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Alt 16.09.2023, 22:05   #1
männlich Kurt
 
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Standard Der erste Satz

Der erste Satz.
Wichtig bei jeder Geschichte und jedem Roman.
Es ist interessant und vielleicht nicht allen hier bekannt, dass der schönste erste Satz in der deutschdprachigen Literatur im November 2007 in Frankfurt gekürt wurde. Er heißt:

Ilsebill salzte nach.

Es ist der Anfang des Romans Der Butt von Günter Grass.

Interessant, oder?
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Alt 16.09.2023, 22:40   #2
weiblich Ilka-Maria
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Richtig: Der erste Satz fesselt den Leser.

"Das Ei ist hart!", ist so ein erster Satz in einem Roman. Aber auch der zweite Satz ist nicht zu verachten. "Koch's dir selber."

In "Vom Winde verweht" ist Scarlett nicht eigentlich eine Schönheit, und in "Anna Karenina" sind alle Menschen aus unterschiedlichen Gründen unglücklich. Alle Romane fangen damit an, dass den Protagonistinnen etwa fehlt. Dann heiratet Madame Bovary den falschen Mann, den sie verachtet.

Im ersten Satz, wenn wohlüberlegt, steckt schon alles drin.
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Alt 17.09.2023, 10:22   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
.Es ist der Anfang des Romans Der Butt von Günter Grass.
Ich habe diesen Roman vor Jahren gelesen und fand ihn furchtbar schlecht. Daran hat sich nichts geändert, gekürter erster Satz hin oder her.

Im Allgemeinen denke ich mittlerweile eher, dass das Ding mit dem ersten Satz überbewertet wird.
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Alt 17.09.2023, 10:50   #4
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Im Allgemeinen denke ich mittlerweile eher, dass das Ding mit dem ersten Satz überbewertet wird.
Finde ich nicht. Wenn eine Erzählung mit aufgehender Sonne und einer bunt blühenden Wiese beginnt, weiß ich, dass sie für die Tonne ist, denn das ist die gewohnte Welt, die ich jeden Tag vor der Nase habe.

Neugierig machen jedoch Eingangssätze, die in andere Welten ziehen, wie diese:

Meine Schwester nannte es 'das Jahr der Geheimnisse', aber wenn ich jetzt zurückblicke, erkenne ich: Das Wichtige war nicht, was da war, sondern was nicht da war. (Siri Hustvedt: Die Leiden eines Amerikaners)

Alle sind daran gewöhnt, dass ich Susannah Rabin heiße, und normalerweise fragt niemand mehr, ob ich eine Verwandte sei von. (Alona Kimhi: Die weinende Susannah)

Ständig brechen oder zerbrechen irgendwelche Dinge. (Jodi Picoult: Zerbrechlich)

On a cold morning in early October of 1946, Pete Banning awoke before sunrise and had no thoughts of going back to sleep. (John Grisham: The Reckoning)

At the time unknown, unnamed, the individual who was to throw himself into the Horseshoe Falls appeared to the gatekeeper of the Goat Island Suspension Bridge at approximately 6:15 A.M. (Joyce Carol Oates: The Falls)
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Alt 17.09.2023, 11:56   #5
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Ich bin da mittlerweile auch anderer Meinung. Keiner der von dir im letzten Kommentar genannten Anfangssätze macht mich neugierig darauf, wie es weiter geht.

Fängt ein Text mit einer Panoramabeschreibung an, hat er für mich dagegen Atmosphäre.

Ich habe einen großen Teil meiner Zeit damit verbracht, so zu schreiben, wie es im Allgemeinen momentan empfohlen wird: mit so wenig Adjektiven und so karg und kurz wie möglich. Und ich habe mittlerweile festgestellt, dass mir das gar nichts bringt (außer dass mir jemand in einem anderen Forum empfohlen hat, meinen Wortschatz zu erweitern ). Auch nicht beim Lesen.

Ich habe ja vor kurzem „Es" gelesen. Der Autor wird manchmal sehr weitschweifig und beschreibt seitenlang Dinge, die für die Handlung gar nicht so wichtig sind. Trotzdem ist das Buch extrem spannend.

Und bei „Vom Winde verweht" wird ziemlich am Anfang in aller Ausführlichkeit Scarletts Kleid beschrieben, wenn ich mich recht erinnere.

Ist halt alles Geschmackssache.
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Alt 17.09.2023, 12:56   #6
weiblich Ilka-Maria
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Wenn es nur um Geschmackssache ginge, gäbe es keine Schulen für Kreatives Schreiben, Drehbuchschreiben und Filmsprache. Damit fängt man in den USA schon bei den Schülern an, nicht erst in der Berufsausbildung. Deutschland ist in dieser Beziehung ein Entwicklungsland. Entsprechend niedrig ist der Anspruch, den deutsche Leser an die Literatur und das Kino stellen, von den dümmlichen Fernseh-Krimis ganz zu schweigen.

Wortschatz ist ein anderes Thema als Schreibstil. Nachgewiesen ist, dass sich der Wortschatz bei Jugendlichen gleicher Altersstufe innerhalb von zwanzig Jahren halbiert hat. Ein umfangreicher Wortschatz garantiert jedoch längst kein Textverständnis, da braucht man nur mal versuchen, Hegels Schriften zu lesen.

Die Forderung nach mehr Wortschatz könnte man in jedem Forum stellen. Auch in Poetry sind über neunzig Prozent der einstellten Texte und Kommenare in dieser Hinsicht äußerst kümmerlich. Manche Begriffe werden sogar falsch verstanden. Wer - wie kürzlich geschehen - "Zähren" mit "zehren" verwechselt, sollte das Schreiben lieber lassen.
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Alt 17.09.2023, 13:59   #7
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Zitat:
. Deutschland ist in dieser Beziehung ein Entwicklungsland. Entsprechend niedrig ist der Anspruch, den deutsche Leser an die Literatur und das Kino stellen, von den dümmlichen Fernseh-Krimis ganz zu schweigen.
Mir fällt gerade auf, dass ich grundsätzlich keine deutschen Filme schaue, weil ich sie alle furchtbar schlecht finde, und auch kaum Bücher von deutschen Autoren lese, sondern hauptsächlich amerikanische und französische. Eine deutsche Ausnahme war der Roman von Alena Schröder, „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid", den ich zufällig in meiner Lieblingsbuchhandlung gefunden hatte. Der Roman ist wirklich Klasse. Aber sonst... Clara Viebig habe ich auch gerne gelesen, aber ihre Bücher handeln von vergangenen Zeiten.

In der Hinsicht hast du schon recht, gute deutsche Romane muss man mit der Lupe suchen.

Allerdings gab es doch auch einmal solche großen deutschen Schriftsteller wie Thomas und Heinrich Mann etc.
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Alt 23.09.2023, 20:28   #8
männlich Eisenvorhang
 
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Mir fällt gerade auf, dass ich grundsätzlich keine deutschen Filme schaue, weil ich sie alle furchtbar schlecht finde, und auch kaum Bücher von deutschen Autoren lese, sondern hauptsächlich amerikanische und französische. Eine deutsche Ausnahme war der Roman von Alena Schröder, „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid", den ich zufällig in meiner Lieblingsbuchhandlung gefunden hatte. Der Roman ist wirklich Klasse. Aber sonst... Clara Viebig habe ich auch gerne gelesen, aber ihre Bücher handeln von vergangenen Zeiten.

In der Hinsicht hast du schon recht, gute deutsche Romane muss man mit der Lupe suchen.

Allerdings gab es doch auch einmal solche großen deutschen Schriftsteller wie Thomas und Heinrich Mann etc.
Es gibt einen deutschen Film, den ich gut finde: Die Summe meiner Einzelnen Teile. (2011)
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Alt 23.09.2023, 20:51   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Es gibt einen deutschen Film, den ich gut finde: Die Summe meiner Einzelnen Teile. (2011)
Das gehört eigentlich in den Kinofaden. Mit dem Exkurs zu Filmen sind wir vom hiesigen Thema abgekommen. Es sollte um (gute bis geniale) erste Sätze in der Literatur gehen.
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Alt 23.09.2023, 23:21   #10
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War gut gemeint. Kannst ja löschen
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Alt 23.09.2023, 23:59   #11
männlich Baskerville
 
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Nicht genial aber ein ziemlich eindrucksvoller erster Satz aus Oskar und die Dame in Rosa von Éric-Emmanuel Schmitt:
“Lieber Gott, ich heiße Oskar, bin zehn Jahre alt, und ich habe die Katze, den Hund und das Haus angezündet (ich glaube, ich habe sogar die Goldfische gegrillt), und das ist der erste Brief, den ich Dir schicke, weil ich bis jetzt wegen der Schule nicht dazu gekommen bin."
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Alt 24.09.2023, 00:00   #12
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
War gut gemeint. Kannst ja löschen
Nee, bleibt stehen, es gibt ja einen Bezug zum Kommentar davor. Aber wir sollten jetzt wieder zum Thema des Fadens zurückkommen.
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Alt 24.09.2023, 00:02   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Baskerville Beitrag anzeigen
Nicht genial aber ein ziemlich eindrucksvoller erster Satz aus Oskar und die Dame in Rosa von Éric-Emmanuel Schmitt:
Wirkungsvoll genug, so ein Satz macht neugierig.
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Alt 28.09.2023, 19:17   #14
männlich Heinz
 
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Liebe Diskutanten,
zwar in einem anderen Zusammenhang (der Übersetzujng der Bibel) lässt Goethe den Faust sagen:

"Bedenke wohl die erste Zeile, dass deine Feder sich nicht übereile!."

und weiter:

"Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!"

Die Fortsetzung der ersten Verse zeigt, dass Goethe die begonnene Bibelübersetzung meint. Ich denke, dass man sich die ersten Verse zu Herzen nehmen sollte (G. selbst hat sich an diese Maxime gehalten).
Gruß an alle,
Heinz
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