Fouday, 1778

[gummibaum]

Am dritten Hornung hörte Lenz:
Das Kind erlag dem Tod.
Ihn drückte Schuld als Konsequenz.
Verließ er es in Not?

Gesicht geschwärzt, im Bußgewand
lief er zurück zum Haus,
wo er im Stroh die Leiche fand -
den Schmerz hielt er nicht aus.

Er rief Gott an, griff fest die Hand
der Kalten, sprach: Steh auf
und wandle! - Wartete gebannt,
doch nichts geschah darauf.

Da kam der Wahnsinn über ihn,
er fluchte Gott und schwor
ihm ab, worauf er jeden Sinn
für Existenz verlor.

[Thing]

das habe ich durch Zufall entdeckt.
Büchner ist mir erst so richtig durch "Lenz" bekannt geworden.
Wieder ein Beispiel dafür, wie nahe beieinander Genie und Wahnsinn liegen (können).
"Dantons Tod" hat mich tief deprimiert. Aber w i e modern wurde damals schon geschrieben!

Oberlin hätte mehr als nur ein Denkmal verdient!

Der Kreuzreim verleiht Deinem Gedicht genau d i e Atemlosigkeit, die das kurze Leben von B. beherrscht hat.
Gut gemacht!


Herzlichen Gruß
von
Thing

[gummibaum]

Hallo Thing,

schön, dass du es noch gefunden hast. Es ist nach der Lenz-Erzählung. Büchner hat sich ja als junger Arzt an Typhus infiziert und ist so ähnlich wie das Mädchen in Fouday zugrunde gegangen.

LG gummibaum

[Thing]

Zitat von gummibaum

Hallo Thing,

schön, dass du es noch gefunden hast. Es ist nach der Lenz-Erzählung. Büchner hat sich ja als junger Arzt an Typhus infiziert und ist so ähnlich wie das Mädchen in Fouday zugrunde gegangen.

LG gummibaum

Das war mir nicht bekannt; ich stehe zu meiner Wissenslücke.
Aber es hat mein "Gefühl" für Goethe nicht vertieft, daß er so schäbig mit dem zuerst noch Willkommenen umgegangen ist.
(Fürsten dürfen sich das erlauben).


LG
Thing

[gummibaum]

Goethe sprach von einer "Eselei", die Lenz passiert ist. Er blieb wohl Stürmer und Dränger.

LG gummibaum

[Thing]

Was mich nicht erstaunt.
Da hatte der Freiherr seinen gebremsten Sturm und Drang schon hinter sich.

[Ilka-Maria]

Zitat von gummibaum

Goethe sprach von einer "Eselei", die Lenz passiert ist. Er blieb wohl Stürmer und Dränger.

LG gummibaum

Das mit der Eselei habe ich auch gelesen, Goethe hat aber nicht festgehalten, um was es sich genau handelte. Gesichert ist jedoch, dass ihm Büchner zu idealistisch war. In dieser Hinsicht hatte er ja auch mit Schiller seine Probleme gehabt, wenn auch nicht so gravierend.

Dein Gedicht, lieber gummibaum, habe ich am Wochenende vergeblich gesucht (nämlich unter "Lenz"), der Titel war mir nämlich entfallen. Schön, dass es jetzt doch wieder aufgetaucht ist. Es ist schon fast dreißig Jahre her, dass ich Büchners komplettes Werk gelesen habe, den "Lenz" hatte ich nur noch vage in Erinnerung. Deshalb freue ich mich über Deine gelungene dichterische Kurzfassung - der ideale "Merkzettel".

LG
Ilka

[Thing]

Der "Lenz" hatte ob seiner Wortgewalt den tiefsten Eindruck auf mich gemacht.

"Leonce und Lena" hab ich vor Jahrzehnten gelesen, ist mir nicht sehr erinnerlich.
Und den "Woyzek" hab ich mir nie gekauft.
Büchner war keine im Elternhaus enthaltene Lektüre.

Aber ich will nachholen.

[Ilka-Maria]

Meine Favoriten sind der "Hessische Landbote" und der "Daton" - auch wegen Büchners Sprachgewalt. Ich hab's hat gern rebellisch .

Der Woyzek ist ein armes Schwein. Die Verfilmung mit Kinski hält sich übrigens sehr stark an die Vorlage.

[Thing]

Zitat von Ilka-Maria

Meine Favoriten sind der "Hessische Landbote" und der "Daton" - auch wegen Büchners Sprachgewalt. Ich hab's hat gern rebellisch .

Der Woyzek ist ein armes Schwein. Die Verfilmung mit Kinski hält sich übrigens sehr stark an die Vorlage.

Ich fand den "Lenz" dermaßen aufregend, daß ich den "Danton" weniger aufwühlend fand.

Ja, Kinski war als Woyzek nicht übel, auch wenn das "Armes-Schwein-sein" durch Übertheatralik dem Original nachhinkte.

Ich sehe, daß ich viel nachzuholen habe!

[Ilka-Maria]

Zitat von Thing

Ja, Kinski war als Woyzek nicht übel, auch wenn das "Armes-Schwein-sein" durch Übertheatralik dem Original nachhinkte.

Ich meinte auch eher vom Text her.

Von der Figur her: klar - Kinski spielt immer auch Kinski.

[gummibaum]

Schön, dass das Gespräch hier weitergeht. In "Dichtung und Wahrheit" schreibt Goethe über Lenz und sich: "Ich ...verschaffte ihm zu dieser wie zu seinen übrigen Schriften bald Verleger, ohne auch nur im mindesten zu ahnen, daß er mich zum vorzüglichsten Gegenstande seines imaginären Hasses...ausersehen hatte."

[Thing]

Das ist hochinteressant!