Blutende Wohlfühlblase

[klaatu]

Ich stecke den Finger in die Wunde
meiner blutenden Wohlfühlblase
und stehe kotzend in der Disko,
wo ich meine Jugend simuliere.

Menschen krabbeln wie Fliegen
über das Innere meiner Schädeldecke
und füttern die Tumore meiner Seele
mit industrieller Schamlosigkeit.

Zeit ist nur Pollenstaub
auf den Flügeln
einer Honigbiene
und ich nur ein Sklave
meiner Kausalität.

Vorsichtshalber habe ich mich selbst ausgewildert
- ins Schutzgebiet meiner Primärfunktionen.
Der natürliche Lauf der Dinge
ist nun mal keine politische Agenda.

Wenn alle meine Schatten nicken,
schüttle ich aus Prinzip den Kopf.

Was kann ich denn bitte dafür,
dass ich selbst daran schuld bin?

[AlteLyrikerin]

Hallo klaatu,

eine sehr gelungene Beschreibung eines Lebensgefühls.

wo ich meine Jugend simuliere.

Was für ein starkes Bild! Ja, irgendwie simulieren wir unter den Bedingungen einer nicht mehr humanen Ökonomie nur noch unsere Existenz.
(Ok, das mit der Ökonomie ist meine Sichtweise, steckt nicht in Deinem Text.)

und ich nur ein Sklave
meiner Kausalität.

Trotz allem denke ich, dass es Momente der Freiheit für Individuen geben kann, wenn auch nicht leicht zu haben.

Verzeih einer alten Sprachästhetikerin: warum muss in existientieller, moderner Lyrik beständig "gekotzt" werden?

Freundliche Grüße, AlteLyrikerin.

[klaatu]

Hallo AlteLyrikerin,

ich finde den Begriff "kotzen" nicht unbedingt unästhetisch, genauso wenig wie die Beschreibungen anderer Körperfunktionen. Gehört eben zum Leben dazu, besonders wenn man es existenzialistisch betrachtet. Aber warum das in moderner Lyrik so oft vorkommt? Die Frage kann ich dir auch nicht beantworten, ist mir bisher noch nicht aufgefallen...

Danke für deinen Kommentar!
k