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Alt 03.12.2007, 17:20   #1
Shin0
 
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Beiträge: 21


Standard Was ist Liebe?

Kapitel 01/99
-1-
“Geh, aber sei dir sicher, dass du wirklich gehen willst. Wenn du jetzt diese Tür hinter dir schließt, dann verschließt du dir auch die Möglichkeit je wieder zurückzukommen.”

Damals hab ich diese Worte nicht verstanden. Damals. Wann ist dieses “Damals” überhaupt? Nach dem Kalender ist es vor zwei Wochen gewesen. Doch mein Verstand sagt mir, dass es länger her ist. Viel länger. Da ich schon bei der Zeit bin: Es ist 14 Uhr. Heute ist der dritte Oktober im Jahr 1999. Ich lebe in diesem Haus seit elf Jahren, doch es kommt mir vor , als wären es ein paar Wochen. Die Menschen, die hier mit mir leben, sind mir fremd. Eine Zwangsgemeinschaft. Ich lass sie leben, sie lassen mich leben. Mehr als das Haus und den Platz zum leben teilen wir uns nicht. Ich beginne noch ein Stück früher mit meiner Erzählung als vor diesen zwei Wochen. Nämlich vor vier Jahren. Das ist das dritte Jahr, nachdem ich auf meine Schule gekommen bin.

-2-
“Guten Morgen, ich bin eure neue Lehrerin, Frau Schmidt. Mögt ihr euch bitte der Reihe nach vorstellen?” Ich hätte damals gerne “Nein” gesagt. Doch hätte ich das gemacht, wär ich wahrscheinlich gleich negativ aufgefallen. Das wollte ich aber nicht.. Als ich an der Reihe war, wusste ich nichts zu sagen. Die Erzählungen der Kinder vor mir hatte ich mir nicht angehört. Ich sagte einfach, was mir wichtig erschien. Nämlich gar nichts. Ich schwieg. So wie ich es die nächste Zeit auch weiterhin tun sollte. Daraufhin rief Frau Schmidt meine Erziehungsberechtigten an. Denen war das relativ egal, was ich nun tat oder auch nicht tat. Frau Schmidt war verzweifelt, so ein Kind wie mich hatte sie noch nie erlebt. Das behauptete sie eine ganze Zeit lang steif und fest Meine Mitschüler fanden mich “komisch” und gingen mir aus dem Weg. Es war mir auch nur recht so. Ich mochte diesen Haufen nicht besonders. Ein Mitschüler fiel mir jedoch auf, er hatte einen sonderbaren Blick, sonderbare Kleidung, eine sonderbare Art zu gehen. Alles in allem war er recht sonderbar. Er hatte lange, schwarze Haare, trug nur schwarze Kleidung und wirkte für sein alter schon ein wenig reifer als der Rest meiner Klasse. Ich entschuldige mich gleich dafür, dass ich kein anderes Wort für ihn finde, aber “sonderbar” trifft es nunmal am besten. Frau Schmidt erkannte in ihrer dank ihrer Aufmerksamkeit natürlich sofort, dass ich ihn interessant fand und setzte mich gleich neben ihn, um mich “aufzutauen”, wie sie zu sagen pflegte. So ein penetrantes Wesen von Mensch.

-3-
“Magst du zu meinem Geburtstag kommen?” Natürlich möchte ich das. “Magst du dieses Wochenende zu mir kommen?” Natürlich. “Magst du mich?” Was eine Frage. Schade, dass mir all diese Fragen nie von dem sonderbaren Jungen gestellt wurden. Stattdessen wurden mir diese Fragen von nicht-sonderbaren Jungen und Mädchen gestellt. Hauptsächlich jedoch von Mädchen. Langweilg. Einfältig. Fast sogar naiv. Ich beantwortete diese Fragen alle mit einem einzigen Wort: Nein.
Ein paar Wochen später lag Frau Schmidt im Krankenhaus. Unsere Vertretung sagte sie bekomme ein Kind. Ich habe lange darüber nachgedacht was es bedeutet ein Kind zu bekommen. Ich würde es nicht wollen. Das Gefühl ein lebendiges Wesen in mir zu haben würde mich ängstigen. Was, wenn es dich nicht mag? Was, wenn es dich gar hasst? Es könnte dich verletzen, zu deinem Tod führen. Ich habe, seit ich dieser Klasse beigetreten bin, lange über mich nachgedacht. Ich mag mich nicht besonders, das habe ich festgestellt. Andere scheinen mich mehr zu mögen als ich mich. Einmal sagte man mir: “Ich liebe dich!” Ein älterer Mann fragte mich einmal im Park:” Willst du mit mir Liebe machen?” Beides verneinte ich. Liebe, was soll das in diesem Fall sein? Ich habe einmal Frau Schmidt danach gefragt und sie fing an zu weinen. Ich versteh dieses Gefühlsgetue nicht. Weder warum sie traurig war, noch warum mich ein alter Mann fragt, ob ich mit ihm Liebe “machen” will. Jetzt im Nachhinein bedauere ich, dass ich nicht ja gesagt habe, dann hätte ich vielleicht herausgefunden, was er unter Liebe versteht.

-4-
Ich hatte dann aber eine Idee, was es bedeuten könnte: Interesse an jemandem haben. Also ging ich eines Morgens zu dem sonderbaren Jungen und sagte: "Ich liebe dich." Daraufhin sah er mich erschrocken an und stellte mir eine Frage. Nicht “Magst du zu meinem Geburstag kommen?” oder ähnliches. Er fragte mich: “Willst du mich verarschen?”

Dort beginnt meine Geschichte. Mein Name ist Jonathan.
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Alt 06.01.2008, 15:34   #2
Shin0
 
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Standard 02-99-XX

-1-

Ich war erstaunt. Nicht darüber, was er mich fragte. Im Nachhinein weiß ich, dass es sich um eine rhetorische Frage handelte. Ich war erstaunt über das, was meine Worte auslösten, ich bekam eine Antwort, jemand reagierte auf mein Handeln. Die Gefühle, die ich auf seinem Gesicht sehe, waren nicht Wut oder Hass, so wie er es versucht hatte vorzuspielen - er war erschrocken. Auf einmal fand ich ihn nicht mehr sonderbar. Ich fand ihn interessant, liebenswert. Ich konnte endlich dieses Wort mit einem Sinn füllen. Dieser Zustand hielt nicht lange. Um genau zu sein, bis zu dem Moment in dem er sich von mir abwendete und zu seinem Platz ging. Ich stand mitten im Klassenraum, immernoch. Entgegen meiner Einschätzung der Situation sahen mich nicht alle Kinder im Raum an, es hing auch keine drückende Stille in der Luft. Ich ging ihm nicht hinterher. Ich verließ den Raum. Nach draußen an die Luft, in die Freiheit für den Moment.

-2-

Wind, Stille, leichter Regen. Alles ist wie immer. Das Wetter scheint sich nicht beeinflussen zu lassen von dem eben Geschehenen. Ich war leicht verwirrt. Was hab ich da eben eigentlich gesagt? Er hat es ja nicht so toll aufgenommen. Ich sollte vielleicht wieder zurückgehen und ihn fragen was er denkt. Über die ganze Situation und so.Doch genau in diesem Moment, ich erinnere mich noch ganz genau, kam er durch die Tür. Nach draußen. Wir waren alleine, im Wind, in der Stille. Und es regnete leicht. Nur ganz leicht, aber eben so, dass man es auf der Haut spürte, eine feine dünne Schicht Feuchtigkeit. Hätten wir länger draußen gestanden, wäre unsere Kleidung vielleicht nass geworden. Doch die kurze Zeit, die diesem Moment folgte, ließ keinen Platz für solch eine Unannehmlichkeit. Er sah mich an und stellte mir die wohl bislang wichtigste Frage meines Lebens.
"Hast du das eben ernst gemeint, dass du mich liebst?"

-3-

Ich dachte nach, mein Herz pochte. Die Situation war angespannt, meine Nerven zum Zerreißen. Was sollte ich jetzt sagen? Er schien auch sehr aufgeregt zu sein, seine Finger konnte ich zwar nicht sehen, seine Hände waren in den Taschen seiner teuren Jacke versteckt, aber ich sah wie sie sich nervös bewegten, inzwischen wäre ein Papiertaschentuch wohl vollkommen zerzupft. Ich sah ihm in die Augen und überlegte mir eine Antwort. "Ich meine das Ernst, ja" Diese Worte waren weniger überlegt als ich mir erhofft hatte. Ich konnte diese Stille nur nicht mehr ertragen. Ich spürte das Blut in mein Gesicht steigen, ich wurde rot. Das konnte nicht sein. Ich wurde tatsächlich rot. Das war wahrscheinlich das erste mal seit ich denken kann. Doch es erging nicht alleine mir so. Auch der Junge mir gegenüber wurde rot. "Wie heißt du eigentlich?" Jetzt stellte er mir schon wieder eine Frage. "Jonathan. Und wie ist dein Name?" Ich weiß seinen Namen wirklich nicht. Und das obwohl ich neben ihm in der Schule sitze. Erst jetzt wird mir bewusst wie wenig ich eigentlich über ihn weiß. "Florian. Du passt in der Schule wohl gar nicht auf, was? Und du bist sicher, dass du in mich verliebt bist? Wenn du dich nicht einmal für meinen Namen interessierst, fällt mir das irgendwie schwer zu glauben, Jonathan." Da hat er wohl recht. Liebe... Liebe ich ihn denn? Ich weiß es nicht genau. Eine wahrlich wagemutige Behauptung, die ich da aufgestellt habe. "Was ist los mit dir? Warum sagst du schon wieder nichts? Fang nicht schon wieder an nur zu schweigen. Das nervt mich." Ich will ihn nicht nerven. "Entschuldige, deine Frage hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich weiß nicht, ob ich dich liebe oder nicht." "Du bist eigenartig Jonathan. Du kannst dich nicht entscheiden, was? Ich mag dich zwar, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es wagen würde eine Beziehung mit einem Jungen zu beginnen, geschweigedenn ihm mein Liebe zu offenbaren. Wenn du wirklich willst, was du vorgibst, dann solltest du mich schon irgendwie überzeugen." Ihn überzeugen? Wie sollte ich denn das nun wieder anstellen? Ich ging einige Schritte weiter auf ihn zu. Er ist mir jetzt nahe. So nah wie ich es mir insgeheim schon wünschte seit ich ihn kannte.

-4-

"Was soll das denn jetzt werden?" Gute Frage. Ich wusste es nicht. Was tat ich da? "Komm, lass den Scheiß Jonathan." Seine flache Hand kam meinem Gesicht entgegen, schnell. Ich erwartete einen stechenden Schmerz, doch stattdessen legte er seine Hand auf meine Wange. Das hatte ich nicht erwartet. Seine Hand war kühl und angenehm. Ich liebe ihn. Das spürte ich jetzt. "Ich glaub nicht, dass das mit uns was werden kann. Tut mir Leid" Es war echtes Bedauern in seiner Stimme. "Okay." Das meinte ich nicht ernst. Das war gar nicht "Okay" für mich. Das wusste er, genauso wie ich es wusste. Ich war traurig, wegen etwas, was mir jemand sagte. Ich verstand jetzt auch, warum Frau Schmidt damals geweint hat. Komisches Gefühl.
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Alt 17.01.2008, 20:30   #3
Shin0
 
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Standard 03-99-XX

-1-
Am Ende des Schultages trottete ich niedergeschlafen zur Bushaltestelle. Ich stieg in die selbe Linie wie jeden Nachmittag. Aber nicht wie sonst war ich froh, dass die Schule aus ist. Ich war ganz und garnicht froh. Dieses Wort im Zusammenhang mit meiner Stimmung zu benutzen erschien mir wie ein schlechter Scherz mit einer gehörigen Menge schwarzem Humor. In meinen Gedanken spielte ich immer wieder die Szene durch, die sich vorhin zugetragen hatte. Ich hatte einfach versagt. Konnte ich denn etwas dafür das ich gescheitert bin? Eigentlich ja nicht. Das macht die Situation halbwegs ertragbar. Oder? Nein, das ist einfach nur ungerecht! Ich habe nicht versagt. Mein Schicksal hat mich im Stich gelassen... Oder besser: Gott hat mich im Stich gelassen! Dieser senile Typ da oben hat wohl auf jeden hier unten eine Portion Glück niederregnen lassen, nur auf mich nicht. Mich hat er wohl als Aschenbecher für die lange Zigarre des Glücks benutzt und den ganzen abgerauchten Ruß in mein Schicksal geschnippt. Als ich so in Gedanken versunken da saß bemerkte ich, dass meine Station schon an mir vorbeizog. Ich stieg bei der nächsten Haltestelle aus und ging den Weg zufuss zurück. Zuhause angekommen ging ich ohne Essen und eine Meldung, dass ich da sei, in mein Zimmer.

-2-
Es ist neun Uhr abends. Ich bin jetzt seit einer Woche nicht mehr in die Schule gegangen. Wieso fangen meine Augen schon wieder an zu tränen? Ich bin nicht traurig. Fühlen tu ich seid diesem einen Tag sowieso kaum noch etwas. Ein Gefühl jedoch spür ich mitlerweile übermächtig: Erschöpfung. Erschöpfung und Unlust auf jegliche Tätigkeiten die mehr Anstrengung als einfaches liegen fordern. Und das, obwohl ich seid zehn Stunden auf dem Bett kauerte und nachdachte. Ich dachte viel nach: Über meine frühe Kindheit, an die ich kaum Erinnerungen hatte, an meine Grundschulzeit, an die letzten paar Tage, an jenen einen Tag, der der Grund für all das hier war und auch daran, wie meine Zukunft wohl aussehen mochte. Eigentlich wollte ich nicht an eine Zukunft denken, in der Florian nicht vorkommt. Über all dies sinnierte ich. Seid ich aufgewacht bin... - "Es reicht mir. Ich will nicht mehr... Ich halt das alles nicht mehr aus. Ich ertrag diesen Scheiß nicht mehr." Antworten darauf ob es ewig so weitergehen würde, oder wenigsten eine Reaktion auf diesen Ausbruch bekam ich trozdem nicht. Keiner fragte mich danach, auch wenn meine Eltern davon sicherlich Kenntniss genommen hatten. Alles war so sinnlos. Keiner nahm Notiz von, oder sie nahmen sie und wiesen mich dann doch ab. In diesem Augenblick brachen all die Gefühle aus mir herraus die sich im mir angstaut hatten, im Verlaufe der letzten Tage. Ich weinte. Und wie ich weinte. Ich heulte richtig. Und es tat gut, es war eine Erleichterung. Nach einer halben Stunde schlief ich, noch erschöpfter als zuvor, ein.

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Dort oben ziehen Wolken, an einem schwarzen Himmel. Der Mond ist grau, er hebt sich kaum ab vom Himmel. Ich sehe mich um. Dort hinten seh ich ein Dorf, ein großes Haus. Im Vorgarten mein ich zwei Gestalten zu erkennen. Es ist zu dunkel um auzumachen ob es sich um Erwachsene oder Kinder handelt. Was tun sie mitten in der Nacht draußen? Wo bin ich überhaupt? Ich gehe auf die Gestalten zu. Es kommt Wind auf. Ich spüre ihn zwar nicht, sehe aber wie sich das Laub bewegt, selbst die Bäume. Eine starke Böe. Die Gestalten können sich nur schwer auf den Beinen halten, Ein Baum knickt um. Kein Laut. Nichts. Vollkommene Stille. Was geschieht hier? Ich gehe weiter. Ich erkenne jetzt ihre Gesichter. Es scheint ein Ehepaar zu sein. Die Frau hält ein Kind in den Armen. Ein Neugeborenes, ein kleines Baby. Sie weint. Der Mann stellt sich schützend vor sie. Sie stellt sich in seinen Windschatten. Sie weint immer mehr, man müsste sie trotz des Windes schluchzen hören können. Ich höre jedoch nichts. Sie gehen auf ein Auto zu. Es ist grau. So wie alles andere auch. Ich renne jetzt mitlerweile auf das Auto zu - Ein Blitz zerreist den grauen Himmel, strahlend weißes Licht. Ein Brüllen als ob die Welt zerreist, glühendheiße Flammen. Ich bin geblendet, geschockt. Der Wind peitscht an meinen Beinen, ich werde fast taub vor Lärm. Das Auto brennt. Die Frau kreischt in Pein, den Mann vermag ich nicht mehr zu erkennen. Was ist das für eine Hölle? Die Frau schleppt sich schwer verletzt mit dem Baby in Richtung Haus, sie kann es kaum noch in den Armen halten. Das Kind weint jetzt auch. Ich will ihr helfen, ich kann aber nicht.

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Ich schrie, schon wieder. Schweißgebadet erwachte ich. Noch ein Albtraum. Ich musste duschen, dieses klamme Gefühl in meinen Gliedern loswerden. Wann hörte das endlich auf? Das ging jetzt schon eine ganze Weile so mit diesen Alpträumen. Seid ich denken kann kehrten sie beharrlich zurück. Ich sah in den Spiegel, meine grünen Augen sahen mich an. Ich habe Augenringe. Meine blonden Haare hängen mir zerzaust ins Gesicht. "Schlecht geschlafen?" Mein Spiegelbild schaute mich fragend an, als ob es ein eigenständiger Mensch wäre und mich eben dies gefragt hätte. Hat es aber nicht. Sonst hätte ich ihm wohl auch eine geklatscht. Es ist halb sieben. Die Schule beginnt in einer Stunde. Ich würde es noch hin schaffen. Wenn ich wollte. Ich zog mich aus und betrachtete mich nocheinmal. Ich hatte die letzten Tage kaum gegessen. Das sah man mir an. Ich mochte mich kaum auf die Wage stellen. Aber meinem Aussehen zu urteilen und bei meiner geringen Größe dürften es meine vorrigen fünfundfünfzig Kilogram nicht mehr sein. Ich stellte mich unter die Dusche, das Wasser drehte ich auf ganz kalt. Ich wollte etwas fühlen, ob es nun Schmerz ist, oder ein Glücksgefühl. Es war mir so egal.
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Alt 04.02.2008, 00:26   #4
Shin0
 
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Standard 04-99-XX ~Was ist Liebe?~

Kapitel 04/99

-1-

Das Duschen hatte mir gut getan. Ich setzt mich, endlich richtig wach und mit einer Boxershorts bekleidet, auf mein Sofa und schaltete den Ferseher ein. Auf N-TV lief ein Bericht über Psychlogische Kriegsführung. Die Worte des Reporters klangen klar und bestimmt. Mein Blick schweifte durch das Zimmer auf`s Fenster zu, Wassertropfen rannen daran in Richtung Boden. Es war kühl geworden draußen. Was Florian jetzt gerade wohl machte? Er war sicherlich schon auf dem Weg zur Schule. Ich besann mich einen Moment und schaltete danach den Fernseher aus. Ich wollte ihn wiedersehen. Aber sicher würde er mich fragen, was ich die letzten Tage gemacht hatte! Was sollte ich ihm antworten? Die Wahrheit mochte ich mir ja selbst kaum eingestehen.
"Ich verschwende eine Woche meines Lebens mit nachdenken und am Ende ändere ich doch nichts. Erbärmlich nenn ich sowas." flüsterte ich mir selbst zu. Sicherlich war auch Florian dieser Ansicht. Ich fröstelte. Die Kälte kroch durchs geschlossene Fenster hinein, ich schnappte mir eine der Decken die neben mir lag und wickelte mich ein.

-2-

Ich verbrachte ein paar Minuten so sitzend auf dem Sofa, bis ich von der Türklingel aus der Ruhe gerissen wurde. Ich eilte zur Tür um diese zu öffnen. Mir stand Florian gegenüber - und sein Blick wanderte von meinem Gesicht ungläubig an meinem Körper hinunter. Mir wurde bewusst, dass ich lediglich meine schwarze Boxershorts anhatte und mir der Junge gegenüberstand, den ich gerne in eben so einer einmal sehen würde. Ich errötete und versuchte irgendwie von der peinlichen Situation abzulenken und zu erklären, wieso ich fast vollkommen unbekleidet an die Tür gegangen war.
"Willst du kurz reinkommen? Ich hab grad geduscht..." In meinem Gehirn überschlugen sich die Gedanken förmlich.
"Ja, gerne. Dann kannst du dir gleich auch mal was anziehen. Bist ja fast nackt... Und danach musst du mal was zu essen, du siehst total abgemagert aus. Ist ja nicht mehr schön..." Florian kam ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Er blieb kurz stehen und musterte den Raum in dem er sich befand. Seine Augen hafteten kurzzeitig an einem Foto, dass meinen Vater in seiner Kindheit abbildete.
"Bist du das?" Ich ahnte das er mir diese Frage stellen würde.
"Nein, das ist mein Vater, als er so alt war wie ich. Er sieht mir zwar ähnlich, aber ich hoffe wirklich, dass ich niemals so werde wie er."
"Das musst du mir gleich mal erklären, wieso willst du denn nicht so werden wir er?"

-3-

"Er spricht kaum mit mir, regt sich schnell auf und... Ich hasse ihn einfach." Ich konnte ihm nicht im vorbeigehen erzählen, was der wahre Grund für meine Abneigung gegen meinen Vater war. "Das kann doch nicht alles sein. Ich versteh ja schon das du ihn deswegen nicht besonders magst, aber Hass ist doch übertrieben." Florian begriff nicht die Tragweite seiner Frage. Wie sollte er auch?

Der Sturm lichtet sich ein wenig. Ein Auto fährt auf die Auffahrt, das andere Auto ist bereits vollständig ausgebrannt. Ein Mann, um die 25 Jahre alt, steigt aus. Er trägt einen Anzug, die Haare sind gegeelt und sauber gescheitelt. Er geht in Richtung Tür, stockt jedoch an der Hälfte des Weges. Er beugt sich nach unten und hebt ein Kind aus den Armen einer toten Frau. Das Kind wirkt unterkühlt. Der Mann scheint zu überlegen, ob er es mit sich nimmt oder es der Natur überlässt. Nach ein paar Sekunden schüttelt er jedoch den Kopf und trägt das Kind zu seinem Wagen und fährt weg. Den eigentlichen Grund für seine Anreise vergisst er.

-4-

Nachdem ich mich angezogen hatte, gingen Florian und ich in die Küche um zu frühstücken. "Wieso bist du eigentlich heute nicht zur Schule, sondern zu mir gekommen?"
"Keine Ahnung. Irgendwie dachte ich mir, dass es sicher etwas mit mir zu tun hat, dass du solange nicht zur Schule gekommen bist. Oder täusch ich mich?" Ich lächelte verlegen.
"Also hatte ich Recht. Ach Jonathan..." Ich schaute ihn fragend an. Der Tonfall in seiner Stimme machte mich unsicher.
Er griff nach meinem linken Unterarm und strich über seine Unterseite. Seine Berührung ließ ein warmes Gefühl durch meinen Körper strömen. In diesem Moment verspürte ich Geborgenheit, wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben erlebt hatte. Nach ein paar Sekunden ließ er meinen Arm wieder los und lächelte mich erleichtert an.
"So... Was möchtest du essen? Als Entschädigung für meine Grobheit von vor einer Woche mach ich dir jetzt dein Frühstück." Florian grinste. Ich musste lachen. Ich wünschte mir schon jetzt, dass dieser Morgen nie vorbeigehen würde. Meine Eltern waren augenscheinlich auch nicht zuhause. Meine Laune stieg unaufhaltsam.
"Magst du Spiegelei? Wenn ich ehrlich bin ist, ist das das einzige was ich ganz gut kann."
"Ja, mag ich." Florian hohlte sich aus dem Kühlschrank ein paar Eier und begann danach in den Schränken zu kramen, scheinbar auf der Suche nach einer Pfanne.
"Die Pfannen sind links unten." Er öffnete wie beschrieben die Tür links unten und befördete eine Pfanne ans Tageslicht.
"Dankeschön... Hier hätte ich wohl noch den Rest meines Lebens gesucht. Sagmal wie könnt ihr euch eigentlich so ein riesen Haus, mit einer so riesigen Küche leisten?"
"Mein Vater ist der Chef von sonner Bank in der Stadt. Außerdem spekuliert er noch an Börse, soweit ich weiß." Florian hatte die Pfanne mitlerweile auf den Herd gestellt, Butter zum schmelzen gebracht und die Eier gekonnt in die Pfanne geschlagen.
"Da kannst du doch froh sein. Immerhin kannst du dir so einen ganz schönen Luksus leisten und dein Taschengeld ist bestimmt auch nicht von schlechten Eltern." Ich fing wieder an zu lachen und nach einem Moment began auch Florian zu begreifen, dass er wahrscheinlich mit den letzten beiden Wörtern eine Frage gestellt hatte die ich auch beantwortete.
"Also wenn ich ehrlich bin: Doch ist es."
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