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Sprüche und Kurzgedanken Prosatexte, die einen Sachverhalt möglichst kurz und knapp schildern.

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Alt 24.06.2013, 13:51   #1
männlich AndereDimension
 
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Standard Jedem das Seine

Der Reiche fordert, der Arme will, wer überfordert ist bleibt still.
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Alt 24.06.2013, 14:26   #2
weiblich C.Alvarez
 
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Zitat:
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Jedem das Seine
Im Hinblick auf Buchenwald halte ich den Titel für äusserst unglücklich gewählt.

code.p
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Alt 24.06.2013, 14:32   #3
Thing
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suum cuique, ist seit antiken philosophischen Theorien der Moral und Politik ein für die Fassung von Begriffen des Rechts und der Gerechtigkeit, insbesondere der Verteilungsgerechtigkeit, vielfach ins Spiel gebrachtes Prinzip, das abstrakt besagt, dass jedem Bürger eines Gemeinwesens das zugeteilt wird (bzw. werden soll), was ihm gebührt, durch gerechte Güterverteilung etwa. Je nach praktischer bzw. politischer Theorie werden unterschiedliche Präzisierungen vorgeschlagen und wird der Status eines solchen Prinzips unterschiedlich bewertet.

Daß die Maxime (nach innen gewendet) mißbraucht wurde, macht sie nicht ungültig.
Außerdem hat A.D in meinen Augen den Sinn spöttisch abgewandelt.
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Alt 24.06.2013, 14:34   #4
weiblich C.Alvarez
 
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Zitat:
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Jedem das Seine
Im Hinblick auf Buchenwald halte ich den Titel immer noch für äusserst unglücklich gewählt.

code.p
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Alt 24.06.2013, 14:45   #5
männlich AndereDimension
 
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Hallo Thing,

Du hast, wie ich das von dir auch nicht anders erwartet habe, das richtig eingeordnet.

Andere scheinen damit überfordert zu sein, doch die sollten, wie der Text schon sagt, still sein

Gruß, A.D.
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Alt 24.06.2013, 15:50   #6
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Standard Zickzack

Seit ich weiß, dass mich der Tod erwartet, nehme ich Umwege gerne in Kauf.
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Alt 24.06.2013, 15:51   #7
Thing
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Köstlich!
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Alt 24.06.2013, 16:02   #8
weiblich Ilka-Maria
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War mir klar, dass bei diesem "Zitat" die altbekannte Diskussion abermals losgetreten wird. Alles kommt mal wieder ...
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Alt 24.06.2013, 16:10   #9
Thing
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
War mir klar, dass bei diesem "Zitat" die altbekannte Diskussion abermals losgetreten wird. Alles kommt mal wieder ...
Dabei wäre ich, garantiert nicht braun, der Erste gewesen, der gemeckert hätte -
wäre das denn angebracht gewesen.
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Alt 24.06.2013, 16:30   #10
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
Dabei wäre ich, garantiert nicht braun, der Erste gewesen, der gemeckert hätte -
wäre das denn angebracht gewesen.
Dabei ist es nicht verwunderlich, wenn fast 70 Jahre Jahre nach der Naziherrschaft kaum noch jemand solchen Slogans Bedeutung eine zuordnen kann. Es gibt noch mehr solcher mißbrauchten Redensarten und Begriffe ("ausmerzen", "Ungeziefer"), denen keine besondere Beachtung geschenkt wird. Tatsächlich ist es so, dass bei dem Zitat "Jedem das Seine" in den meisten Fällen vom Zentralrat der Juden Alarm geschlagen wird (wofür ich einerseits zwar Verständnis habe, was aber den Spruch andererseits erst recht lebendig hält).

Ich sehe keinen Grund darin, dass ich eine jahrtausendealte Redewendung, die aus dem Lateinischen stammt, nicht in meiner Sprache verwenden darf, während alle anderen Europäer sie ungetadelt in ihrer Sprache verwenden können; denn auch in etlichen dieser Länder war man kräftig an der Entrechtung und Ermordung der Juden beteiligt.
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Alt 24.06.2013, 17:29   #11
weiblich C.Alvarez
 
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Zitat:
Zitat von AndereDimension Beitrag anzeigen
Andere scheinen damit überfordert zu sein, doch die sollten, wie der Text schon sagt, still sein
Da hast du wohl recht und mir bleibt wegen meines unglücklichen Kommentars nur die stolze Trauer.

code.p
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Alt 24.06.2013, 19:02   #12
weiblich Rosenblüte
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Zitat:
War mir klar, dass bei diesem "Zitat" die altbekannte Diskussion abermals losgetreten wird. Alles kommt mal wieder ...
Was beweist, dass dieses Kapitel unserer Geschichte noch nicht überwunden ist. Alles kommt mal wieder...

Zitat:
denn auch in etlichen dieser Länder war man kräftig an der Entrechtung und Ermordung der Juden beteiligt.
Was die Schuld unseres Landes nicht relativiert.

Zitat:
Der Forderung, durch den Verzicht auf einen gedankenlosen Gebrauch ein würdiges Andenken an die Opfer des Nationalsozialismus zu wahren und den Überlebenden Respekt zu erweisen, steht die Ansicht gegenüber, dass „Jedem das Seine“ meist in einem achtbaren Sinne gebraucht worden sei, im Gegensatz beispielsweise zu „Arbeit macht frei“. (Wikipedia)
Alles Ansichtssache. Ich persönlich würde den Begriff im anderen Kontext nicht verwenden, erst recht nicht in einem spöttischen Sinne.

Gruß Rosenblüte
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Alt 24.06.2013, 19:57   #13
weiblich Ilka-Maria
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Das Schlagwort "Jedem das Seine" wird von niemandem relativiert, sondern es wird darum gestritten. Nicht jedem Zeitgenossen leuchtet sein Tabuisierung ein, und dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Diese Redewendung ist zudem viele Jahrhunderte lang bei so vielen Geisteswissenschaftlern in Gebrauch gewesen, dass ich mich fragen muss, wie diese Leute noch richtig zitierbar sein sollen mit einem solchen Tabu.

Zitat:
Auch wenn es hier nur paradigmatisch belegt werden kann: In seiner zweieinhalbtausendjährigen Verwendungsgeschichte ist mit dem gedanklichen Inhalt von Jedem das Seine! auch Verschiedenartiges, ja Gegensätzliches gemeint und damit gerechtfertigt worden. Selbst die begnadetsten Hermeneutiker dürften außerstande sein, eine Deckungsgleichheit zwischen den Auffassungen über Jedem das Seine! zutage zu fördern, wie sie etwa (in zeitlicher Reihenfolge) von Platon, Aristoteles, Cato, Seneca, Cicero, Ulpian, Paulus (Galater VI, 5), Augustinus (De civitate dei XIX, 21), Hobbes (Leviathan I, 15), Spinoza (Tractatus politicus II, 23), Kant (Einteilung der Rechtslehre A) oder Nietzsche (Menschliches, Allzumenschliches I, 92) vertreten wurden.

Um konkret zu werden: Als sich am 18. Januar 1701 der Kurfürst von Brandenburg eigenhändig zum Preußenkönig gekrönt hatte, stiftete anläßlich dieses Ereignisses der nunmehrige Friedrich I. als höchste preußische Dekoration den Schwarzen Adlerorden, ein achtspitziger silberner Stern mit schwarzem Adler in orangefarbenem Felde und darüber als Devise SUUM CUIQUE. Der jeweilige Preußenkönig war Großmeister, jeder seiner Söhne geborener Ritter dieses Ordens, der auch an auswärtige Fürsten, deren allervornehmste Würdenträger sowie an inländische Militärs und Beamte höchsten Ranges verliehen werden konnte. Beim Schwarzen Adlerorden handelte es sich also nicht wie bei anderen Orden um "Spielzeug für alte Knaben", wie Kuno Fischer solcher Art von Dekor bezeichnete, den allerdings auch sein Meister Hegel ein Jahr vor seinem Tode nicht verschmähte, als man ihm in Berlin den - freilich nur - Roten Adlerorden 3. Klasse verlieh. War aber das Suum cuique auf dem Preußenorden (seit 1918 Hohenzollernorden) ein Gebrauch oder ein Mißbrauch von Ulpians Gerechtigkeitsformel? Hatte die mit dem Gesetzestext der Digesten geadelte Selbstbeweihräucherung gekrönter Adliger etwas mit zum Beispiel der Ansicht des Großdenkers Leibniz (De Jure et Justitia; Tria Praecepta) zu tun, der zwei Jahrzehnte zuvor das Suum cuique! zu den drei ewigen Gerechtigkeitsmaximen gezählt hatte, woran im September 2001 der in Berlin tagende VII. Internationale Leibniz-Kongreß aus gegebenem Anlaß in einer speziellen Resolution zu erinnern für erforderlich hielt?

Oder, um einen anderen Gesichtspunkt ins Argumentationsspiel zu bringen, verbietet des Thomas von Aquino Inanspruchnahme von Suum cuique! als Begründung für die Rechtmäßigkeit von Sklaverei und Leibeigenschaft (Summa theologica II-II, 57, 4) jedem, der diese beiden Ausbeutungs- und Herrschaftsformen hinter sich gelassen haben will, sich in welchem Zusammenhang auch immer auf das Schlagwort zu berufen? Und könnte man nicht die Nazi-Verwendung von Jedem das Seine! als angemessene Fortsetzung jener Legitimation des Herr/Knecht- Verhältnisses durch den Scholastiker betrachten? Aber was hält man dann davon, daß sich die 1956 gegründete Schule für Feldjäger der bundesdeutschen Bundeswehr das Suum cuique! zum Motto erkoren hat?

Ernst Bloch jedenfalls setzte dem patriarchalischen Suum cuique! als dem Maßstab einer Gerechtigkeit von Oben die Kardinaltugend einer Moral ohne Herr und Knecht, doch mit dem radikalen Anspruch: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" entgegen, womit auch Marx mit eben dieser von den Saint-Simonisten angeregten Formel zum Zuge käme, dessen Jedem das Seine! ein ganz anderes Kriterium dafür anböte, was einem jeden als das Seine zusteht.

Um noch einmal auf das Skandalon in der Verwendungsgeschichte von Jedem das Seine! zurückzukommen: Der Mißbrauch eines Schlagwortes hebt dessen künftige Brauchbarkeit nicht auf; eher umgekehrt, denn eine unbrauchbare Formel kann gar nicht mißbraucht werden.
Aus:
Jedem das Seine! Geschichte eines Schlagworts
von Hermann Klenner in "Ossietzky", 16.02.2002
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