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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 10.07.2023, 19:48   #1
männlich Heinz
 
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
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Standard Der Kampf einer Jungfrau

Vorab: Dass ich bei dieser Ballade gnadenlos bei Schiller geklaut habe, wird wohl jeder wissen. Anfangs habe ich versucht in flapsigen Worten Schillers Duktus auszuweichen,
spürte aber bald, dass dessen Sprachgewalt übermächtig ist. Die schlussendliche Moral wird manchem nicht zeitgemäß zu scheinen. Ich erlaube mir, anderer Meinung zu sein. Dies ist eine überarbeitete Fassung eines früher eingestellten Gedichts.


Was flitzen die Leute,
sind sie Wahnsinns Beute?
Fressen Häuser die Flammen,
bricht alles zusammen?

Da kommt ein Jeep,
zerrt hinter sich ein nicum draco,
das Aas macht keinen Piep -
und zeigt der Menge seinen Po.

Bis vor drei Tagen hats im Lande Hessen
fast alles, was da kreucht und fleucht gefressen.
Gar mancher hats in keckem Übermut versucht
das Biest zu fangen, doch das Wagnis bald verflucht.
Selbst Hooligans und ihre wilden Horden
versuchten dieses fiese Vieh zu morden
und gnadenlos von ihm verspeiset worden.

Die Menge gafft und staunt, denn im Galopp
da kommt des Königs Tochter angeritten
und macht vor der Versammlung des Volkes Stopp.
Sie springt vom Ross, mit ein paar forschen Schritten
erreicht sie flott des Königschlosses Tor
und im Triumphe streckt die Arme sie empor
und präsentiert ein abgeschnittnes Drachenohr.

Sie reckt sich, schüttelt das goldblonde Haar und spricht:
ich fürchtete Tod und Teufel, auch den Drachen nicht
und habe, so sei es euch heute und wahrhaft berichtet,
die elende Vieh mit meinem Schwerte hingerichtet.

Das wackre Mädchen sollte man, hört man die Leute toben,
mit lauten Worten höchlichst und verehrlich loben!
Der König hat die Rufe bald vernommen
und spricht: Die Lütte soll mal zu mir kommen.

Und vor die Majestät, den König, tritt
die blonde Jungfrau mit verhaltnem Schritt
und hinterher, da drängen die jubelnden Leute,
vom Kirchturm hört jeder das Glockengeläute.

Das Prinzesschen, die Wangen schamhaft gerötet,
berichtet bescheiden, wie sie das Untier getötet:
Zu kämpfen, zu sterben war ich bereit -
das Land hab ich vom Drachen befreit.
jetzt kann ein jeder wieder sorglos wandern
durch Auen, wo muntere Bächlein mäandern.

Doch ernster wird des Königs Blick,
er spricht: Du hattest unverschämtes Glück!
Als kühne Heldin hast du dich bewährt,
und Mut ists, was ein edles Fräulein ehrt.
Doch sprich! Was ist die erste Pflicht
des Menschen, der im Namen Christi ficht,
sich schmückt mit heilgem Kreuzes Zeichen?
Und alle rings umher erbleichen.
Das edle Fräulein beugt das Knie und spricht:
Gehorsam, mein Vater, ist aller Edlen erste Pflicht.

Und das Gebot, mein Kind, versetzt
der König, hast du frech verletzt!
Den Kampf, den das Gesetz aus gutem Grund verbot,
hast du gewagt, selbstherrlich, ohne Not!

Mein Vater, lass zuerst von meiner Tat mich sprechen,
bevor du‘s unternimmst, den Stäbchen über mir zu brechen.
Nicht ohne nachzudenken ritt ich jüngst von hinnen,
das Drachenvieh mit klug geschärften Sinnen
mit meinem Schwerte tapfer zu bekriegen,
um es zum Wohle aller zu besiegen.
Zehn Ritter unsres heilgen Ritterordens
erlagen schon des Drachens feigen Mordens.
Du sprachst: Jetzt sind schon fast ein Dutzend tot
und schon erfolgte dein gestrenges Drachenkampfverbot.
Mein ganzes Sinnen, all mein Trachten
befahlen mir auf das Verbot zu achten.
In meinem Herzen aber nagte
der Wunsch, das Biest zu killen
und gegen deinen Willen
ich dann den Kampf doch wagte.

Ja selbst in jungfraulichen Träumen stiller Nächte
sah ich mich kämpfend im Gefechte;
mein Schwert schnitt scharf in das Gemächte
des Untiers, weithin spritzte Drachenblut,
mit Gottvertraun und heißer Wut
begann ich fleißig zu trainieren,
mein Wunsch war, dieses Biest zu filetieren.

Ich fragte mich: Ist nur der Sarazen es wert,
dass ihn zerteilt mein scharfes Schwert?
Befreien muss mein starker Arm
die Welt von Not und Pein und Harm!
So zog ich los, des Drachen Fährte zu erkunden,
nach langer Suche hab ich sie gottlob gefunden.

Wie fass ich dich, du garstges, widerliches Biest?
Erforderlich sind Schläue, Mut und List.
Ich lass von Künstlerhand geschickt zusammen fügen
ein Ebenbild des Drachens mit den gut gemerkten Zügen.
Auf kurzen Beinen türmte sich ein garstig Ungeheuer,
aus seinem Rachen speit es Gift und Feuer,
die Augen tellergroß und blitztend,
die Schuppen seiner Panzerhaut beschützend
den Leib vom Schlangenhaupt bis zu den Zehen,
gar schrecklich ist das Bildnis anzusehen.

Als dann das Werk vollendet war,
da kauft ich mir ein Doggenpaar,
dazu noch einen Dobermann.
Die hetzt ich auf das Untier an,
damit sie lernten kräftig und voll Zorn
und todesmutig ihre Zähne in das Vieh zu bohr‘n,
trainierte tagelang mit diesen Hunden
und lehrte sie, den Drachen tödlich zu verwunden.

Ich selbst, bewaffnet mit dem Speer,
bestieg mein unerschrocknes Ross
und ritt vor den drei Hunden her,
in der Rechten ein gut gespitztes Langgeschoss,
die Linke voller Kraft mein scharfes Schwert umschloss.
Dem Pferd gab ich beherzt die Sporen,
und war gewillt, das Untier zu durchbohren.
So sehr das Ross auch wiehernd schäumte,
sich ängstlich zeigte, seinen Rücken bäumte,
die Hunde jaulend, geifernd stöhnten -
ich übte weiter, bis sie sich gewöhnten.

Als dreimal sich der Mond erneut,
da hatten sie‘s begriffen und gelernt;
so langsam wurde es auch Zeit,
noch weit war unser Ziel entfernt.

Mein Zorn erwuchs zur heilgen Rage
beim Anblick dreier toter Hirten,
die sich im Wald verirrten
und endeten in jenes Drachenviehs Menage.
Nun plante ich den letzten forschen Schritt,
bestieg mein Ross und nahm die Hunde mit.
Begleitet von den Doggen und dem Dobermann,
bewaffnet und mit Mut ging ich die Sache an.

Auf halbem Weg ein Kirchlein steht,
drin ein Gefäß von wundertätgen Segen,
ich sprach ein letztes fromm‘ Gebet
und knie vor dem Christuskind,
bereinige mein Herz von aller Sünd
und reit danach dem Kampf entgegen.

Nach kurzem Ritt weht ein Gestank vom Hügel,
die Hunde knurren, eilig straffe ich die Zügel.
Das Ross bleibt stehn und seine Flanken zittern,
die Hunde fletschen ihre Zähne, ihre Nasen wittern
das Gemisch aus faulen Eiern, sauren Erden,
ich denke nur: Das kann ja heiter werden.

Knapp hundert Meter weiter
sonnte sich auf felsgem Grunde
des Drachen scheußliche Figur.
Aus seinem Rachen tropfte der Eiter,
es stürzten meine flinken Hunde
sich auf das Biest, ich staunte nur,
wie meine Doggen pfeilgeschwind
sich mit dem Dobermann im Kampf verbanden,
trotz Wutgebrüll und faulgem Wind
des Drachen schwache Stellen fanden.

Der wehrte sich, seine Pranken trafen meine Hunde,
die spitzen Zähne packten zu, mit blutger Wunde
versucht‘ der Dobermann dem Lindwurm zu entweichen,
die wutentbrannten Doggen gehorchten meinen Zeichen
und stürzten sich erneut und frischem Mut
aufs Untier, das mit grimmer Wut
sich den Attacken rasend widersetzte
und mir den zweiten Hund zerfetzte.

Ich spähe nach des Drachens Lende,
in die ich meinen Speer versende.
Doch wie ein dünner Stab
prallt er vom Schuppenpanzer ab.
Mein letzter Hund versucht erneut
sich in die Gurgel zu verbeißen,
die Drachenkehle zu zerreißen.
Da bäumt mein Ross sich auf und scheut,
ich flieg vom Sattel, knall mit Schwung aus Maul,
der Drache kichert, wiehernd flieht mein Gaul
und mit des langen Schwanzes Kraft
hat nicum draco es geschafft
und mich zum Boden hin gerafft.
Ich zieh mein Schwert, die Klinge blitzt,
ich stoße zu, doch kaum geritzt
hab ich des Untiers harte Haut,
der Tag war gründlich mir versaut.

Mein treuer Hund beginnt mit wutentbrannten Bissen
den Bauch der Bestie zu fassen und vom Schmerz zerrissen
erhebt der Drache sich zu seiner ganzen Größe,
sehr schnell erkenne ich die einzge Blöße
und treib mein Schwert in sein Gekröse.
Mit letzter Kraft stoß ich den blanken Stahl
bis an sein Heft hinein und eines Blutes Strahl
bezeugt, dass ich sehr gut getroffen. Vom Blute rot
bemerke ich: Das Vieh war tot!

Erschöpft von langer Rede nun die Jungfrau schwieg,
es jubelte das Volk: Hurra, dein ist der wohl erfochtne Sieg!
Mit lauter Stimme fordern selbst des Ritterordens Söhne,
dass man das Haupt der Heldin mit goldnem Eichenlaub bekröne.

Der König, dem die Jubelrufe laut entgegen schallten,
gebietet Schweigen, Strenge zeigen seines Stirnes Falten:
Du hast mit kluger List und starker Hand
den Drachen, der gemordet und das Land
vernichtet, getötet, ein Idol bis du dem Volk geworden.
Als Feind jedoch bist du dem Ritterorden!
Denn Ungehorsam, Hochmut, Stolz dein Herz gebar
einen schlimmren Lindwurm als es selbst der Drache war.
Die Schlange, die nun Zwietracht und Verderben stiftet,
dein widerspenstger Geist, der jedes Herz vergiftet
und gegen jede Zucht sich frech empört,
der ist es, der die Welt zerstört!

Mut, mein Fräulein, zeiget auch der Mameluk -
Gehorsam ist des Ritters größter Schmuck!
Verschwinde jetzt aus meinen Blicken,
dich hat der eitle Ruhm bewegt.
Doch wer Gehorsam nicht im Busen trägt,
darf sich mit Ritters Ruhm nicht schmücken!

Die Menge tobt, Protest bricht aus,
die Säulen schwanken vor des Königs Haus,
um Gnade bitten alle Schwestern, alle Brüder
des Ritterordens, doch schweigend kniet die Jungfrau nieder
und legt das Schwert und das Gewand
dem König vor die Füße, küsst die strenge Hand
und geht. Der König mildert seinen Blick,
dann ruft er liebend sie zurück
und spricht: Umarme mich, mein Kind!
Dir ist der schwerste Kampf gelungen.
Nimm hin das Schwert als Lohn geschwind
für deine Demut, die sich selbst bezwungen.
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