Verteidigungsrede eines Tyrannen bei Poetry.de

Canción · 06.10.2015, 12:34

Verteidigungsrede eines Tyrannen

Im Traum fährt mir der Spieß ins zähe Fleisch,
Sie drehen mir das Eisen auf dem Feuer
Bis fast die Glut den heißen Guss erweicht.
Gefoltert hätte mich mein strenges Reich,
Wär ich nicht gleichsam Held wie Ungeheuer.

Denn so wie mein, so bin ich gleichsam euer,
Des Feindes König wie des Freundes Scheich,
Und weiß nicht, wird mein Urteil nicht zu teuer
Für mich und euch? Wird dadurch nicht die Steuer
Von dem befreit, der jede Schuld begleicht?

Man schneidet mir das Haupt vom Gliederband
Bis nur noch Sehnen die Gestalt verraten.
Auch vor mir, als der ehrwürdigste Stand
Dieselbe Trennung für die Welt erfand,
Entstanden Sklaven und Aristokraten.

Mit mir seid alles! Krieger, Mörder, Diebe.
Ihr sähet ab von meinem Königsblut,
Es füllte euch im Kampfgewirr, es triebe
Den wolkenlosen Sturm aus Hass und Liebe,
Es drehte euch wie Vieh in heißem Sud!

Denn dort kennt jedermann den Wahlzwiespalt,
Hier kippen nur die richterlichen Waagen,
Wenn ich sie eiche: Wohltat und Gewalt
Dem Sünder wie dem Wächter sein Gehalt,
Genauso habt Ihr meinen Zorn ertragen.

Genauso seid ihr duldsam oder frei,
So ist das Volk dem Throndämonen näher
Als jedes Raubtier in der Walachei,
Und Pfahl um Pfahl beweist euch, Seelenheil
Ist spürbar für Gepfählte wie für Pfähler.

Sei ungerecht mein Schwert, mein Sinn ist heiter,
Im Westen ängstigt sich der Pöbel auch,
Bis manches Lamm den Höllenschlund erweitert!
So wisst doch Ihr: Schon vor dem Spruch gescheitert
Ist der, für den durch mich der Haufen raucht.

Thing · 06.10.2015, 19:27

Willkommen, Canción!

Ein großartiges Gedicht hast Du als Einstieg präsentiert.
Verwunderlich, daß noch kein Kommentar kam.

Gibt es mehr davon?

Erwartungsvollen Gruß
v.
Thing

Canción · 06.10.2015, 22:45

Liebes Thing,

Danke vielmals für Lob und Wilkommensgruß. Das Gedicht ist gewissermaßen das erste vollständige, mir gelungene Machwerk

, weitere sind bis jetzt nur in Anfängen oder Ideen vorhanden

Thing · 07.10.2015, 10:03

Dann will ich mich in Geduld üben.
Hab ein gerüttelt Maß davon.

Freundlichen Gruß
v.
Thing

Canción · 08.10.2015, 20:40

Nur um den Eindruck zu vermeiden, dass die inhaltlichen Anspielungen als Lückenfüller eingefügt wurden, hier die respektable Person, um die es gehen soll: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vlad_III._Drăculea , obwohl es, denke ich, ziemlich klar sein dürfte. Kritische Meinungen sind erwünscht, stilistisch wie kontextuell

Thing · 08.10.2015, 20:58

Daraufhin gehe ich bebrillten Blickes noch einmal an die Lektüre.
Trotzdem finde ich es sonderbar, daß sonst noch niemand kommentiert hat.

Es gibt hervorragende kennerische und koryphaeische Kritiker hier.

Herzlichen Abendgruß
v.
Thing

gummibaum · 08.10.2015, 21:11

Hallo Canción,

das ist gekonnt! Mit Genuss gelesen.

Chapeau
gummibaum

Canción · 09.10.2015, 13:40

Hallo Gummibaum,

Danke für das Feedback

06.10.2015, 12:34	#1
Canción Dabei seit: 10/2015 Alter: 32 Beiträge: 13 Meine Gedichte	Verteidigungsrede eines Tyrannen Verteidigungsrede eines Tyrannen Im Traum fährt mir der Spieß ins zähe Fleisch, Sie drehen mir das Eisen auf dem Feuer Bis fast die Glut den heißen Guss erweicht. Gefoltert hätte mich mein strenges Reich, Wär ich nicht gleichsam Held wie Ungeheuer. Denn so wie mein, so bin ich gleichsam euer, Des Feindes König wie des Freundes Scheich, Und weiß nicht, wird mein Urteil nicht zu teuer Für mich und euch? Wird dadurch nicht die Steuer Von dem befreit, der jede Schuld begleicht? Man schneidet mir das Haupt vom Gliederband Bis nur noch Sehnen die Gestalt verraten. Auch vor mir, als der ehrwürdigste Stand Dieselbe Trennung für die Welt erfand, Entstanden Sklaven und Aristokraten. Mit mir seid alles! Krieger, Mörder, Diebe. Ihr sähet ab von meinem Königsblut, Es füllte euch im Kampfgewirr, es triebe Den wolkenlosen Sturm aus Hass und Liebe, Es drehte euch wie Vieh in heißem Sud! Denn dort kennt jedermann den Wahlzwiespalt, Hier kippen nur die richterlichen Waagen, Wenn ich sie eiche: Wohltat und Gewalt Dem Sünder wie dem Wächter sein Gehalt, Genauso habt Ihr meinen Zorn ertragen. Genauso seid ihr duldsam oder frei, So ist das Volk dem Throndämonen näher Als jedes Raubtier in der Walachei, Und Pfahl um Pfahl beweist euch, Seelenheil Ist spürbar für Gepfählte wie für Pfähler. Sei ungerecht mein Schwert, mein Sinn ist heiter, Im Westen ängstigt sich der Pöbel auch, Bis manches Lamm den Höllenschlund erweitert! So wisst doch Ihr: Schon vor dem Spruch gescheitert Ist der, für den durch mich der Haufen raucht.

06.10.2015, 22:45	#3
Canción Dabei seit: 10/2015 Alter: 32 Beiträge: 13 Meine Gedichte	Liebes Thing, Danke vielmals für Lob und Wilkommensgruß. Das Gedicht ist gewissermaßen das erste vollständige, mir gelungene Machwerk , weitere sind bis jetzt nur in Anfängen oder Ideen vorhanden Geändert von Canción (07.10.2015 um 00:27 Uhr)

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06.10.2015, 19:27	#2
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Willkommen, Canción! Ein großartiges Gedicht hast Du als Einstieg präsentiert. Verwunderlich, daß noch kein Kommentar kam. Gibt es mehr davon? Erwartungsvollen Gruß v. Thing

07.10.2015, 10:03	#4
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Dann will ich mich in Geduld üben. Hab ein gerüttelt Maß davon. Freundlichen Gruß v. Thing

08.10.2015, 20:40	#5
Canción Dabei seit: 10/2015 Alter: 32 Beiträge: 13 Meine Gedichte	Nur um den Eindruck zu vermeiden, dass die inhaltlichen Anspielungen als Lückenfüller eingefügt wurden, hier die respektable Person, um die es gehen soll: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Vlad_III._Drăculea , obwohl es, denke ich, ziemlich klar sein dürfte. Kritische Meinungen sind erwünscht, stilistisch wie kontextuell

08.10.2015, 20:58	#6
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Daraufhin gehe ich bebrillten Blickes noch einmal an die Lektüre. Trotzdem finde ich es sonderbar, daß sonst noch niemand kommentiert hat. Es gibt hervorragende kennerische und koryphaeische Kritiker hier. Herzlichen Abendgruß v. Thing

08.10.2015, 21:11	#7
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	Hallo Canción, das ist gekonnt! Mit Genuss gelesen. Chapeau gummibaum

09.10.2015, 13:40	#8
Canción Dabei seit: 10/2015 Alter: 32 Beiträge: 13 Meine Gedichte	Hallo Gummibaum, Danke für das Feedback