Ich will, dass du mich liebst

[DieSilbermöwe]

31. Mai

Wo warst du gestern? Ich habe auf dich gewartet. Stundenlang. Ich starrte abwechselnd das Telefon und das Handy an, doch weder auf dem einen noch auf dem anderen hast du dich gemeldet. Dein Handy war ausgeschaltet. Warst du wirklich bei Friederike? Und was habt ihr gemacht? Vielleicht seid ihr in die Kneipe gegangen. Vielleicht bist du dann noch alleine in der Kneipe geblieben, hast dir einen Kerl aufgerissen und ihn mit zu dir nach Hause genommen.

Ich rufe Friederike heute mal an, frage irgend etwas und komme dann auf dich zu sprechen. Vielleicht erzählt sie mir ja etwas. Oder sie sagt: "Warum fragst du Helena nicht selbst?" Doch das Risiko gehe ich ein. Irgendein Grund wird mir schon einfallen. Dich werde ich nicht fragen.
Du lügst. Du lügst mich an. Ich weiß es.


02.Juni
Gestern habe ich den Inhalt deines Wäschekorbes untersucht. Wozu brauchst du Spitzenunterwäsche, wenn du nicht bei mir übernachtest, sondern angeblich mit Friederike zusammen warst? Wer sollte sie sehen? Ich habe deinen schwarzen Slip in die Hand genommen, gefühlt, gerochen. Er war feucht, war es Sperma?
Es war Sperma.
Du betrügst mich, ich wusste es.

04. Juni
Heute habe ich das Holz für deinen Käfig gekauft. Er wird schön werden. Du kannst drin stehen, sitzen und liegen. Nur hinaus kannst du nicht. Darfst du nicht. Damit du mich nicht wieder betrügst. Ich weiß, dass du das alleine nicht schaffen wirst. Du bist wie eine läufige Hündin. Auch die darf man nicht von der Leine lassen.

15. Juni
Dein Käfig ist fast fertig. Ich lachte heute in mich hinein, als du mir wieder ein Märchen auftischen wolltest. Angeblich ging es dir gestern nicht gut und deswegen konntest du nicht zu mir kommen. Du wirst dich wundern, wie gut es dir bald geht in deinem Käfig. Ich werde dich täglich versorgen. Aber so, wie ich es will.
Für ein Stück Brot musst du etwas tun. Für ein Glas Wasser auch.
Ein Stück Brot bekommst du für den Satz: "Ich liebe dich". Ein Glas Wasser dazu, wenn du mich dabei anlächelst. In deinem Käfig, den du nicht öffnen kannst. Nur ich.

Und bald wirst du mich so sehr lieben, wie du es dir nie vorstellen konntest. Du wirst sehnsüchtig auf meine Schritte lauschen. Du wirst es kaum erwarten können, mich zu sehen. Allein schon vor Hunger und Durst. Du wirst gierig werden, auf dein Essen und Trinken. Und auf mich.
Ganz besonders auf mich.

Du wirst mich unendlich lieben lernen.

[Ilka-Maria]

Jetzt wüsste ich bloß noch gerne, wie dieser kranke Typ sein Opfer in den Käfig reinbekommt. Vielleicht sitzt er am Ende selbst drin.

Oha, eben hat es bei mir geklickt. Du hast den Film "Der Ehekäfig" gesehen!

LG
Ilka

[DieSilbermöwe]

Nein, Ilka-Maria, habe ich nicht. Den kenne ich noch nicht mal vom Hörensagen.

Ich dachte an einen großen Käfig (gibt es für gewisse Neigungen auch zu kaufen). Kannte ich früher auch nicht.

LG DieSilbermöwe

[Ilka-Maria]

Zitat von DieSilbermöwe

Ich dachte an einen großen Käfig (gibt es für gewisse Neigungen auch zu kaufen).

Echt?

[DieSilbermöwe]

Ja. Aber normalerweise fürs einvernehmliche Agieren .

[curd belesos]

was du alles weißt

Das staunende Nordlicht

CB

[DieSilbermöwe]

Hallo curd!

Das ist eigentlich noch nicht mal eine Erfindung der Neuzeit. Aber darum sollte es auch gar nicht vordergründig gehen.

Was sagst du denn zu dem Text selbst? Das würde mich sehr interessieren.

LG DieSilbermöwe

[MiauKuh]

Hallo DieSilbermöwe,

ich würde lügen würde ich nicht sagen, dass ich diesen Text ... gut finde. Mir ist auch vollkommen klar wovon er handelt. Interessant finde ich, dass du den Text aus der männlichen Sicht schreibst. Aber du hast ja auch zwei andere Gedichte geschrieben, die mir gezeigt haben, dass dir an dem Thema etwas liegt. Sehr interessant.

Dein Text gefällt mir, er ist kurz und er beschreibt mir ein Gefühl, dass ich selbst vor kurzem erst in ein Gedicht gepackt habe, allerdings genau aus der Sicht von "Helena".

Schreib doch mal was längeres?
Wobei aber grade die Kürze mich dazu bewogen hat, es überhaupt zu lesen, und die Tagebuchartige Schreibweise und der Progress mit dem "Käfig".
Spannend.

Der Titel ist übrigens hart und überhaupt nicht "gefühlvoll", "wollen" das jemand einen liebt ist heftig.

Liebe Hofft, sie will nicht, oder?

Liebe Grüße

[curd belesos]

moin moin liebe Silbermöwe,

eigentlich wollte ich zu dem Text gar nichts schreiben, er erinnert mich zu sehr an das Schicksal von Natascha Kampusch und anderen unglücklichen Kindern und Frauen, die für die perversen, kranken Vorstellungen entarteter Einzelgänger leiden mussten.

Mir gefallen solche Darstellungen nicht, egal ob in Lyrik oder Prosa vorgetragen.
Vielleicht bin ich zu alt oder zu sensibel, oder auch beides.

Einen Gruß aus schmerzendem Herzen

CB

[DieSilbermöwe]

Hallo MiauKuh,

vielen Dank für deinen Kommentar, der mich wirklich sehr freut.

Mir ist auch vollkommen klar wovon er handelt

Wir sind in der Hinsicht ja gleich gestrickt ich dachte beim Schreiben gar nicht daran, dass nicht jeder genau das gleiche Bild wie ich vor Augen hatte. Das ist das "Problem", wenn man aus "unserer" Welt schreibt. Für die Geschichte hätte ich vielleicht was Allgemeineres holen sollen, vielleicht ein Geheimzimmer. Aber das hätte mich zu sehr an die Geschichte von Natascha Kampusch erinnert (das dachte ich beim Schreiben schon, hat mit dem Kommentar von curd beloses, den ich gerade eben erst gesehen habe, jetzt nichts zu tun).

Interessant finde ich, dass du den Text aus der männlichen Sicht schreibst. Aber du hast ja auch zwei andere Gedichte geschrieben, die mir gezeigt haben, dass dir an dem Thema etwas liegt. Sehr interessant.

Ich habe festgestellt, dass ich viel böser schreiben kann, wenn ich aus männlicher Sicht schreibe. Ich finde das selbst recht interessant.

Schreib doch mal was längeres

Ich habe von Mai bis September jedes WE eine Fortsetzungsgeschichte geschrieben, nach einem Exposé, das ich zusammen mit Ilka-Maria in unserer Interessengemeinschaft "Kreatives Schreiben" ausgearbeitet habe. Die ist sicher lang alle 20 Teile kannst du hier finden. Im Vergleich hierzu ist sie aber "harmlos" (eine Geschichte über einen Teenager, der sich zum ersten Mal verliebt).

Ich schreibe gerne was Längeres, aber das hier sollte kurz werden.

Der Titel ist übrigens hart und überhaupt nicht "gefühlvoll", "wollen" das jemand einen liebt ist heftig.

Ja, der Titel sollte auch genauso wirken.

LG DieSilbermöwe

Hallo curd!

Danke für dein Feedback. Ich antworte später noch ausführlicher, die Arbeit ruft.

LG DieSilbermöwe

[DieSilbermöwe]

Zitat von curd belesos

moin moin liebe Silbermöwe,

eigentlich wollte ich zu dem Text gar nichts schreiben, er erinnert mich zu sehr an das Schicksal von Natascha Kampusch und anderen unglücklichen Kindern und Frauen, die für die perversen, kranken Vorstellungen entarteter Einzelgänger leiden mussten.

Mir gefallen solche Darstellungen nicht, egal ob in Lyrik oder Prosa vorgetragen.
Vielleicht bin ich zu alt oder zu sensibel, oder auch beides.

Einen Gruß aus schmerzendem Herzen

CB

Lieber curd,

ich kann deine Einstellung verstehen. Aber hier geht es eigentlich nicht darum, ob die Darstellung des Bösen gefällt. Das soll sie ja gar nicht.

Natascha Kampusch hat ein Buch geschrieben über ihre schlimme Geschichte, das dann verfilmt wurde. Ich habe das Buch nicht gelesen, aber den Film gesehen.

Ich bin mir sicher, dass Natascha Kampusch wollte, dass das Buch gelesen und der Film gesehen wird. Mich hat er sehr beeindruckt.

Ich kann zwar diejenigen verstehen, die solche Geschehnisse komplett ausblenden wollen. Für mich ist es mittlerweile anders. Das Böse ergründen, das geht nur, wenn man es darstellt und sich Gedanken darüber macht.

Allgemeiner:
Für manche (normalen) Menschen ist das Böse auch einfach nur eine faszinierende Vorstellung. Sie lesen gerne Bücher und schauen gerne Filme darüber. Ich persönlich finde es spannend, etwas über das Böse zu lesen/zu schreiben.

Natürlich ist das nur meine Meinung. Ich freue mich auf jeden Fall, dass du zur Frage zum Text geantwortet hast.

LG DieSilbermöwe

[Skaylar]

Liebe Silbermöwe,

Dein Text ist superspitze!
Du hast Deinem LI einen starken Charakter verpasst, wenn auch einen ziemlich kranken. Aber genau so gefällt mir das!!
Was mir auch sehr gut gefallen hat ist der Climax, der sich durch den gesamten Text zieht. Mit jedem Eintrag kann ich die Psyche des LI bröckeln sehen - wie langsam sein Wahnsinn und seine Obsession gegenüber des lyrischen Dus zum Vorschein kommen.

Ich habe den Text mit Spannung gelesen, nicht nur einmal, und bin jedes Mal ein bisschen mehr beeindruckt!
Großes dickes Lob von mir, die so gerne Psychothriller liest :P

Liebste Grüße und weiter so!
Skaylar

[DieSilbermöwe]

Liebe Skaylar,

vielen Dank! Dieser Text war der erste, den ich alleine etwas "professioneller" angegangen bin, nachdem ich mich in unserer Interessengemeinschaft "Kreatives Schreiben" (unter Ilka-Marias Hilfe) mit Aufbau und Charakteren einer Geschichte beschäftigt habe und noch (ehe das Buch über "Dramatisches Schreiben" von Lajos Egri bei mir ankam, das ich bestellt hatte und mich nun erstmal damit beschäftige) im Internet darüber recherchiert habe.

Auch für den kurzen Text hier entwarf ich den Mann: Aussehen und etwas flüchtiger seinen Charakter. Sobald ich ihn vor mir sah, ist der Text sozusagen aus mir "herausgepurzelt".

LG DieSilbermöwe