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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 08.09.2012, 20:08   #34
weiblich Ex-Nitribitto
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Standard Raubeins Lauf

@Thing

Du kommst nicht immer nur zu spät, du begreifst auch immer zu spät - wenn auch meistens gar nicht, wie ich schon lange mitgekriegt habe.

Jede menschliche Äußerung ist politisch. Und wenn du Liebesgedichte schreibst, schreibst du sie in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext, auch wenn er gerade im Schlafzimmer nicht anwesend ist. Das ist Politik.
Jeder Mensch äußert sich politisch, gerade auch dann, wenn er glaubt, sehr unpolitisch zu sein. Das ist dir vielleicht zu hoch, aber ändern kann ich es dir zuliebe auch nicht. Hat eine Menge mit Dialektik zu tun. Dialektik, wer hat sie erfunden - guck nach bei Wikipedia.

Nitribitto
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Alt 08.09.2012, 20:24   #35
weiblich Ex-Nitribitto
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Standard Raubeins Lauf

@Rosenblüte

Da hast du völlig recht: Erzwingen lässt sich das nicht. Will ja auch niemand erzwingen. Was sollte denn bei Erzwungenem rauskommen? Niemand ist verpflichtet, sich direkt politisch in einem Gedicht zu äußern. Wenn er das Gefühl hat, er muss jetzt über die Bienchen schreiben (Bienchen!, Thing),
dann tut er es und schreibt nicht, sagen wir mal, über die Eurokrise. Wer sollte ihn daran hindern?

Wenn ich auch politische Gedichte schreibe, so liegt es daran, dass ich als Kind schon die Folgen von Politik kennengelernt und unter ihnen gelitten habe und es dann spannend fand, Dinge herauszufinden, um die sich sonst niemand kümmert, aus welchen Gründen auch immer. Ich bin auch außerhalb des Schreibens ein politisch denkender Mensch. Anderen ging es anders, sie sind durch ganz andere Erlebnisse so geworden, wie sie sind.

Und du siehst ja, dadurch, dass es die DDR nicht mehr gibt, sind auch andere Sichten, andere Ideen auf die Westdeutschen zugekommen, die ihnen fremd sind und die sie deshalb ablehnen. Ich lehne ja auch bestimmte Sichten der Westdeutschen ab, z. B. wenn sie zu muffig sind und zu vermoost. Und dass es da Reibungen gibt, ist doch klar. Das sind zwei gänzlich unterschiedliche Weltsysteme zusammengeschmissen worden. Und irgendwie muss man hinkommen, recht oder schlecht. Wie auch immer.

Nitribitto
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Alt 08.09.2012, 20:34   #36
Thing
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Zitat:
Zitat von Nitribitto Beitrag anzeigen
@Thing

Du kommst nicht immer nur zu spät, du begreifst auch immer zu spät - wenn auch meistens gar nicht, wie ich schon lange mitgekriegt habe.

Jede menschliche Äußerung ist politisch. Und wenn du Liebesgedichte schreibst, schreibst du sie in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext, auch wenn er gerade im Schlafzimmer nicht anwesend ist. Das ist Politik.
Jeder Mensch äußert sich politisch, gerade auch dann, wenn er glaubt, sehr unpolitisch zu sein. Das ist dir vielleicht zu hoch, aber ändern kann ich es dir zuliebe auch nicht. Hat eine Menge mit Dialektik zu tun. Dialektik, wer hat sie erfunden - guck nach bei Wikipedia.

Nitribitto



"Mutter, gibts bald Nachtessen?"

ist hochpolitisch.
Erstens schon die Anrede!
Welche Rolle politisch oder unpolitisch gesehen, hinterfragt, spielt hier die "Mutter"? Ist sie die Mutter des Volkes? Ist sie eine Familienmutter, gar schon eine mehrfache? Ist sie einfach nur eine Mutter, deren Kinder schon politisch flügge oder gar aus dem Haus sind und der immer noch dieser hochpolitische MUTTER-Name anhängt?

Dann:

Gibts bald
-
Gab es früher? Wird es in Zukunft geben? Und wann ist bald, gesellschaftlich gesehen? Und für wen wird es wann "s" geben? Wie ist das zu er- und klären? Wie vielschichtig ist dieses "bald"!
BALD! versprach Väterchen, gibt's!
Aber hier, in dieser hochpolitischen Szene, spielt der Vater (?) m.E. nicht die entscheidende Rolle, denn die Nährende, die Alma Mater, ist gefragt.

Und dann erst:
"Nachtessen" !
Wie soziologisch vieldeutig ist dieser Ausdruck! Essen wir die Nacht? Oder ist es doch am Ende, wenn man Trotzki glauben darf, vice versa?
Auch er mußte, als man ihm den Schädel einschlug, die Nacht essen, aber das sah Väterchen dann in einem unerlaubten Opium-Bezug zu seinem Bruder,
also steht das "Essen" doch im Vordergrund des ungeheuerlich tief gesprochenen Anspruchs.
Dahinter steht der intellektuelle Hunger des sozialistisch und sozial Fragenden.

Umso erschütternder die für alle Völker dieser Erde allgemeingültige Antwort:

"Wenn's gar ist".
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Alt 08.09.2012, 20:35   #37
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Ich lehne ja auch bestimmte Sichten der Westdeutschen ab, z. B. wenn sie zu muffig sind und zu vermoost. Und dass es da Reibungen gibt, ist doch klar. Das sind zwei gänzlich unterschiedliche Weltsysteme zusammengeschmissen worden. Und irgendwie muss man hinkommen, recht oder schlecht. Wie auch immer.
Na, da wird doch endlich mal Tacheles geredet und die Wutz rausgelassen, die wir ja schon immer im Stall vermutet hatten. Nur ist hier ein bißchen etwas falsch herum etikettiert, denn muffig und vermoost war die DDR, die dank des Solis erst einmal Krücken bekam und der allmählich das Gehenlernen beigebracht wurde. Hat aber nicht viel gebracht, weil die Ostdeutschen schneller im Westen waren als die westdeutschen Steuergelder im Osten. Die Familie, mit der ich nach dem Mauerfall in Kontakt stand, schwor Stein und Bein: "Wir sind Brandenburger, und wir bleiben Brandenburger!" Ein Jahr später zogen die Leutchen nach Niedersachsen um.
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Alt 08.09.2012, 22:31   #38
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Standard @Thing & Ilka-Maria

Es ist doch immer wieder interessant, Eure Klarsicht in weltlichen Dingen zu erfahren. Hauptsache ist doch, daß ihr damit leben könnt. Wie lange noch?
Das kann ich Euch leider auch nicht sagen.

bG Bane
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Alt 09.09.2012, 02:28   #39
weiblich Rosenblüte
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Zitat:
Politikverdrossenheit ist eine apolitische Haltung, keine politische.
Es sollte sowieso mal genau geklärt werden, was es denn bedeuten soll, daß auch nichtpolitische Gedichte im Grunde politisch sind.
Ich meine es so: Unpolitisch zu sein heißt, sich nicht einzumischen, sich ins Private zurückzuziehen. Die Politiker können inzwischen schalten und walten, wie sie wollen. Insofern ist Nichthandeln politisch.

Ich sprach nur von meinen eigenen Liebesgedichten. Ich verliebe mich halt meistens in Leute aus dem linken Spektrum oder in solche, die Hartz IV u. a. um die Ohren haben und deshalb politisiert sind. Ganz bestimmt verlieben sich die meisten Leute einfach so, ohne politischen Hintergrund. Ich kann halt nur für mich sprechen.

Zitat:
Das sind zwei gänzlich unterschiedliche Weltsysteme zusammengeschmissen worden.
Das sehe ich anders. Der real existierende Sozialismus war ein Anfang, ein Experiment innerhalb einer kapitalistischen Welt. Sozialismus lässt sich nicht in einem Land allein verwirklichen. Wir sind noch nicht so weit, können aber aus der Geschichte lernen. Lernen, was gut oder schlecht war und wie wir es in Zukunft besser machen können. Wir sollten auch neue Wege beschreiten, wie es z. B. in Lateinamerika geschieht. Muffig und vermoost erscheint mir so manches, was in der DDR geschah, vom Personenkult bis zur Musikantenscheune.

Liebe Grüße
Rosenblüte
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Alt 09.09.2012, 06:08   #40
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Bane Beitrag anzeigen
Es ist doch immer wieder interessant, Eure Klarsicht in weltlichen Dingen zu erfahren. Hauptsache ist doch, daß ihr damit leben könnt. Wie lange noch?
Das kann ich Euch leider auch nicht sagen.

bG Bane
Das ist völlig wurst, denn bislang war mein Leben in einem der besten Staaten dieser Welt von Frieden und Überfluss geprägt, und den größeren Teil dieses Lebens habe ich rum.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.09.2012, 10:02   #41
männlich Ex-Bane
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Das ist völlig wurst, denn bislang war mein Leben in einem der besten Staaten dieser Welt von Frieden und Überfluss geprägt, und den größeren Teil dieses Lebens habe ich rum.
Hey, da geht es Dir ja wie mir. Was für ein Zufall?

Bane
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Alt 09.09.2012, 16:21   #42
männlich Desperado
 
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Zitat:
Zitat von Rosenblüte Beitrag anzeigen
Ich besuche öfter mal sein Grab auf dem Alten Matthäuskirchhof. Ein Ort der Ruhe und Kraft!

Land in Sicht

Land in Sicht
Singt der Wind in mein Herz
Die lange Reise ist vorbei
Morgenlicht weckt meine Seele auf
Ich lebe wieder und bin frei

Und die Tränen von gestern wird die Sonne trocknen
Die Spurn der Verzweiflung wird der Wind verwehn
Die durstigen Lippen wird der Regen trösten
Und die längst verlorn Geglaubten
Werden von den Toten auferstehn

Ich seh
Die Wälder meiner Sehnsucht
Den weiten sonnengelben Strand
Der Himmel leuchtet wie Unendlichkeit
Die bösen Träume sind verbrannt

Die Tränen von gestern wird die Sonne trocknen
Die Spurn der Verzweiflung wird der Wind verwehn
Die durstigen Lippen wird der Regen trösten
Und die längst verlorn Gegaubten
Werden von den Toten auferstehn


Möbius/Steitz 1975
Ton Steine Scherben-
Wenn die Nacht am tiefsten



.
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.09.2012, 16:53   #43
weiblich Rosenblüte
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Wunderschön und wahrhaft!

Dieses hier liebe ich auch:

Sternchen

Ich singe dir, du Stern der blauen Berge,
der sieben Meere und der rohen See,
sing deinen Wüsten, sing deinen Wäldern,
sing deinem Eis und deinem ewigen Schnee.

Mein Lied für dich, Planet der Wolkengötter,
gibst dem Wald Regen und dem Regen Wald,
du liebst den Sand, du liebst die Felsen
gibst Luft dem Sperling und dem Wal.

Du bist mein Schiff im Weltenmeer,
wo treibst du hin wo kommst du her,
wer hält dein Steuer und wer weiß
bin ich ein Teil von deinem Geist,
bin ich ein Teil von deinem Geist.

Ich singe dir, du Stern der grünen Täler,
ernährst die Blumen, lenkst der Vögel Flug,
den wilden Wassern gibst du Ufer,
du bringst den Schatten in die Sonnenglut.

Du bist mein Schiff im Weltenmeer,
wo treibst du hin wo kommst du her,
wer hält dein Steuer und wer weiß
bin ich ein Teil von deinem Geist,
bin ich ein Teil von deinem Geist.

Wär ich ein Staubkorn in einer deiner Wüsten
oder ´ne Blume in deinem schönsten Tal,
ich bleib dir treu und wenn ich wiederkehre,
begrüße mich mit einem Sonnenstrahl.

Rio Reiser
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