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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 01.02.2019, 12:53   #1
weiblich AlteLyrikerin
 
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Dabei seit: 11/2018
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Alter: 73
Beiträge: 1.706

Standard Interessen

Interessen stehen an,
wollen dich steuern.

Ob sie dir dienen,
oder dich dir
entfremden,

ob sie dich befreien,
oder bedrängen,

ob sie dich fördern,
oder instrumentalisieren,

kannst du nur
in der Stille bedenken,
wenn nichts
dir einflüstern darf,
wer du sein sollst.
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Alt 01.02.2019, 17:15   #2
männlich Heinz
 
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Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Liebe AlteLyrikerin,
wir haben offenbar ein unterschiedliches Verständnis von dem, was Du Interesse nennst. Ich will nicht zu weit ausholen, nur ein wenig erklären, was ich unter Interesse verstehe. Hilfreich ist es, wenn man auf des Wortes eigentliche Bedeutung eingeht. Inter - esse = zwischen die Essenz gehen.
Wenn ich an einer Person Interesse habe, dann versuche ich, in die Essenz, in das Innere des anderen einzutauchen, sein wahres Wesen zu erkennen.
Ich will also nicht steuern, manipulieren, bedrängen oder instrumentalisieren.
In diesem Sinn halte ich Dein definiertes Interesse für eine Fehlinterpretation.
Liebe Grüße und ein schönes Wochende!
Heinz
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Alt 01.02.2019, 18:37   #3
weiblich AlteLyrikerin
 
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Ort: Burglengenfeld
Alter: 73
Beiträge: 1.706

Lieber Heinz,
rein akademisch gedacht, kann man das Wort sicherlich so wie Du verstehen. Ich dachte - in einer überwiegend von wirtschaftlichen Aspekten geprägten Gesellschaft eher an Begriffe bzw. Redewendungen wie: wirtschaftliche Interessen, in jemandes Interesse handeln, seine Interessen vertreten, usw.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
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Alt 01.02.2019, 19:11   #4
männlich Nöck
 
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Beiträge: 2.662

Liebe AlteLyrikerin,

wohin uns unsere Interessen leiten bzw. wozu sie uns verführen wollen, können wir wahrscheinlich nur bedingt steuern. Auch in der Stille können wir unsere Gefühle, die auch gefragt werden wollen, nicht abschalten und nur der Vernunft folgen.
Interessen ist in der Tat nicht der optimale Begriff, wie wäre es zum Beispiel mit "Begehrlichkeiten"?

Liebe Grüße
Nöck
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Alt 01.02.2019, 19:12   #5
männlich dr.Frankenstein
 
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Alter: 41
Beiträge: 5.467

Wenn jemand zwischen die Essenz geht, kann er doch durchaus Instrument werden. Instrument die Essenz hervorzuholen wie eine Geige vielleicht. Mit der du die Essenz von Noten erahnst.
Und während du intresse an einer Person hast, wirst du doch auch manchmal für ihre Bedürfnisse Instrument und umgekehrt.

Also in dem Sinne gut getroffen.
Außer das ich glaube, dass in der Stille die Stimme wer wir sein sollen, doch oft sehr deutlich ist.
Und so passt man dann doch seine Interessen allem was einem bis dahin begegnet ist an.
Ich finde meine Intressen eher im tun.
Im stillen kann ich dann eher bedenken ob sie gut sind und ob sie zu mir passen. Zu der Figur die die Umwelt aus mir geformt hat.
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Alt 01.02.2019, 19:55   #6
weiblich Ilka-Maria
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Der Duden über die Herkunft des Wortes "Interesse":

unter Einfluss von französisch intérêt = Anteil(nahme); Nutzen, Vorteil (< lateinisch interest = es bringt Nutzen) zum mittellateinischen Substantiv interesse = aus einer Ersatzpflicht resultierender Schaden (aus der Sicht des Gläubigers = Nutzen, Vorteil, Gewinn), zu lateinisch interesse = von Wichtigkeit sein

Deckt sich mit den Ausführungen im Etymologischen Wörterbuch.
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Alt 02.02.2019, 00:04   #7
männlich Heinz
 
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Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Lieber Nöck, liebe AlteLyrikerin, liebe Ilka-Maria,
ich fühle mich weitestgehend von Dir verstanden. Natürlich kann Interesse zu Neu-Gier werden und dann schädlich wirken, wenn man bei dem Bedürfnis, das Wesen eines anderen Menschen zu verstehen/begreifen, eher eine Obduktion vornimmt als sich rücksichtsvoll dem anderen zu nähern.

Liebe AlteLyrikerin, liebe Ilka-Maria,
bei der Suche nach Synonymen stieß ich auf
Anteil, Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Beachtung, Augenmerk, Beteiligung, Neugier, Gespanntheit, Eifer, Achtsamkeit, Hingabe, Lerneifer, Wissbegier(de), Teilnahme, Wissensdurst.
Neigung, Vorliebe, Hang, Tendenz, Sympathie, Faible, Zuneigung, Zug.
Vorteil, Nutzen, Belange, Angelegenheiten,
alles Begriffe (bis auf die fettgedruckten Ausnahmen), die durchaus positiv besetzt sind.
Wenn Neugier, Vorteil und Nutzen Hauptbestandteil des Interesses werden,
dann hat das Gedicht der AltenLyrikerin seine Berechtigung, würde aber auch eine Verkürzung der Bedeutung "Interesse" sein.
Selbstverständlich kenne ich die Übersetzungen des Wortes Interesse, aber ich gestatte mir, den Begriff wortwörtlich zu übersetzen (und komme dabei den angeführten Synonymen (bis auf die angemerkten Ausnahmen) verdächtig nahe.
Deine Idee, lieber Nöck, dass es in dem Gedicht eher um Begehrlichkeiten geht, finde ich sehr gut.

Nebenbei bemerkt: Ein Gedankenaustausch in dieser Form dürfte allen Beteiligten besser gefallen als eine bissige Kritik. Deswegen, liebe Alte Lyrikerin, betrachte meinen ersten Beitrag zu Deinem Gedicht nicht als Kritik. Ich habe nur meine Gedanken dazu geäußert (und zumindest hast Du ein Ziel mit Deinem Gedicht erreicht: Es ist auf Interesse gestoßen.

Liebe Grüße Euch allen
Heinz
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Alt 02.02.2019, 11:20   #8
weiblich Ex-Serpentina
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Dabei seit: 04/2018
Ort: Zwischen den Gedanken
Alter: 57
Beiträge: 697

Guten Morgen,

ich habe das Gedicht und die daran anschliessenden Erörterungen mit Interesse verfolgt. Das Klären von Begrifflichkeiten und in welchen Kontexten sie verstanden werden können, ist eine spannende Angelegenheit.
Das schöne an Lyrik ist in meinen Augen auch, dass Begriffe eben mal sehr unscharf verwendet werden können, so dass der Leser, seinen Denkwegen folgen kann oder dabei auf mehr oder weniger ähnlichen Pfaden wie der Autor wandelt.
Interessant an einem Forum ist auch, dass sich Autor und Leser über die Interpretation austauschen können. Das ist in der Art ja etwas neues. Der Leser kann, vorausgesetzt natürlich der Autor möchte das, etwas zu seinen Gedanken und der Autor wiederum etwas über den Leser erfahren. Dass die Interpretationen dabei unterschiedlich ausfallen, liegt in der Natur der Sache, denn ein einfacher Begriff löst bereits schon unterschiedliche Assoziationen zu gemachten Erfahrungen aus.
Nach meinen einführenden Worten, nun meine Gedanken zu deinen Gedicht, dass ich jetzt einmal, so wie es hier steht, als ein fertiges Werk lese, das von mir interpretiert wird.


Interessen stehen an,
wollen dich steuern.

Ob sie dir dienen,
oder dich dir
entfremden,

ob sie dich befreien,
oder bedrängen,

ob sie dich fördern,
oder instrumentalisieren,

kannst du nur
in der Stille bedenken,
wenn nichts
dir einflüstern darf,
wer du sein sollst.

Als Leser werde ich damit vertraut gemacht, wie aufkommende Interessenskonflikte unterschieden und bewusst gemacht werden können. Die Stille verstehe ich als eine bewusst gewählte Auszeit, in der man für Minuten, Stunden oder auch Tage, Monate, Jahre, zurückziehen kann, um zu ergründen, wer man wirklich ist und hinter welchen Werten man steht.

Das können Entscheidungen sein, bestimmte Produkte nicht mehr zu kaufen oder Handlungen betreffen, denen man gewohnheitsmässig in Alltag und Beruf folgt und erst in der Stille, die hier auch als Abstand nehmen verstanden werden kann, betrachtet und nach Prüfung geändert werden können. Das können auch zwischenmenschliche Interessenskonflikte sein. Der Autor, in dem Fall du, liebe alte Lyrikerin, formuliert hier einen Ratschlag, was ein Ich dazu braucht, nämlich meditative Stille, in der es sich auf sich besinnen kann und in seinem Sinne neu ausrichten kann, anstatt sich von einem unmenschlichen System vereinnahmen zu lasse. Die Verwendung von instrumentalisieren legt diesen Rückschluss nahen
Stille steht für mich hier auch als "Präsent sein" und damit symbolisiert sie einen Raum, in denen etwas stehen gelassen werden kann und Gefühle erscheinen und gefragt werden dürfen.

Hm. Ist das zu weit hergeholt?

Geändert von Ex-Serpentina (02.02.2019 um 12:55 Uhr)
Ex-Serpentina ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.02.2019, 12:43   #9
weiblich AlteLyrikerin
 
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Alter: 73
Beiträge: 1.706

Standard Danke an alle für die Diskussion

Alle Leser, die mir die schöne Bandbreite der Semantik von "Interessen" vor Augen geführt haben, sind im Recht. Ich habe die Bedeutung des Begriffs verkürzt, oder anders gesagt, das Gedicht legt einen sehr speziellen Fokus auf den Begriff. Damit kann Nachdenklichkeit oder Widerspruch evoziert werden. Ich denke, Lyrik hat so etwas schon immer gemacht.

@dr.Frankenstein:
Zitat:
Wenn jemand zwischen die Essenz geht, kann er doch durchaus Instrument werden. Instrument die Essenz hervorzuholen wie eine Geige vielleicht. Mit der du die Essenz von Noten erahnst.
Und während du intresse an einer Person hast, wirst du doch auch manchmal für ihre Bedürfnisse Instrument und umgekehrt.
Mit diesen Worten hast du, auf geradezu poetische Weise den Gegenpol zu meinen Versen verfasst. Das finde ich schön.

@Serpentina:
Zitat:
Der Autor formuliert hier einen Ratschlag, was ein Ich dazu braucht, nämlich meditative Stille, in der es sich auf sich besinnen kann und in seinem Sinne neu ausrichten kann, anstatt sich von einem unmenschlichen System vereinnahmen zu lasse. Die Verwendung von instrumentalisieren legt diesen Rückschluss nahen
Stille steht für mich hier auch als "Präsent sein" und damit symbolisiert sie einen Raum, in denen etwas stehen gelassen werden kann und Gefühle erscheinen und gefragt werden dürfen.
Das beschreibst Du sehr gut und ganz in meiner Intention. Meditative Stille ist aber etwas, auf das sich nicht viele Menschen einlassen. Mit den letzten Zeilen
Zitat:
wenn nichts
dir einflüstern darf,
wer du sein sollst.
versuche ich einen Schlüssel zu geben. Ein erster Schritt wäre schon sich den beständigen Einflüsterungen zu entziehen (Reklame, Massenmedien u.a.), die mir sagen wollen, was ich kaufen, besitzen, erstreben muss, damit ich "dazu" gehöre.

@Nöck:
Zitat:
Auch in der Stille können wir unsere Gefühle, die auch gefragt werden wollen, nicht abschalten und nur der Vernunft folgen.
Interessen ist in der Tat nicht der optimale Begriff, wie wäre es zum Beispiel mit "Begehrlichkeiten"?
In der Stille geht es nicht darum nur der Vernunft zu folgen, sondern wahrzunehmen - durchaus auch auf der Gefühlsebene - was ist wirklich wichtig für mich, unaufgebbar für meine Lebenssubstanz.
Über "Begehrlichkeiten" habe ich lange nachgedacht, aber es trifft nicht besser als "Interessen" (bei meiner Art die heutige Gesellschaft zu betrachten).

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende, AlteLyrikerin.
AlteLyrikerin ist offline   Mit Zitat antworten
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