Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Kolumnen, Briefe und Tageseinträge

Kolumnen, Briefe und Tageseinträge Eure Essays und Glossen, Briefe, Tagebücher und Reiseberichte.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 15.11.2008, 01:00   #1
DS!
 
Dabei seit: 10/2007
Beiträge: 101

Standard Der Teufel steckt im Detail

Hat eigentlich schon jemand den neuen Werbespot von Tchibo gesehen und sich dann gedacht: Da geh ich jetzt gleich mal hin, sauf ne Tasse "Tchibo Espresso Haus Röstung" und danach erschlage ich jemanden mit ner 0815-Kaffeesorte, für die die Entwicklungsländer einen Hungerlohn kriegen und damit bewusst am Existenzminimum gehalten werden.
Tchibo denkt anscheinend, die Leute seien dumm und wissen nicht, dass die Kaffeeindustrie gemeinschaftlich die Preise für diese Bohnen künstlich tief hält. Aber Tchibo glaubt anscheinend, sie können einen für dumm verkaufen.


Zitat von "transfair. org" zu dem neuen, weltrettenden Tchibo-Produkt:

"Tchibos langfristiges Ziel ist es, Nachhaltigkeit im Kaffeesektor voranzutreiben und das Sortiment auf lange Sicht komplett auf zeitgemäße Kaffeequalitäten umzustellen. Hierfür brauchen wir starke Partner, die uns bei der Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsziele unterstützen."


Wenn ich sowas lese, krieg ich doch das Kotzen. Okay, an sich ist es gut, dass man jetzt angeblich anfangen will alle Produkte auf fairtrade umzustellen, aber Tchibo scheint die jahrzehnte lange Ausbeutung von Kaffeebauern einfach auszublenden, so als hätten sie niemals die Leute im Elend leben lassen.
Wieso hat Tchibo nicht schon längst alles drauf umgestellt? Es wäre doch ein leichtes einen anständigen Preis für Kaffee zu zahlen. Wieso brauchen sie dafür Zeit um das umzustellen und warum brauchen sie dafür Partner, die sie unterstützen?

Sollte man wirklich glauben, die wollen das ernsthaft?
Nein, natürlich nicht. Tchibo macht das keineswegs aus weltverbessernden Motiven.
Das einzige, was hier gemacht wird, ist einfach einer Marke einen neuen Anstrich zu geben um den Kaffee teurer zu verkaufen und als hochwertiges Luxusprodukt zu etablieren, um so in einen neuen Markt zu kommen bzw. einen neuen zu eröffnen.
Der Markt der Bürger, die mit gutem Gewissen fair gehandelten Kaffee kaufen und saufen wollen, damit sie sich für bessere Menschen halten können.

Das Problem an der Sache ist nur, dass an Tchibo für immer Blut klebt.
Ich finde, bevor man solch einem geldgeilen, ausbeuterischen Laden das Recht gibt sich saubermännisch zu geben sollten die doch erstmal Entschädigung zahlen für die Zeit, in der sie die Bauern ausgebeutet haben.
Diese Scheinheiligkeiten mit der man auf einmal versucht sich als das gute Unternehmen hinzustellen sind einfach nichts weiter als jämmerlich.
An sich muss man schon sagen, dass das eine gute Entwicklung ist, aber die Gründe, aus denen eine solche Firma so etwas betreibt sind einfach verwerflich. Erst wenn man sich durch sowas einen Vorteil verschaffen kann, kommt die Wirtschaft in Bewegung und setzt es um.

Leider ist das hier auch nur ein weiteres, trauriges Beispiel für diese moralisch verkommene Wirtschaft.
Ich muss sicher keinem erzählen, dass die Leute, die dafür verantwortlich sind, die selben sind, die Arbeiter auf Kaffeeplantagen schlecht bezahlen, wie die, die Zeitarbeiter in Deutschland einstellen für einen Bruchteil des Geldes, den ein fester Mitarbeiter des Betriebs bekommt. Denn das, was bei den Dritte Welt Ländern gemacht wird, das machen solche Konzerne genau so auch vor der eigenen Haustür, im Land der Herkunft, und deswegen sollte uns das interessieren. Deswegen sollten wir solch ein Verhalten verurteilen.
Aber wer hat schon den Arsch in der Hose in einen Tchiboshop zu gehen und den Verkäufern ins Gesicht zu spucken?
Jetzt werden sicher einige denken: die können doch nichts dafür. die haben keine Schuld an der Sache. Aber würde es hier um die Verkäufer von Nerzpelzen gehen, würden die Leute anders denken.
Jeder, der an diesem Komplex der Ausbeutung teilnimmt macht sich mitschuldig und leider ist das jeder von uns.
Keiner von uns kann sich freisprechen, denn ihr alle habt schon Kaffee getrunken, der für kleines Geld aus Übersee eingekauft wurde. Aber sollten wir deswegen alle schweigen?
Die Sache mit der Kaffeeindustrie ist nur ein Baustein im Imperialismus der Wirtschaftselite und Tchibo ist auch nur ein relativ kleiner Verbraucher, aber sollte man ihn deswegen laufen lassen?

Würde Tchibo Kokain verkaufen, dann würde selbst in der Schule thematisiert werden, dass hier die Erzeugerländer der Drogen einen minimalen Anteil am Gewinn erhalten und somit am Existenzminimum leben, und dass das verwerflich ist.
Aber solange es um ein in der Gesellschaft anerkanntes Produkt geht finden wir höchstens auf dem dritten Programm eine Dokumentation dazu. Aber in dern RTL-Nachrichten kommt lediglich Marc Medlock, wie er eine Kontrolleurin am Flughafen als Fotze bezeichnet hat.

So, und jetzt könnt ihr euch alle überlegen, wo das überall so ist und bei der Kleidung, die ihr am Leibe tragt könnt ihr mal anfangen. Macht euren Schrank auf, seht euch an wer es hergestellt hat und dann erforscht mal wie und wo das hergestellt wird.

In dem Sinne: "Der Teufel steckt im Detail".
DS! ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.11.2008, 06:54   #2
weiblich IsabelG
 
Benutzerbild von IsabelG
 
Dabei seit: 10/2008
Ort: eschwege
Alter: 41
Beiträge: 533

Hi DS!,

Also erstmal ein Lob, ich finde deinen Text sehr gelungen. Sehr überzeugend und durchdacht geschrieben.
Nun mal zum Inhalt. Naja was du hier schreibst ist den meisten nicht neu, zumindest mein ich das. Es ist natürlich immer gut es anderen wieder klar ins Gedächtnis zu rufen, immer wieder zu Thematisieren damit es in nicht im Alltag untergeht.
Natürlich würd ich mir sehr gerne gleich alle Klamotten vom Leib reißen und Nackt durch die Welt laufen, denn sei doch ehrlich, fast alles wird heutzutage durch Ausbeutung eines 3. Weltlandes produziert. Noch nichtmal Kleiderspenden, sind "Kleiderspenden" sie werden in Afrika auch noch für einen Wucherpreis verkauft. Naja und zum anderen, ich weiss nicht wie lange ich noch meinen Arbeitsplatz hätte, würde ich dort morgen Nack erscheinen...traurig aber wahr, auf sowas Achten die dort.
Man kann nur etwas Achtsamer durch die Welt gehen, ganz vermeiden lässt es sich fast nicht dass mein BH von H&M in Indien für einen Hungerlohn produziert wurde und an dem auch noch der Schweiss von Kindern klebt. Aber gut ohne BH kann ich auskommen (glaub ich zumindest) ein Kompromiss.
Ach und wenn ich genug Elan und Zeit hätte dann würde ich schon längst alles selbst Schneidern und den Stoff selbst Weben und mir Ziegen anschaffen die mir die Wolle geben. Fragt sich nur wo bring ich die Ziegen Artgerecht unter :?:
Dein Text hat mich auf alle fälle zum Nachdenken gebracht. Danke.

Viele Liebe Grüsse, Isabel
IsabelG ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.11.2008, 18:38   #3
weiblich Orange
 
Benutzerbild von Orange
 
Dabei seit: 04/2007
Ort: dort, wo Orangen vom Schreibtisch gepflückt werden...
Alter: 32
Beiträge: 92

Hi!
Ich bin ja begeistert von dieser "Werbung nach Stichworten"! Echter Unterhaltungswert. Vorallem bei dem Text.
So jetzt zu deinem Text. Irgendwie kann ich nicht ganz den Zusammenhang zwischen Titel und Text erkennen. Wieso "im Detail"? Da müsstest du mehr wirklich auf die "Kleinigkeiten" eingehen und nicht auf das was jeder ohnehin weiß. Das ist es sowieso was mich hauptsächlich an deinem Text stört: eigentlich ist alles was du sagst altbekannt. Jeder weiß das man eigentlich nichts mehr kaufen kann. Gut finde ich dass du die Schlüsse die du aus den reinen Fakten ziehst etwas mehr radikalisierst und mit ähnlichen Beispielen veranschaulichst. Mir persönlich ist deine Sprache etwas zu umgangssprachlich.
Sonnige Grüße
Orange
Orange ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Der Teufel steckt im Detail




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.