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Alt 22.06.2014, 15:28   #1
weiblich Stoffherz
 
Dabei seit: 06/2014
Beiträge: 29


Standard Sie. Ich. Wir.

Ich wache auf.
Mein Atem geht flach.
Ich fühle mich schrecklich.
Meine Glieder schmerzen und ich bin einfach nur erschöpft.
„Warum denkt sie nie daran, dass ich auch einmal Schlaf brauche?“, stammle ich leise vor mich hin.
Ich schaue routinemässig auf meine Hände herunter.
Rot.
Ich sehe nach, was sie dieses Mal gemacht hat.
Meine Arme sind aufgekratzt.
Das Blut daran ist schon getrocknet, es scheint also schon etwas länger her zu sein.
Mir fällt auf, dass auch auf meiner Brust Blut klebt.
Ich schaue nach unten, schon beginnt sich alles zu drehen.
„Das lass ich wohl lieber.“, sage ich leise zu mir selber.
Ich trete hinüber zu der spiegelnden Scheibe.
Den Spiegel haben sie mir nach dem letzten Vorfall weggenommen.
Unbewusst streiche ich mir mit der Hand über die Narbe die dadurch entstanden war.
In der Scheibe sehe ich mich.
Blutverschmiert.
Schmuddelig.
Zerzauste Haare.
Zerrissene Kleider.
Noch mehr Blut.
Augenringe.
All die Narben.
Dann schau ich mir an was sie getan hat.
Über meine Brust ist in Grossbuchstaben, ein einzelnes blutendes Wort in meine Haut eingeritzt.
‚STIRB‘
Ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
„Da sind wir uns ja endlich einmal einig.“
„Ich muss sterben. Das muss endlich alles ein Ende nehmen.“, sage ich leise und melanchonisch.
Langsam sinke ich auf die Knie.
Sterben.
Sie versucht immer wieder mich … uns ... umzubringen.
Bisher war sie genau so erfolgslos wie ich selber.
Ein lautes Klopfen an der Stahltür lässt mich zusammenzucken.
„Mittagessen.“, sagte eine tiefe, dröhnende Männerstimme.
Die Klappe in meiner Tür geht auf und eine Tablett wird hereingeschoben.
„Dr. Flynn erwartet Sie um 14°° Uhr, Samantha.“
Es ist also schon Mittag.
„Welchen Tag haben wir heute?“, rufe ich leicht verzweifelt hinterher, aber der Mann hatte sich wohl schon entfernt, oder wollte mir einfach nicht antworten.
Die Uhr hatten sie mir auch weggenommen.
Ich werfe einen kurzen Blick auf das Tablett.
Nichts woran man sich verschlucken könnte.
Nichts wogegen ich allergisch sein könnte.
„Sie werden immer besser darin, mich vor mir selbst zu beschützen.“, fluche ich leicht sarkastisch.
Ich schaue in meiner Zelle umher.
Das einzige was noch übrig geblieben ist, ist die Matratze auf dem Boden und ein flaches Waschbecken.
Ich lasse das Essen stehen.
„Vielleicht verhungere ich ja.“, sage ich und lächle.
Als ob sie es mir so einfach machen würden.
Ich gehe zum Waschbecken herüber und wasche mir das Blut vom Körper.
Dann lege ich mich mit angewinkelten Beinen auf die kahle Matratze und warte.
Um 13.45 Uhr kommen 3 Männer, jeder davon mit einer Waffe und einem Elektroschocker am Gürtel, in meine Zelle hinein.
Einer davon hat die mir viel zu bekannte Jacke dabei.
Sie bewegen sich vorsichtig und aufmerksam.
Zwei der Männer sind mehr oder weniger gelassen, einer davon, ein jüngerer scheint ziemlich nervös zu sein.
Wahrscheinlich ist er neu hier.
Ich bleibe erst mal liegen um ihm nicht noch mehr Stress zu machen.
„Schon gut Jungs, ich bins.“, sage ich leise.
Die beiden älteren sind sichtbar erleichtert und lockern sogleich die Stimmung auf.
„Schön dich mal wieder zu sehn… dazuhaben Samantha“, korrigiert er sich schnell.
„Wann werdet ihr mich endlich Sam nennen?“, frage ich rhetorisch und erhebe mich langsam.
Ich strecke die Arme aus, damit sie mir die Jacke anlegen und festzurren können.
„Die werden wir dann heute nicht brauchen.“, meinte der zweite Mann und lächelt mich freundlich an.
Ich zögere kurz.
„Ich kann jederzeit zu ihr werd..“, ich werde unterbrochen.
„Dr. Flynn besteht darauf sie weg zulassen wenn du … du bist.“
Ich mache zwei Schritte auf sie zu.
Der dritte stolpert vor Schreck ein paar Schritte zurück, wofür er zwei vernichtende Blicke seiner Kollegen erntete.
„Seid ihr euch da sicher?“, frage ich zuckersüss.
Vielleicht überlegen sie es sich ja anders, wenn ich sie etwas reize.
Sie wenden sich wieder mir zu.
„Gehen wir, Samantha.“
Sie eskortieren mich durch die kahlen Gänge.
Stahltür an Stahltür, graue Betonwände.
Von irgendwo höre ich Schreie.
„Zum Glück ist meine Zelle schalldicht“, murmle ich leise vor mich hin.
„Guten Tag Samantha.“, höre ich eine warme Männerstimme sagen.
„Guten Tag Dr. Flynn“, erwidere ich den Gruss mit einem halben Lächeln.
„Es ist schon eine Weile her, seit wir uns das letzte Mal gesprochen haben.“
„Ich komme jeden Tag zu Ihnen.“, erwidere ich trocken.
„Aber das bist nicht du.“, korrigiert er mich lächelnd, wie jedes Mal.
„Sie ist trotzdem ein Teil von mir.“
„Das ist wahr.“, muss er wie jedes Mal zugeben.
Nach so langer Zeit läuft es zwischen uns wie ein einstudiertes Spiel ab.
Ich setze mich auf das Sofa.
Er setzt sich auf seinen Stuhl und nimmt sein Notizheft hervor.
„Bitte töten sie mich.“, sage ich schlicht zu ihm rüber und schaue ihm dabei direkt in die Augen.
Er schweigt.
„Bitte..“, setze ich verzweifelt nach.
Er schaut mir ein paar Sekunden fest in die Augen, bricht dann aber den Kontakt ab und senkt den Blick in sein Notizheft.
Ich lehne mich seufzend zurück und warte auf seine Fragen.


Fortsetzung folgt...
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