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Alt 22.06.2012, 01:14   #1
männlich Ex-Ralfchen
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Standard Atmen

Atmen

Ihr fetter Arsch hüpfte auf und ab. Kein Wunder, die Musik war taktlos. Eine von diesen verführungslosen Gustav-Mahler-Schindereien. Das retuschierende Rot der Abendsonne verpasste ihr vorübergehend einen gesunden Teint. Sie sah ihn mit einem eher unordentlichen Blick an, der nach Ordnung rief. Die kann sie haben, dachte er - erleuchtet.

Während ihre Blicke an ihm hafteten wie Fliegen im Honig, stellte er sich die Frage ob sie vielleicht ein Biene war. Der Mahler hatte endlich aufgehört zu malen und und ihre Zellulite kam zur Ruhe.

Verstohlen holte er seine Blutdruckmanschette aus der ausgebeulten Jackentasche. Sie hatte das Brummen offensichtlich gehört und bewegte sich schwerfällig aber nicht unlangsam in seine Richtung. Aha: 170 zu 100 und 120 Puls. Schnell griff er nach seinem Fieberthermometer. Nur: Sie war schneller. Hastig griff sie in ihre Handtasche. Jetzt war keine Zeit mehr für Temperaturmessungen, die Alte meinte es ernst. Das Wort „Hilfe“ kam nur stöhnend aus seinen abgespannten Stimmbändern. Die Serviererin kicherte hysterisch. Ihm war zum Heulen.

Die schwarze Mündung stierte ihn zitternd an. Im nächsten Moment blendete ihn ein gewaltiges Mündungsfeuer. Es war eine X21R LedLenser, die ihm mit 1600 Lumens via die vergewaltigte retina sogar die Frontloben ausleuchtete.

„Rede mit mir Viktor.“

„Vik..Viktor? Ich heiße Sam.“

„Ok, süsser Knabe. Soll ich handeln?“

Seine Gedanken rasten etwas langsamer als das Licht der LedLenser. Wie reagiere ich hier am erfolgreichsten, war sein erster kühne Gedanke. Sein Atmen wurde mühsamer und er halluzinierte sehnsüchtig nach einer Lungenmaschine. Scheiße, panikierte er, wo hab ich nur den verdammten Inhallator?

Wie gerne wäre jetzt auf und davon. Nur: er blieb wie durch 2 Komponenten geklebt, starr auf dem billigen Plastikhocker. Aber: Die Fettärschige hatte sich unvermittelt von ihm abgewandt und war aus der Cafeteria abgetanzt. Anscheinend hatte sie ihn mit Viktor verwechselt. Aber wer war Viktor? Seine Pupillen waren wieder in Normalgröße und die Scheme der Serviererin hatte sich vor ihm aufgepflanzt.

„Ich krieg noch nen Zehner vom letzten Mal, du Wichser!“

Er zupfte einen Zwanziger aus der Börse und hastete aus dem Kaff. Die Fettmieze stand einen Block weiter und spielte Leuchtturm. Sie wandte den Kopf und bewegte sich ihm mit einigen Schritten entgegen.

„Ich hab dich vorher nicht erkannt Sam. Ich glaube du passt besser zu mir als Viktor.“

Nach diesen Worten drehte sie sich um und richtete die LedLenser auf eines der entgegenkommenden Autos. Der geblendete Fahrer verriss das Fahrzeug und raste in eine fröhliche Menge von Abendessern im gegenüberliegenden Straßen-Restaurant.

Er starrte sie entsetzt an.

„Komm Sam, lass uns ein paar schöne Augenblicke genießen.“

Sie zog ihn am Arm. Von der gegenüberliegenden Straßenseite hörte man Schmerzensschreie und das Wimmern der Verletzten.

„Komm, ich kenn da nen netten Teich mit einem Froschkönig. Nicht weit von hier, hm?“

„Hey, ich weiß ja nicht mal deinen Namen.“

„Meier, aber nenn mich einfach Delila.“

Dachte ich mir fast, dachte er.

Sie hatte hastig die Führung übernommen und schleppte ihn durch ein Labyrinth von Nebengassen. Mensch, dachte er, ich kenn nicht mal die Stadt in der ich seit zwanzig Jahren lebe.

Der Park war spärlich von zwei Laternen beleucht, deren Funzelage den Teich wie Olivenöl spiegeln ließ. Aus der Ferne drangen die hysterischen Geräusche der Sirenen der Ambulanz- und Polizeifahrzeuge.

„Möchtest du jezz n‘ paar schöne Augenblicke, oder nich?“

Flüsterte Meier und sah ihn wieder mit diesem unordentlichen Blick an.

„Aber nur wenn wir sie uns teilen.“

„Klar doch Sam, ich nehm dreißig Prozent.“

„70pro klingt gut.“

„Komm, ich mach dich munter.“

Sie krallte ihre Hand zwischen seine Beine.

„Mann, Mensch, was issn‘ das?“

Sie wich erschrocken zurück.

„Siss‘ mein Penismaster.“

„Dein was?“

„Penismaster, weil er zu klein iss und ich auch zu schnell spritze.“

„Sag willst du mich verarschen?“

Dabei umfasste sie seinen Hals mit ihrer linken Hand. Sie war ganz nahe an ihn herangerückt und nahm ihn mit zugekniffenen Augen ins Visier. Das Mondlicht warf einen bleichen Schimmer auf ihr aufgedunsenes Gesicht. Mensch, die Alte macht mich, funkte es durch seinen Neokortex. Ich bin aber noch nicht bereit jammerte er lautlos in sich hinein.

„Darf ich mal schnell meinen Blutdruck messen?“

Erst jetzt bemerkte er ihren unangenehmen Mundgeruch.

„Willsu nen Bazooka? Mein Hamster liebt den.“

„Atme mal tief durch du Wichser. Ich scheiß auf deinen Kaugummi. Hab morgen nen Mundhygiene-Termin.“

Ihm war zum Schreien zumute. Vom Weiher hörte man das Quaken eines Frosches.

„Iss das der König?“

„Dein Witzeln wird dir noch vergehen.“

Sie hatte ihre Handtasche fallen gelassen und ihm flugs den Hosenzipper geöffnet. Mit einem Ruck riss sie ihm den Penismaster vom Schwanz.

„Was hammwa denn da?“

Sie hielt den Penismaster, aus dem Florians bluttropfender Schwanz baumelte, in Augenhöhe. Sam war ins Schmerztrauma geglitten und fühlte sich angenehm. Wer braucht nen Schwanz dachte er und grinste breit in sich hinein.

„Du findest das lustig, hey?“

Im nächsten Moment blitze etwas in ihrer fetten Rechten. Als Sammler erkannte Sam die Klinge des Para66. Wie sich die wohl anfühlt?

Sie stand wieder ganz nahe beim ihm. Er zählte mit, acht Stiche:
Rechte Herzkammer, Arterienkonus, Aortenbogen, linkes Herzohr, Herzkranzfurche, linke Schlüsselbeinarterie, Lungenstamm, Lungenvenen. Die Mieze war präzise.

Die Zeit war stehengeblieben. Sie ließ das Para fallen und umarmte ihn. Der Frosch quakte einen Refrain zu den Sirenen aus der Ferne. Der Himmel war voller Sterne und er dachte an die Andromeda. Der Gedanke war leise und es war als würden seine folgenden inhaltslosen Gedanken aus weiter Ferne kommen. Von dort wo die Sirenen weinten.

Sie hatte sich neben ihn ins verdorrte Gras gelegt. Die Sterne waren nach und nach verschwunden und ihr übler Atem war dem Duft des Vergehens gewichen.

„Wenn ich gewusst hätte, wie schön sterben ist, wäre ich nicht so oft an dir vorüber gegangen.“

Flüsterte er.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.06.2012, 09:27   #2
weiblich BABSvomKUTSCHI
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Mann, ist das stark geschrieben.
Zuerst dachte ich, das muss Romantik sein. Oder doch eher eine Liebesgeschichte? Wahrscheinlich eher eine realistische Liebesgeschichte, wegen des dicken Arsches.
Bin jetzt ganz verwirrt. Denn der Penismaster passt ja nun doch wieder besser zur Romantik.
Aber da der Frosch durchgängig anwesend ist, soll es wohl die Geschichte vom Froschkönig
in realistischer Crime-Comic-Romantik sein.
Bitte klär den Leser auf.
BABSvomKUTSCHI ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.06.2012, 10:46   #3
Thing
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Nicht nötig!
Bis zum Inhalator hätte U. Neumann geschmunzelt.
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.06.2012, 11:57   #4
männlich Ex-Ralfchen
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na ja, zu sehr plagiieren wollte ich den tapferen dovito nun aber doch nicht, daher hatte ich schnell nach dem inhallator nen anderen twist angeflochten. hamster und frösche sind in der modernen prosa ein muss. ebenso massenhaft tote und verletzte. + ihr wisst, dass sind so meine 30-minuten-texte, die nur deshalb so lang brauchen weil ich mich darüber selber schieflache. und wie ihr noch und noch wisst: ich ziehe - wenn schon lust- oder ritualmord - die frauen als täterinnen vor. das hat mehr ambiente und coolness - so wie das ambiente-polarlicht in meinem S500er.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.07.2012, 15:14   #5
männlich otto
 
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Standard Atmen

Wie viele Deiner Drabbles strotzt auch diese Geschichte von Gewalt und Fäkalsprache. Ich weiß nicht, ob sie einen persönlichen Erfahrungshintergrund
hat oder, wie die Drabbles, rein fiktiv ist.

Die Dialoge sind in aufgesetzter und in gestelzter Sprache geschrieben, sie wirken nicht authentisch; gut möglich das Fiktion eben auf diese Weise authentisch geschrieben wird.
Natürlich kenne ich das Eigenschaftliche Deiner Geschichte auch aus Erfahrung
über meine 40 jährige Arbeit in Kreuzberg/Berlin. Aber dort sprechen sie anders. Es wird ja überall anders gesprochen, ja am gleichen Ort sogar. Ich will aber gerne annehmen, dass Deine Protagonisten so mit einander umgehen wollen, weil sie es nicht anders können und wollen. Dann willst Du es vermutlich ja auch oder mißbilligst Du ihr Verhalten und ihre Sprache. Dann wäre Deine Geschichte ein Lehrstück dafür, wie es Dir nicht gefällt.

Es kann ja auch sein, dass sie ihr wahres Innenleben fiktiv nach außen übersetzt haben. Doch weiß ich ja nicht, ob Du realen Charakteren nur einen fiktiven Rahmen gegeben hast. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Protagonisten auf ihre Weise zärtlich und behutsam miteinander umgehen. Jedenfalls stehen sie mächtig unter Druck und zeigen ständig konkurrierendes Imponiergehabe, versuchen sich ... ausdrücklich durchgehend zu übertreffen.
Na ja, das könnten sie auch mit einer anderen Sprache. Oder mit einer anderen Sprache können sie es nicht mehr. Oder ist es eine Art Neuromantik, weil ihnen Heineworte nie etwas galten? Ich jedenfalls kommentiere:

" Ich weiß nicht was soll es bedeuten."

Doch mindestens bin ich von dem mir Befremdlichen beeindruckt.Und bin ich mir sicher, dass Du eine gewisse Wirkung bei Deinen Lesern erreichen wolltest.
Kannst Du mir verraten, wenn dem so wäre, welche?

Nach den bisherigen beiden Kommentatoren zu urteilen, scheinst Du voll im Trend von Unterhaltungsliteratur, die eben ihr Publikum sucht, und mit den beiden Kommentatoren offenbar gefunden hast.

Mir gefällt die Geschichte nicht. Doch das bedeutet ja nicht, dass sie nicht gut geschrieben ist. Das zu beurteilen fehlt mir aber die Fachkompetenz.
Immerhin, ich habe die Geschichte 4 x gelesen.

Schließlich habe ich mich gefragt, was die Geschichte mit Lyrik zu tun hat.
Aber es ist ja wohl unverkennbar Prosa, oder?
Liebe Grüße,
otto.
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Alt 09.07.2012, 16:17   #6
männlich Ex-Ralfchen
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erstens mal isses kein drabble, denn dann wäre der text nur hundert worte lang - hm? und ja: es ist keine lyrik, sonst wäre sie dort eingestellt. es ist ein kurzprosa. und ja ich habe ein genre gezeichnet, dass wie zwischen zwei hauchdünnen riffelgläsern - also zwischen der realen welt da draussen und im inneren meiner erzählwelt eingebettet ist. ich kann berichtend nicht real sein, denn dann wüsste ich nicht was ich schreiben sollte. meine texte kommen aus subliminalen schwammigen seelendepartement. daher sind meine welten eher nur in diesen - wie erwähnt - zarten zwischendimensionen vorhanden. fragiul, unwirklich und brüchig.

die protagonisten sind schleierhaft und marionettiert. daher wirken die dialoge starr und kalt. und: diese wesen mögen einander zärtlich zugetan sein. aber nicht in der von mir beschriebenen dimension.

danke fürs 4 mal lesen. das ist eine wahre leistung, otto.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.07.2012, 17:20   #7
männlich otto
 
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Standard Atmen

Liebes Ralfchen!

Wie Du nachlesen kannst, habe ich in meinem Kommentar nicht geschrieben, dass diese Geschichte ein Drabble ist, sondern, dass sie wie viele Deiner Drabbles, von Gewalt und Fäkalsprache strotzt. Deshalb kann sie natürlich mehr als Hundert Wörter ( nicht Worte!) haben.

Ja und zur Einordnung des Genres. Ich habe schon entdeckt, dass der Text nichts mit Lyrik zu tun hat. Ich bin mir noch unsicher, ob ich sie poetisch finde, weil ihr Zuhause doch " Poetry.de" sein darf.

Gut erklärt hast Du Deinen Schreibansatz. Das ich den Text 4x gelesen habe,
schulde ich der subliminalen schwammigen Zwischenwelt seines Autors. Ich will ja auch etwas vom Autor verstehen. Was malst Du denn?

Gruß, otto.
otto ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.07.2012, 18:04   #8
männlich Ex-Ralfchen
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hahahahahaha...ja danke, dass du meine schlechten deitsch ausbeserst, guttes ottchen. aba 100 worte stimmt ebenso wir wörder - hm? ich bin ja in da malerei ers am anfang. ich mach sowas wie:

Schneewittchen und der Achte.

http://up.picr.de/10123917ne.jpg
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