Die unromantische Bahnsteigbeamtin bei Poetry.de

urluberlu · 17.05.2015, 22:10

Nein, nicht nach Neuß,
nach Honolulu wollt‘ ich fahren.
Nun geht der Zug vom falschen Gleis,
der Grund ist bald erfahren.

Ihr Mützchen saß
so schrecklich neckisch und ihr Lachen
verhieß darunter muntren Spaß,
je nun, was sollt‘ ich machen?

Der Bahnsteig war
der falsche, doch die kleine Mütze,
die zeigte mir eindeutig, klar,
dass ich hier richtig sitze.

In diesem Zug,
der ohne eine feste Richtung
nach Neuß fährt statt zu meinem Flug.
So leitet mich die Dichtung!

Das hat gemacht
zu einem Teil die Geomantik,
doch ebenso wurd‘ es vollbracht
durch wortreiche Romantik.

Nur: Ihre Pflicht
war stärker als die Kraft der Worte.
Das rote Mützchen folgt mir nicht,
blieb leider dort am Orte.

urluberlu · 18.05.2015, 08:39

Zweite, deutlich weniger schlechte version, würd ich behaupten.

Nein, nicht nach Neuß,
nach Honolulu wollt‘ ich fliehen.
Nun geht der Zug vom falschen Gleis,
soll ich die Bremse ziehen?

Ihr Mützchen saß
so schrecklich neckisch. Und ihr Lachen
verhieß nicht nur für heute Spaß.
Je nun, was sollt‘ ich machen?

Der Bahnsteig war
der falsche, doch die kleine Mütze
bedeutete mir klipp und klar,
dass ich hier richtig sitze.

In diesem Zug,
der ohne Ziel und rechte Richtung
nach Neuß fährt statt zu meinem Flug.
So was vermag die Dichtung!

Das hat gemacht
zum kleinen Teil die Geomantik,
noch mehr jedoch hat hier vollbracht
der Furor der Romantik.

Doch leider: Pflicht
war stärker als die Kraft der Worte.
Das rote Mützchen folgt mir nicht,
blieb lieber dort am Orte.

scrabblix · 18.05.2015, 23:04

Schöne Reise, url! Das muss aber eine Hübsche gewesen sein

Die erste Version kommt m. E. wesentlich echter rüber.

Liebe Grüße
scrabblix

Ex-Ralfchen · 18.05.2015, 23:06

Doch dann in Neuß da auf dem Häusel
da wollt ich pissen, doch das Mäusel,
nahm meine Luller fest zur Hand
und fegte mich ins Niemandsland.

urluberlu · 19.05.2015, 10:18

@scrabblix
genau das hatte ich befürchtet. darum die änderungen, als stärkere hinwendung zur ideellen romantik, der ich gerade mit hilfe von safranskis schunken nachgesonnen hatte.

@ralfchen
danke für deine mitfühlenden zeilen. so deutlich war von den echten romantikern nur novalis. jedenfalls soweit ich im buch gekommen bin.

gruss url

Thing · 19.05.2015, 11:43

[QUOTE=urluberlu;359225. so deutlich war von den echten romantikern nur novalis.
gruss url[/QUOTE]

Nein.
Er hütete in seinem kurzen Leben die Blaue Blume.

urluberlu · 19.05.2015, 13:56

Naja, er wollte seiner minderjährigen Gattin in den Tod folgen, um in ihrem Schoß zu liegen (aus einem Gedicht) und er notierte im Tagebuch, dass er nach einem Besuch auf ihren Grab den Tag über sehr lüstern gewesen sei.

Der Jüngling war zwar noch grün hinter den Ohren, aber er wird schon gewusst haben, wovon er sprach. Schließlich hatte die Ehe, als Frau Novalis mit 16 Jahren starb, immerhin drei Jahre gedauert. Und hätte er selber Ralfchens hohes Alter erreicht, wer weiss....

Aber du hast recht, es bringt nichts, ihn hier zu zitieren.

danke für den hinweis.
u.

17.05.2015, 22:10	#1
urluberlu R.I.P. Dabei seit: 07/2014 Alter: 73 Beiträge: 2.273 Meine Gedichte	Die unromantische Bahnsteigbeamtin Nein, nicht nach Neuß, nach Honolulu wollt‘ ich fahren. Nun geht der Zug vom falschen Gleis, der Grund ist bald erfahren. Ihr Mützchen saß so schrecklich neckisch und ihr Lachen verhieß darunter muntren Spaß, je nun, was sollt‘ ich machen? Der Bahnsteig war der falsche, doch die kleine Mütze, die zeigte mir eindeutig, klar, dass ich hier richtig sitze. In diesem Zug, der ohne eine feste Richtung nach Neuß fährt statt zu meinem Flug. So leitet mich die Dichtung! Das hat gemacht zu einem Teil die Geomantik, doch ebenso wurd‘ es vollbracht durch wortreiche Romantik. Nur: Ihre Pflicht war stärker als die Kraft der Worte. Das rote Mützchen folgt mir nicht, blieb leider dort am Orte.

18.05.2015, 08:39	#2
urluberlu R.I.P. Dabei seit: 07/2014 Alter: 73 Beiträge: 2.273 Meine Gedichte	Zweite, deutlich weniger schlechte version, würd ich behaupten. Nein, nicht nach Neuß, nach Honolulu wollt‘ ich fliehen. Nun geht der Zug vom falschen Gleis, soll ich die Bremse ziehen? Ihr Mützchen saß so schrecklich neckisch. Und ihr Lachen verhieß nicht nur für heute Spaß. Je nun, was sollt‘ ich machen? Der Bahnsteig war der falsche, doch die kleine Mütze bedeutete mir klipp und klar, dass ich hier richtig sitze. In diesem Zug, der ohne Ziel und rechte Richtung nach Neuß fährt statt zu meinem Flug. So was vermag die Dichtung! Das hat gemacht zum kleinen Teil die Geomantik, noch mehr jedoch hat hier vollbracht der Furor der Romantik. Doch leider: Pflicht war stärker als die Kraft der Worte. Das rote Mützchen folgt mir nicht, blieb lieber dort am Orte.

18.05.2015, 23:04	#3
scrabblix Dabei seit: 03/2015 Ort: Mitten im Revier Beiträge: 375 Meine Gedichte Meine Favoriten	Schöne Reise, url! Das muss aber eine Hübsche gewesen sein Die erste Version kommt m. E. wesentlich echter rüber. Liebe Grüße scrabblix

18.05.2015, 23:06	#4
Ex-Ralfchen abgemeldet Dabei seit: 10/2009 Alter: 77 Beiträge: 17.302 Meine Gedichte Meine Favoriten	Doch dann in Neuß da auf dem Häusel da wollt ich pissen, doch das Mäusel, nahm meine Luller fest zur Hand und fegte mich ins Niemandsland.

19.05.2015, 10:18	#5
urluberlu R.I.P. Dabei seit: 07/2014 Alter: 73 Beiträge: 2.273 Meine Gedichte	@scrabblix genau das hatte ich befürchtet. darum die änderungen, als stärkere hinwendung zur ideellen romantik, der ich gerade mit hilfe von safranskis schunken nachgesonnen hatte. @ralfchen danke für deine mitfühlenden zeilen. so deutlich war von den echten romantikern nur novalis. jedenfalls soweit ich im buch gekommen bin. gruss url

19.05.2015, 11:43	#6
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	[QUOTE=urluberlu;359225. so deutlich war von den echten romantikern nur novalis. gruss url[/QUOTE] Nein. Er hütete in seinem kurzen Leben die Blaue Blume.

19.05.2015, 13:56	#7
urluberlu R.I.P. Dabei seit: 07/2014 Alter: 73 Beiträge: 2.273 Meine Gedichte	Naja, er wollte seiner minderjährigen Gattin in den Tod folgen, um in ihrem Schoß zu liegen (aus einem Gedicht) und er notierte im Tagebuch, dass er nach einem Besuch auf ihren Grab den Tag über sehr lüstern gewesen sei. Der Jüngling war zwar noch grün hinter den Ohren, aber er wird schon gewusst haben, wovon er sprach. Schließlich hatte die Ehe, als Frau Novalis mit 16 Jahren starb, immerhin drei Jahre gedauert. Und hätte er selber Ralfchens hohes Alter erreicht, wer weiss.... Aber du hast recht, es bringt nichts, ihn hier zu zitieren. danke für den hinweis. u.