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Liebe, Romantik und Leidenschaft Gedichte über Liebe, Herzschmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

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Alt 14.12.2008, 19:49   #1
männlich Perry
 
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Dabei seit: 11/2006
Alter: 71
Beiträge: 3.762

Standard losgerissen

noch treiben die wolken landwärts.
es ist nur die schnur in deinen händen,
die mich schlingernd festhält.

eine möwe kreuzt kurvend,
erzählt von fernen sandbänken,
mit ungeöffneten herzmuscheln.

wieder allein dreht der wind
und ich nehme kurs paradiesinsel.
für einen moment spannt das seil,

sirrt ein wehmutslied, bevor es reißt.
leb wohl, ich ziehe nach westen,
den flatterschwanz hinter mir her.
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Alt 15.12.2008, 02:25   #2
m.a.r.
Gast
 
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Hallo Perry,

losgerissen von ? - [ein bild was mich auf anhieb fasziniert. wer oder was wird von wem oder irgendetwas "losgerissen"? ist dieses losreißen von meinem wortempfinden her schon an sich ein gewalt- oder zumindest ein kraftakt, der aktivitäten voraussetzt, so frage ich mich als interessierter leser, welches ereignis wohl zu diesem losreißen geführt hat, dass wir ein "losgerissen" vorfinden. ist dieser "losgerissen-zustand" befreiend, ablösend, neutral-zufällig oder gefangennehmend, wurzeltrennend, absterbend oder ermöglicht er gar eine koexistenz oder? oder? ] [

"noch treiben die wolken landwärts." ... das treiben von wolken landwärts sugerriert in mir den blick vom meer aus. der betrachter sieht treibende wolken zum lande hin, dort wo man eigenlich boden unter den füßen bekommen könnte. vielleicht hält er ausschau nach einem land, das durch wolken verdeckt ist... um einen bezug zum "losgerissen" herzustellen treibt es den leser zur nächsten zeile:

"es ist die schnur in deinen händen" ... und es wird konkreter, denn ein ld hält eine schnur (schon abgerissen? doch nein) - "die mich schlingernd festhält" ... also ein li wird durch ein ld gehalten über eine schnur (ein wasserskifahrer?) ...ein li schlingert , scheint trotz des festgehaltenwerdens noch ein suchender, der jedoch von einem ld festgehalten wird, damit er sich nicht losreißt?

doch "eine möwe kreuzt kurvend, erzählt von fernen sandbänken, mit ungeöffneten herzmuscheln" und zelebriert ein lockendes, verführerisches, fast märhaftes zwischenspiel. ausgerechnet eine möwe (fernwehsymbol, für freiheit & autonomie einstehend) kurvt
um den suchenden, nährt sehnsüchte, weckt hoffnungen, assoziiert sandbänke unter oberflächen, die erreichbar, standfest & geheimniswahrend auf entdeckung warten. doch diese möwe schwindet und lässt das erwartungsgeladene li zurück:

"wieder allein dreht der wind" und reisst den leser von den verheißungsvollen bildern des li weg. doch das li wehrt sich gegen diese eigenmächtigkeit des schicksals & die gnadenlosigkeit der natur und nimmt aufgeladen mit suggestionen , kognitionen und eigenen kapitänsgelüsten den "... kurs zur paradiesinsel". selbstvergessen "...spannt das seil"! die abhängigkeit vom ld, dem seil, dem insel-, sandbank- & herzmuschelfernen manifestiert sich in diesen moment & man hört [die welten streiten],

das sirren "eines wehmutslied"es ",bevor es reißt! und siehe da! nicht das seil, sondern das lied zieht "nach westen" samt dem "flatterschwanz" von trug-, schön-, dichtungsbildern und lässt li am ld, am seil, am gegenwärtig realen, derweil auch der geträumte westen wegreißt und das li ebenso losgerissen, obschon am seil, einsam,
seltsam marionettengleich, mit wolkenblick zurückbleibt. wie übrigens der leser auch. einen augenblick, o "losgerissen" vom zu erwartenden, doch nicht so besonderen alltag, konnten wir mit dem li dem möwenflug folgen, doch nur unser gemeinsames lied gewinnt die autonomie, die das li, zu coabhängig vom ld, zu abhängig vom gewohnten, geführten, an konventionelle "freiheitsgrade" gebundenen, scheinbar im alten trott belässt.

danke perry für diese zeilen. jetzt höre ich noch zum trotzalledem weiterträumen klavierstücke von der ostseeischen pianosolistin ulrike mai mit dem hauptmotiv "der vogel als prophet"! guten morgen aus dem gurkenländle vom spreeten & schneebranden!

LG m.a.r.
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Alt 15.12.2008, 14:20   #3
männlich Perry
 
Benutzerbild von Perry
 
Dabei seit: 11/2006
Alter: 71
Beiträge: 3.762

Hallo m.a.r. bzw. Rivus,
heute Nacht müssen die Sterne gut für mich gestanden sein, dass sie dich zu so einem inspirierten Komm animieren konnten. Es freut mich sehr, dass meine Worte so assoziative Bilder in dir wecken konnten.
Die Zeilen beschreiben ein LI, dessen Blick zwar noch landwärts auf die Beziehung zum LD gerichtet ist und von diesem, wenn auch schlingernd, festgehalten wird.
Doch Fernweh und verlockende Einflüsterungen lassen seine Gesinnung wandeln (der Wind dreht seewärts). Die alte Bindung reißt und das LI nimmt, mit Wehmut im Schlepptau, Kurs auf ein neues Glück.
Bleibt mir nur, mich ganz herzlich für deine so treffende und wertschätzende Kommentierung zu bedanken.
LG
Perry
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