évariste galois

[Epilog]

durchwachte nacht. lass dir die lippen munden
statt dass der ziffern ziel dich zweifeln lässt
so kürze sie. vielleicht verbleibt als rest
dass sich die zahlenreihn zu augen runden

nicht kannst du in der radikalen nest
verwurzelt zur unsterblichkeit gesunden
da unlösbare gruppen du wie wunden
und nicht der kugeln bahn berechnetest

der sekundant verschwand binnen sekunden
die blauen hände in den bauch gepresst
ward das genie erst lang danach gefunden

und hielt die gleichung dennoch krampfhaft fest.
vergilbte sie auch längst zum palimpsest
sind wir von ihrer deutung nicht entbunden

[Eisenvorhang]

Hallo Epilog,

da hast du ein schönes, wenn auch trauriges, Ständchen geschrieben und so einige Kniffe in dein Werk verpackt, was fällt mir auf?

Natürlich die Galois-Theorie, die unlösbaren Gruppen, der Sekundant, die blauen Hände und seine Niederschrift (Palimpsest).

Schon irgendwie ironisch wie Galois verstarb. Erst sitzt er da und schreibt alles nieder (in einer durchwachten Nacht) und einen Tag später stirbt er. Gibt einige Genies, die auf derartige Weise "plötzlich" ausm Leben schieden.

Was das Sonett gut kann: Es unterstreicht die Bedeutung von Galois Arbeit.

Am meisten gefällt mir das Bild der "Ziffern und Lippen"; aber auch "verwurzelt zur unsterblichkeit gesunden".

Wohl dem. Eine schöne Arbeit, die viel Hingabe in sich trägt.

Sehr gut gemacht!

Lg

EV

[Epilog]

vielen Dank für Deine Aufmerksamkeit und Deine positive Einschätzung. Und das, wo Du doch letztens noch Perry geschrieben hast, "wie wichtig es (für Dich) ist, Sprache einfach zu halten". Gibt`s bei mir ja eher selten. Gerne nehme ich mir Wikipedia-Artikel über bemerkenswerte Lebensläufe oder Todesfälle als Grundlage für meine Wortjonglagen. Schau mal, was der Wiki-Beitrag über Galois noch so verzapft:

"Galois begründete die heute nach ihm benannte Galoistheorie, die sich mit der Auflösung algebraischer Gleichungen, d. h. mit der Faktorisierung von Polynomen befasst. Das damalige Grundproblem der Algebra umfasste die allgemeine Lösung algebraischer Gleichungen mit Radikalen (d. h. Wurzeln im Sinne von Potenzen mit gebrochenen Exponenten), wie sie für Gleichungen zweiten, dritten und vierten Grades schon länger bekannt waren. Galois erkannte die dahinter stehenden Konstruktionen der Gruppentheorie. Unabhängig (und Galois nicht bekannt)[4] hatte Niels Henrik Abel bewiesen, dass eine allgemeine polynomiale Gleichung von höherem Grad als 4 im Allgemeinen nicht durch Radikale aufgelöst werden kann. Galois untersuchte Gruppen von Vertauschungen der Nullstellen des Gleichungspolynoms (auch Wurzeln genannt), insbesondere die sogenannte Galoissche Gruppe G, deren Definition bei Galois noch ziemlich kompliziert war. In heutiger Sprache ist das die Gruppe der Automorphismen des Erweiterungskörpers L über dem Grundkörper, der durch Adjunktion aller Nullstellen definiert ist. Galois erkannte, dass sich die Untergruppen von G und die Unterkörper von L bijektiv entsprechen." (usw.)

Da habe ich eben versucht, das Ganze poetisch etwas einfacher zusammenzufassen ...

Einen schönen Abend wünscht Dir

Epilog

[Eisenvorhang]

Hey Epilog!

Mit "einfacher" Sprache meinte ich eher, einfache Worte zu wählen. Damit wollte ich nicht sagen, dass das Abstrakte/Metaphorische/Inhaltlich einfach ist.

Du könntest beispielsweise sagen:

a) Die Sonne ist ein großer, heller Stern, der sehr viel Energie besitzt.
oder
b) Der solare Hauptreihenstern unserer Galaxie, charakterisiert durch seine G2V-Spektralklasse, emittiert elektromagnetische Strahlung aufgrund von Kernfusionen in seinem Inneren.

Oder deinen Wiki-Auszug, könnte man auch so schreiben:

Galois Theorie hilft dabei, spezielle Matheaufgaben zu lösen. Es geht darum herauszufinden, welche Zahlen man in eine Formel einsetzen muss, damit sie funktioniert. Einige dieser Aufgaben kann man mit Wurzeln lösen, wie zum Beispiel Quadratwurzeln. Aber für kompliziertere Aufgaben geht das nicht immer. Galois hat ein System erfunden, mit dem sich herausfinden lässt, ob eine Aufgabe solch eine Lösung hat oder nicht. Dabei hat er Gruppen von Zahlen verwendet, die zusammenpassen.

Ich glaube fest daran, dass die Lyrik durch Einfachheit erst überhaupt erstrahlen kann. Ob die Sprache schlussletztlich einfach ist, steht auf einem anderen Blatt. Einfache Sprache schließt Abstraktion ja nicht aus.
Bin seit meiner Kindheit auch den Instrumenten sehr nahe, vor allem klassischer Musik allgemein und kann daher sagen, dass Weiterentwicklung immer mit dem Aufarbeiten von Grundlagen verbunden ist. Das lässt mich zu dem Schluss kommen, dass das Schwere/Anspruchsvolle immer im Spiel mit dem Einfachen liegt. Ich hoffe, ich konnte das jetzt präzise ausdrücken.

Ich wünsche Dir das Gleiche!

LG

EV