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Humorvolles und Verborgenes Humorvolle oder rätselhafte Gedichte zum Schmunzeln oder Grübeln.

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Alt 31.08.2012, 13:42   #1
männlich Fridolin
 
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Standard Vertigo - Aus dem Reich der Toten

Die Sonne schwand. Im fahlen Abendlichte
kam mir der Geist Professor Schlurchs*) entgegen.
Die Arme ausgebreitet wie zum Segen.
sprach er mich an mit lächelndem Gesichte:

"Ich kam vorbei und hörte dich Gedichte
laut deklamieren auf den Wanderwegen.
Das hat dir in der Schule schon gelegen,
du reimtest selbst in Mathe und Geschichte.

Schon damals knüpften wir uns feste Bande,
so dauerhaft, dass ich aus nächtger Ferne,
als froher Gast an deine Seite eile,

denn herrlich ist's bei dir im Schwabenlande.
Blick ich zum Himmel, lächeln mir die Sterne,
im Jenseits sterb ich fast vor Langeweile."

*) Fridolins Lehrer und Mentor
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Alt 01.10.2012, 11:49   #2
weiblich Poetibus
 
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Hallo, Fridolin,

dein Sonett "schlummert" ja ganz unkommentiert vor sich hin. Ich finde es wirklich gelungen, auch nach formalen Gesichtspunkten.

Vor allem der letzte Vers hat es mir wirklich angetan, ich habe laut aufgelacht beim Lesen.

Die Formulierung ist einfach "perfekt". Professor Schlurch kam als Geist zurück, da er im Jenseits fast vor Langeweile stirbt. Diese Idee muss ein Autor erst mal haben.

Das Gedicht wirkte auf mich zunächst eher "leicht melancholisch, wenn auch heiter", aber dann die Conclusio -

Wobei dieser Vers ein wenig "unzusammenhängend" mit dem vorhergehenden Inhalt ist, aber ich stelle mir vor, dass diese Aussage dem guten Professor "einfach entschlüpft" ist und er es unbedingt einmal jemandem "sagen" musste. Von dieser "Perspektive" aus betrachtet, passt es dann schon.

Kurz noch: In Strophe 1, Vers 3 hast du dich vertippt, da ist ein Punkt zu viel, und "nächtger" ist die einzige Stelle, wo mir die Elision beim Lesen doch etwas auffällt, aber das ist nur eine Anmerkung, da nur mein persönlicher Geschmack.

Mit Vergnügen gelesen!

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 01.10.2012, 12:21   #3
männlich Fridolin
 
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Beiträge: 1.026

Hallo Poetibus,

ich freue mich, dass du dich meines noch unkommentierten Gedichtes angenommen hast und danke herzlich dafür.

Mein Professor Schlurch ist mir über den Tod hinaus verbunden. Ich habe schon viele Gedichte über ihn geschrieben und er ist oft bei mir in Gedanken zu Gast. Professor Schlurch hat mir schon in jungen Jahren von einer seltsamen Gepflogenheit Goethes berichtet, die er vom großen Meister übernommen habe. Im dreizehnten Buch von "Dichtung und Wahrheit" schreibt Goethe darüber, von sich in der dritten Person. "Er war dahingekommen", schreibt Goethe, "zweistimmig denken zu können: Wenn er eine wichtige Frage vor sich hatte, so lud er, aber nur in Gedanken, einen Bekannten zu sich und besprach mit ihm die Sache so, als ob er leibhaftig zugegen wäre. Solche Übungen, Selbstgespräche umzuwandeln in Zwiegespräche, kamen seinem dramatischen Schaffen gar sehr zugute."

So mache ich es auch, nur dass es bei mir keine lebenden Personen sind, sondern eben mein Professor ist. Mein Gedicht ist während meines Therapieurlaubs auf der Schwäbischen Alb entstanden, wo mir mein Professor auf meinen Wanderwegen entgegen kam. Ich hatte mich damals auf einen Vortrag mit Gedichten von Eduard Mörike vorbereitet, die ich während meiner Wanderung memorierte. Das hat eine Bekannte, die mich in einem Park deklamieren hörte, veranlasst, meine Frau zu fragen, ob bei mir noch alles in Ordnung sei.

Mein Gedicht hat nun übrigens folgende Fassung; der letzte Satz klingt nur so dahingesagt, ich finde ihn aber besonders pfiffig, so richtig Schlurch.

Die Sonne schwand. Im fahlen Abendlichte
kam mir der Geist Professor Schlurchs*) entgegen.
Die Arme ausgebreitet wie zum Segen
sprach er mich an mit lächelndem Gesichte:

"Ich kam vorbei und hörte dich Gedichte
laut deklamieren auf den Wanderwegen.
Das hat dir in der Schule schon gelegen,
du reimtest selbst in Mathe und Geschichte.

Schon damals knüpften wir uns feste Bande,
so dauerhaft, dass ich aus Weltenferne
dein Erdenleben heimlich mit dir teile,

denn herrlich ist's bei dir im Schwabenlande.
Blick ich zum Himmel , lächeln mir die Sterne.
Im Jenseits sterb ich fast vor Langeweile."

*) Fridolins Lehrer und Mentor

LG Fridolin
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Alt 01.10.2012, 12:31   #4
weiblich Poetibus
 
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Beiträge: 562

Hallo, Fridolin,

ich denke, Professor Schlurch muss wirklich jemand ganz Besonderes gewesen sein.

Da du jetzt die endgültige Fassung in deinem Kommentar mit eingestellt hast, wollte ich dir gerne noch eine Rückmeldung geben.

So, wie es jetzt ist, gefällt es mir noch besser, durch die Änderung hat es (meiner Meinung nach) dazugewonnen.

Freundlichen Gruß,

Poetibus
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Alt 01.10.2012, 14:45   #5
Thing
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Vertigo?

Wer ist vom Schwindel befallen?
Die Zweitfassung ist unnachahmlich gut!


Lieben Gruß aus dem Diesseits
von
Thing
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Alt 01.10.2012, 16:43   #6
männlich Fridolin
 
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
Vertigo?

Wer ist vom Schwindel befallen?
Die Zweitfassung ist unnachahmlich gut!


Lieben Gruß aus dem Diesseits
von
Thing
Lieber Thing,

Vertigo ist eine Anspielung auf den Klassiker von Hitchcock "Vertigo - Aus dem Reich der Toten", ich habe mir früher keinen Hitchcock entgehen lassen, der Meister ist bis heute unübertroffen.

Danke für dein Lob!

LG Fridolin
Fridolin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.10.2012, 17:10   #7
Thing
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Beiträge: 34.998

Zitat:
Zitat von Fridolin Beitrag anzeigen
Lieber Thing,

Vertigo ist eine Anspielung auf den Klassiker von Hitchcock "Vertigo - Aus dem Reich der Toten", ich habe mir früher keinen Hitchcock entgehen lassen, der Meister ist bis heute unübertroffen.


Das weiß ich ja.
Aber ich konnte leider keinen Zusammenhang erkennen.
Oder hat Professor Schlurch geschwindelt, wenn er Dir zeigt, daß er vom langweiligen "Droben" auf Dich herabschaut?

Bin halt alt.
("Frenzy" war mein Lieblings-Hitchcock)

Lieben Gruß
von
Thing
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Alt 01.10.2012, 17:33   #8
männlich Fridolin
 
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
Bin halt alt.
ich hab dir einige Jährchen voraus, bin bald ein Mittsiebziger.

LG Fridolin
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