesend.

Wir schreiben Ende Juni und der Baum ist voll ergrünt. Der Blick auf das Nest ist dadurch allerdings wieder eingeschränkt. Die mangelnde Sicht auf das Ziel meines geplanten Vernichtungsschlages ließ mich wiederholt zögern und ich verschob den Mord an den Tyrannen immer wieder. Bis genau jetzt.

Ich ziehe die Vorhänge bis auf einen drei Zentimeter großen Spalt zu und positionierte den Lauf des Erma EGMI Mod.70 Automatik Kaliber 22 Gewehres auf dem Fensterbrett. Das aufmontierte Sutter-Zielfernrohr schärfte meinen Blick in den Blätterwald. Ich werde meinen Waffenhändler demnächst umarmen. Mit kalter Wut im Bauch lausche ich dem offenbar gutgelaunten Gekrähe der nistenden Unholde. Womöglich atzten sie ihre schnäbelnde Höllenbrut gerade in diesem Moment mit frisch gekillten nackten Amselküken. Bei dem Gedanken mischt sich ein blutroter Schleier zwischen meine hervorquellenden Tränen. Mit raschem Blinzeln kläre ich meinen verschwommenen Blick. Im Fadenkreuz vermischen sich Schwarz-Fedriges mit Grün-Blättrigem.

Ha! Jetzt!

Eiskalt und hemmungslos gehe ich auf Nummer-Sicher und leere das Zehn-Schuß-Magazin in Serie. Das peitschende Knallen der Schüsse hallt klingend in meinen Ohren nach; vermischte sich allerdings mit einem lauten Schrei, gefolgt von röchelndem Grunzen. Das klang gar nicht nach Krähen und im nächsten Moment spüre ich mein Herz donnernd in der Luftröhre.

Blitzschnell reiße ich die Büchse hoch und weiche - am ganzen Leib zitternd – zurück hinter die Vorhänge. Ein dumpfes Geräusch – als hätte jemand eine Zuchtsau – aus beträchtlicher Höhe in den Hof geworfen, gibt mir den Rest: ich sacke hinter dem Fenster zu Boden.

Scheiße, Scheiße, Scheiße.

Ich habe also zufällig jemand vom gegenüberliegenden Wohnhaus erwischt, erschoßen. Einen Menschen ohne jegliche Absicht abgeknallt. Das entfernte „Krah-Krah“ der verwünschten Todesvögel klingt spöttisch in meinen schmerzenden Trommelfellen. In ein paar Minuten sind diese Kriminellen wieder gemütlich in ihrem Nest.

Ich fühle mich inmitten einer inneren Wildnis. Schuldgefühle pressen meine Gedanken wie Schweineschnitzel durch die Faschiermaschine meines Gehirns. Aber Moment: Bin ich im Grunde genommen denn nicht unschuldig? Oder bin ich durch eine schicksalhafte Verkettung nun im wirklichen Leben zu jenem Bösewicht geworden, den ich in meinen TV-Rollen darstelle?

Scheiße. Scheiße.

Geändert von René (17.02.2015 um 16:06 Uhr) Grund: Korrekturwunsch (La sabiduría de las cornejas)
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Alt 16.02.2015, 16:20   #2
männlich Sylvester
 
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Hallo Ralfchen,

der Titel ist falsch gewählt (ich wähne den Google Translator als Übeltäter), es sei denn Du meintest tatsächlich "Die Weisheit, sie krähen ihn".
Korrekt muss es heißen: La sabiduría de las cornejas.

Desweiteren hat der Titel nur marginal mit der Handlung zu tun: die Krähen überlisten den dilettantischen Attentäter ja nicht, er stolpert selbst in sein Dilemma. Seine Reue hält am Ende nicht lange an. Ich denke, er wird einen neuen Eingriff in die Natur versuchen, diesmal mit Gift, an dem seine geliebten Miezen verenden. Vielleicht tut es ihm dann ja wirklich leid.

Zitat:
vis a vis
vis à vis

Zitat:
erschoßen
erschossen

Gruß,

Sylvester
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Alt 16.02.2015, 20:15   #3
männlich Ex-Ralfchen
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danke mein lieber. ich hab den titel einfach ins spanische übersetzen lassen, weil man span isch nicht über die reinmachefrauen-vokabeln hinausgeht. aber danke. nun die weisheit der krähen ist absolut bekannt. und es macht auch sinn, dass sie schuß-sicher verstecken. somit denke ich den titel nicht falsch gewählt zu haben. aber das muss man der kritik für sie selbst entscheiden lassen. ja vis a vis kommt natürlich im deutsch falsch rüber. und ich denke mein prot wird das kaum ein zweites mal wagen - hm?

danke für deine geduld und aufopferung für den text.

seine winzigkeit
U.

werde René bitten das zu ändern.
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Alt 16.02.2015, 22:53   #4
männlich Sylvester
 
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Die einzig logische Erklärung für den spanischen Titel wäre für mich, dass es sich um einen spanischen oder lateinamerikanischen Schauspieler handelte. Wobei ich nicht sicher bin, ob ob es in jenen Gefilden Waffen des genannten Fabrikates

Zitat:
Erma EGMI Mod.70 Automatik Kaliber 22
gibt.
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Alt 16.02.2015, 23:39   #5
männlich Ex-Ralfchen
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die waffe ist internationales exportgut. kal22. und die krähe hat im spanischen und lateinamerikanischen ein - soweit ich es weiß - besondere mystische bedeutung. aber prüfe mich eines besseren...

ps.: Raben und Krähen sind die Vögel mit der größten Intelligenz... Beispielsweise zeigen sie in Experimenten die Fähigkeit, komplexe Handlungen im Voraus zu planen. Beim Verstecken von Futter zeigen sie sowohl große Merkleistungen als auch die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Ein Rabe scheint zu wissen, dass ein Futterversteck nur dann sicher ist, wenn er beim Verstecken nicht beobachtet wird...QUELLE WIKI

PS:. ich erinnere dabei nur an die HAIDA (12-15.000 bc) die aus zwei Gesellschaftsgruppen, Moieties, die Rabe und Adler hießen bestanden. Die Raben-Moiety setzte sich aus 22 Lineages zusammen, die Adler-Moiety aus 23 dieser Familien....etc...etc...auch in der lateinamerikanischen mythologie spielt der rabe ein bedeutsame rolle...
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