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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 20.04.2014, 12:11   #1
Thing
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Standard Replik

Ich liebe mich. Nicht Dich.
Ich schiene Dein gebrochnes Bein.
So egoistisch will ich heute sein.

Ich bring Dir jetzt das Mittagessen.
Aus Eigenliebe hab ich es gekocht.
Für mich, nicht Dich.

Ich schneide heute Deine Hecken.
Ich deck Dich morgen damit zu.
Wie mit Locken.

Dich lieb ich nicht.
Ei, Mutter, wozu auch?
Ich kam aus Deinem Bauch.

Das war doch nur Dein Eigennutz!
Wozu im Bombenhagel dann Dein Schutz?

Dennoch, dennoch und immer noch:
Ich liebe Dich!




20. April 2014




auf die Behauptung, Nächstenliebe sei Egoismus und im Grund nur Eigenliebe.
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Alt 20.04.2014, 12:49   #2
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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auf die Behauptung, Nächstenliebe sei Egoismus und im Grund nur Eigenliebe.
Ein Trotzgedicht, das dort passt, wo Egoismus in seiner negativsten Form in Erscheinung tritt. Aber ich meine, das sind Extreme, die ebensolche extremen Ursachen haben. Einen gewissen Grad an Egoismus braucht jeder Mensch, damit seine Interessen gewahrt bleiben, alles andere wäre Altruismus, und der ist ebenfalls extrem. Auf die Balance kommt es eben an.

Außerhalb dieser Balance sehe ich die Sache nüchtern: Wenn große, lebensbedrohliche Katastrophen passieren, lernt man einen Menschen in seinen wahren Facetten kennen und kann unfassbare Überraschungen erleben - im positiven wie im negativen Sinne. Dann gehen Egoismus und dessen Überwindung damit einher, wie gut ein Mensch seine Angst verkraften kann.
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Alt 20.04.2014, 13:02   #3
Thing
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Na ja - ein Mutter, die sich im Bombenhagel üner ihr Kind wirft, um seinen Körper zu schützen, handelt gewiß nicht aus Eigenliebe und Egoismus.
Das sind - wie anders - überkommene Reflexe (Brut, Liebe, Intinkt).

***

Interludio:

ich habe, es mag zwei Jahre her sein, einen jungen überfahrenen Fuchs (tot, noch warm) mitgenommen und wortlos in Mutters Garten begraben.

Das wird mir als Egoismus (Eigenliebe) unter die Nase gerieben.
Aber nicht in Poetry!
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Alt 20.04.2014, 13:16   #4
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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Interludio:

ich habe, es mag zwei Jahre her sein, einen jungen überfahrenen Fuchs (tot, noch warm) mitgenommen und wortlos in Mutters Garten begraben.

Das wird mir als Egoismus (Eigenliebe) unter die Nase gerieben.
Aber nicht in Poetry!
So etwas können nur Dumpfbacken von sich geben. Ein Mensch kann zahllose Gründe für seine Impulse haben, die ihm selbst oft gar nicht bewusst sind. Wenn es Dir ein Bedürfnis war, den Fuchs nicht weiter von Autoreifen zu Brei zermatschen zu lassen, wird es in Deiner Psyche dafür Zusammenhänge geben, das muss gar nicht mal in erster Linie Mitleid gewesen sein. Abgesehen davon sehe ich aber keine Notwendigkeit, jedes Handeln analysieren und rational begründen zu müssen oder ihm sogar ein Etikett anzuheften. Wenn es für den Handelnden in Ordnung ist, was er tut, und wenn er damit niemandem schadet, dann es es gut und richtig - und wenn es hundertmal nach Egoismus aussieht.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.04.2014, 20:58   #5
männlich Ex-Poesieger
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So flach habe ich es lange nicht gelesen.

Vielen Dank dafür + LG RS
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Alt 20.04.2014, 22:50   #6
weiblich anna amalia
 
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Ilka hat recht - lieber Thing. Ich glaube, dass wir in unserer eher narzisstisch geprägten Gesellschaft oft vergessen, dass wir das eine tun können ohne das andere lassen zu müssen.

Es ist , um benediktus zu zitieren, alles eine Frage des rechten Maßes im Leben ...

In der Bibel steht's schon geschrieben: " liebe deinen Naechsten wie!!! Dich selbst.."

Hundertfach schon diskutiert und trotzdem haperts immer wieder an der Umsetzung , wie ich oft merke...

Alles Liebe und dass du einen Fuchs begraben hast, macht dich sehr sympathisch für mich , Thing ..

Ännchen
anna amalia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.04.2014, 13:24   #7
weiblich Merith
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Lieber Thing,

Dein Gedicht bringt mich zum Weinen.
Die herbe, unverbrüchliche Lieber der Söhne - wer wagt ihren lebensnotwendigen Egoismus zu kritisieren ?

Keine Mutter dieser Welt !

Merith
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Alt 21.04.2014, 13:39   #8
Thing
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Standard Liebe und Egoismus

Das war purer Egoismus, was Du hier schreibst, da es kein anderer mitbekommen hat, das was Du getan hast, hast Du es doch nur wegen Dir und so nur für Dich getan.
Für die Mutation Deiner Eigenliebe = Egoismus.


(Bezieht sich auch auf das Fuchsbegräbnis).

Ja, Merith -


egoistisch ist die Liebe zu meiner Mutter in gewissem Maße schon:
Ich möchte Mutter nicht, nie und nimmer verlieren.
Es bleibt die Diskrepanz:
Der Abstand bei den Lebensjahren.
Denn ich möchte nicht, daß sie einem ihrer Kinder ins Grab schauen muß.
(Wir Vier leben noch - als Halbgreise).

Der ideelle Wunsch:
Mutter, Zwilling und ich im gleichen Moment sterbend.
Als Nußbäume auf Großvaters Wiese wieder auferstehend.
Aber das erlaubten lediglich die antiken Götter.

Ganz herzlichen Gruß
von
Thing
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Alt 21.04.2014, 16:59   #9
weiblich Merith
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Der Gedanke, n a c h meiner Zwllingsschwester zu sterben, ist unerträglich, trotzdem würde ich es mir wünschen, um ihr den Schmerz zu ersparen.

Du verstehst, Thing ?

Merith
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Alt 22.04.2014, 09:01   #10
Thing
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Nur zu gut!
Kennst Du das Gedicht:



Dunkler Falter

Wenn zwei Eheleute zum Sternenhimmel starrn,
oder ein Bruder hält seiner lieben Schwester das Garn,
oder ein Freund schenkt bedachtsam dem Freunde ein -

schwebt ein dunkler Falter über den zwein:

einer von uns muß hinter dem Sarge gehn,
dran im Straßenwinde die Schleifen wehn,
einer von uns muß streun mit kalter Hand
Erde hernieder vom bretternen Grabesrand,
einer von uns muß gehn nach Haus allein -

lieber Gott, laß mich der andere sein!


(Börries v. Münchhausen)
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Alt 22.04.2014, 09:40   #11
Thing
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Zitat:
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So flach habe ich es lange nicht gelesen.

Vielen Dank dafür + LG RS

Na klar - so flach wie die Steilvorlage.

LG
C.
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Alt 22.04.2014, 20:02   #12
weiblich Merith
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Nein Thing, das Gedicht war mir unbekannt.

... Einer von uns muss gehen nach Haus - allein

der schrecklichste Gedanke wohl überhaupt

Danke
Merith
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Alt 22.04.2014, 21:41   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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Nur zu gut!
Kennst Du das Gedicht:



Dunkler Falter

Wenn zwei Eheleute zum Sternenhimmel starrn,
oder ein Bruder hält seiner lieben Schwester das Garn,
oder ein Freund schenkt bedachtsam dem Freunde ein -

schwebt ein dunkler Falter über den zwein:

einer von uns muß hinter dem Sarge gehn,
dran im Straßenwinde die Schleifen wehn,
einer von uns muß streun mit kalter Hand
Erde hernieder vom bretternen Grabesrand,
einer von uns muß gehn nach Haus allein -

lieber Gott, laß mich der andere sein!


(Börries v. Münchhausen)
Genial. Und dabei so einfach geschildert.

Aber auf den Punkt gebracht. Keiner von uns will das Sterben sehen - genau gesagt: das Sterben unserer Liebsten. Also müssen wir vor ihnen sterben. Das können wir aber nicht immer, weil wir der falsche Jahrgang sind, nämlich jünger.

Andererseits wollen wir ja selbst nicht sterben. Und schon gar nicht wollen wir Menschen, die das Sterben vor uns verdient hätten - die also schon dienstälter sind als wir - aufbürden, uns überleben zu müssen.

Da es sich aber niemand aussuchen kann, wann, wo, wodurch und wie schnelll er stirbt, ist das ein echtes Dilemma.

Die wahre Crux, wenn alle ehrlich sind, ist diejenige, dass eigentlich überhaupt niemand sterben will, weder vor oder nach irgendwelchen Jahrgängen, unabhängig von Alters- und Krankheitsstatistiken oder irgendwelchen Angstmacherszenarios: Jeder Mensch wünscht sich das ewige Leben, weil er ja - wie beim Fernsehen - nichts verpassen will.

Also ehrlich, Leute: Ich hätte auch gerne das ewige Leben, natürlich im Vollbesitz meiner jugendlichen Kräfte und nicht mit den Zipperlein, mit denen man sich eher am Besteck verschluckt statt sich damit Nahrung zuzuführen. Aber ich weiß - das ist dies aufgrund von Feldforschungsergebnissen nicht möglich ist und auch noch lange unmöglich bleibt. Ich meine das mit dem ewigen Leben. Manche würdens ja auch nehmen, wenn es statt mit Alois' Harfe nur noch mit einem Sauerstoffgerät möglich wäre. Aber vielleicht kämen da ja ähnliche Töne raus, die mit "Hallelujah" kompatibel sind.

Ich sehe das nicht so positiv und halte es mit dem Fernseher: Besser nicht betriebsblind und rechtzeitig den Stecker ziehen. Das spart Energie.

Aber das mit der Energie ist wieder ein anderes Thema. Angeblich geht der Welt darvon nichts verloren.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.04.2014, 21:47   #14
weiblich anna amalia
 
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Liebe Ilka,

Ich glaube, viele Menschen haben nicht Angst vor dem sterben , sondern vor möglichen Leiden und Schmerzen und abhängig sein davor....


Das ist eine Beobachtung meinerseits...

Lebendige Grüsse

Änne
anna amalia ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.04.2014, 22:05   #15
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
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Liebe Ilka,

Ich glaube, viele Menschen haben nicht Angst vor dem sterben , sondern vor möglichen Leiden und Schmerzen und abhängig sein davor....


Das ist eine Beobachtung meinerseits...

Lebendige Grüsse

Änne
Das sind zwei Paar Schuhe, das stimmt. Aber die meisten Menschen haben vor beiden Paaren Angst.

Anne, der Mensch ist darauf angelegt, zu überleben und sich vor Schmerz und Leid zu schützen. Und das Schlimmste, was ihm passieren kann, ist Schmerz und Tod. Die meisten Menschen kommten um Schmerz und Leid nicht herum, das ist nun mal die Wahrheit. Und dass wir sterben müssen, weiss jedes Kind, bevor es in die Schule kommt.

Was gibt es da zu beschönigen? Was uns begleitet, je älter wir werden, wünscht sich kein Mensch, weil Leid, Schmerz, Krankheit, Gebrechlichtkeit und der schwere Gang in den Tod nicht wünschenswert sind. Das Gegenteil ist wünschenswert. Aber wir wissen, dass all das kommt und das wir da hindurch müssen.

Die Menschen, die bis ins hohe Alter fit bleiben und im Schlaf selig in die Jagdgründe entschwinden, sind in der absoluten Unterzahl. Das ist eine Gnade, von der niemand weiß, woher sie kommt, die man auch nicht bestellen oder bezahlen kann, die einfach nur ist. Ob verdient oder nicht, spielt keine Rolle.

Jeder Mensch weiß, dass er nicht nur sterblich ist (saudoofer römischer Spruch), sondern dass er "matter of fact" sterben wird. Die meisten Menschen wissen auch aus Erfahrung, Beoabachtung, Hörensagen, Berichterstatung usw., dass das Sterben ein ziemlich grausamer Prozess ist.

Also weshalb - in Gottes oder Dreiteufelsamen - soll ein Menschenkind nicht davon träumen, dieser Feuerprobe zu entgehen und seinen schönen und vollkommen Körper sowie seinen mit Wisssen vollgepumpten Geist der Ewigkeit zu vermachen, indem er ewig leben will?
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
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