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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 08.03.2008, 03:11   #1
männlich Belshiras
 
Benutzerbild von Belshiras
 
Dabei seit: 05/2007
Ort: Land BRB
Alter: 34
Beiträge: 64

Standard Grat auf Glas

Dank geht an Kerstin, die heute meine Muse mimte ...



2008 – 7. März

Grat auf Glas

Das Loch in meinem Herz zu tief,
Als dass kein roter Strom verlief
Im Lande meiner Zuneigung,
Im Anblick meiner Steinigung.

O schönste Hexe, schönster Fluch!
Was nur, welches Zauberbuch,
Welcher Reim, O, welcher Spruch
Sandt mir Dolche in die Brust?
O, welches kühne Magierwirken
Barst die Eichen und die Birken,
Brach mein Leben und mein Herz,
Schmetterte und brand mein Schmerz?

Nur ein Wort aus Spiegelscherben
Sprang über die scharfen Kerben
Deines Mundes Zungenstück,
Deiner Sprache kalte Tück.
Nur ein schneidend Grat auf Glas
Windger Höhen, der sich fraß
Tief hinein ins Muskelfleisch
Und nur ließ den blutgen Teich.

Das Loch im kalten Herz zu tief,
Als dass in ihn kein Strom verlief
Vom Lande meiner Zuneigung,
Beim Anblick meiner Steinigung.
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Alt 08.03.2008, 16:10   #2
blaue_Raupe
 
Dabei seit: 08/2007
Beiträge: 82

Hallo Belshiras,


Ich hab mich deinem Nachtstück mal angenommen, und für’s Strukturelle auch noch mal
Die Füße der Verse mitgezeichnet; allzu lang ist der Text ja nicht, und lässt sich bis auf wenige Ausnahmen auch recht glatt lesen. Zumindest seh ich, dass die Mühe gemacht wurde, das Ganze in einen Rhythmus zu bringen, und den Wechsel zwischen Jamben und Trochäen find ich auch recht passend eingesetzt.
Sprachlich hat mich das Gedicht allerdings weitaus weniger überzeugt, da sind noch dicke Hänger drin, die vielleicht dadurch entstanden sind, dass du mit dieser eher anachronistischen Sprachverwendung doch nicht ganz verwandt bist. Dazu aber im Einzelnen unten (auch zum Inhalt an den einzelnen Strophen).

Das Loch in meinem Herz zu tief,
Als dass kein roter Strom verlief
Im Lande meiner Zuneigung,
Im Anblick meiner Steinigung.

xXxXxXxX / a
xXxXxXxX / a
xXxXxXxX / b
xXxXxXxX / b
~
Schon in V1 & 2 versteh ich den kausalen Zusammenhang nicht wirklich. „ALS dass …“? Sagt ja, dass ab einer gewissen Tiefe definitiv ein Strom fließt, in diesem Fall im Herzen, also, dass das Ganze nicht trocken gelegt sein kann und der Strom wahrscheinlicher wird, je tiefer das Loch. Das geht mir nicht ein.
„Im Lande meiner Zuneigung“ finde ich arg schwammig. Es ist wohl die Herzregion gemeint, mit ihrem Klopfdialekt, oder eine Vorbereitung auf V4, da sitzt allerdings auch ein Hänger. Es klingt, als habe das Wesen des LI den Körper bereits verlassen, schwebe über der ganzen Angelegenheit und betrachte seine Hinrichtung. War „Im Angesicht …“ gemeint? Das hätte die metrische Leitlinie der ersten Strophe gesprengt, aber so verschwurbelt dir der Sinn deines Geschriebenen.

O schönste Hexe, schönster Fluch!
Was nur, welches Zauberbuch,
Welcher Reim, O, welcher Spruch
Sandt mir Dolche in die Brust?
O, welches kühne Magierwirken
Barst die Eichen und die Birken,
Brach mein Leben und mein Herz,
Schmetterte und brand mein Schmerz?

xXxXx/XxX / c
Xx/XxXxX / c
XxX/x/XxX / c
XxXxXxX / W.
x/XxXxXxXx / d
XxXxXxXx / d
XxXxXxX / e
XxXxXxX / e
~
Hier nimmt der Text dann etwas mehr Fahrt auf, durch die recht kurzen Verse, weitgehend gesetzte Auftakte und männliche Kadenzen, von einer Waise in zwei Abschnitte geteilt.
Inhaltlich kommt man wieder gut rein von V1 – 3, dann stoppe ich wieder am „sandte“, das zwar zum Ton passt, aber angesichts der Tatsache, dass Dolchstöße immerhin für’s Loch im Herzen verantwortlich sind, scheint’s mir wesentlich zu mild im Ausdruck.
Gibt es einen Hintergrund für die Birken, oder liegen die in der d/d-Reimkonstruktion verborgen?
Für dringend überarbeitungsbedürftig halte ich den letzten Vers der Strophe, da die Grammatik hier wirklich arg gelitten hat, „(zer)schmetterte und (ver)brannte mein(en) Schmerz“ zu dem, was oben steht. Die fantasievoll angeglichenen Verbkonstruktionen bringen den Vers zu Fall, da würde ich mir wirklich noch was anderes überlegen. Inhaltlich wackelt’s dadurch auch, denn zwar ist „das Leben […] gebrochen, aber der Schmerz zerschmettert und verbrannt, zerstört. Ist doch schön, wo klemmt’s?

Nur ein Wort aus Spiegelscherben
Sprang über die scharfen Kerben
Deines Mundes Zungenstück,
Deiner Sprache kalte Tück.
Nur ein schneidend Grat auf Glas
Windger Höhen, der sich fraß
Tief hinein ins Muskelfleisch
Und nur ließ den blutgen Teich.

XxXxXxXx / f
Xxx(x)XxXx / f
XxXxXxX / g
XxXxXxX / g
XxXxXxX / h
XxXx/XxX / h
XxXxXxX / Ass.
XxXxXxX / Ass.
~
Dann wird alles noch fester verpackt in der Steigerung, allerdings gibt’s in V2 metrisch ein Problem. Da sollte der Trochäus durchgezogen werden, wie es aussieht, aber ein „übér“ sticht dann doch negativ raus.
Alternativ X/XxxXxXx geht ebenfalls schlecht, weil sich der Spondäus reinschleicht.
Inhaltlich scheinst du hier etwas sicherer geworden zu sein, vielleicht im Fluss des Textes. Bis auf den letzten Vers, mal wieder, einerseits im (hinter)lassen, „ließ“ hat nun mal eine andere Bedeutung, und dem „Teich“, der fast ungewollt komisch rüberkommt.

Das Loch im kalten Herz zu tief,
Als dass in ihn kein Strom verlief
Vom Lande meiner Zuneigung,
Beim Anblick meiner Steinigung.

xXxXxXxX / a
xXxXxXxX / a
xXxXxXxX / b
xXxXxXxX / b

Also noch kein für mich überzeugendes Werkstück, aber hoffentlich wird ein Stück vom "Warum" ersichtlich in dem, was jetzt da steht. Mal schaun, was noch kommt.

LG
r~~~

Edith spricht: die Leserin entschuldigt sich für die Unaufmerksamkeiten in der Benennung eines Versmaßes.
blaue_Raupe ist offline   Mit Zitat antworten
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