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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 18.04.2017, 15:37   #1
männlich Eisenvorhang
 
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Standard Heimatlieder #1

Eingeengt von Häuserschwarten
zieht die Straße durch das Dorf.
Trauervolles Tagerwarten
säumt früh morgens schwarzen Torf.

Durch die spitze fliehnde Enge,
plätschert leis die Morgenstunde.
Mit der ersten Sonnenstrenge,
raucht der Reif die blaue Kunde.

Aus den Fenstern kläffen Klänge,
triebig sabbert Nachbarshund
und der Bauer ulmerts Kraut
seiner braunen Tabakstund.

In der Weite türmt der kühle
Brutalist den ich so mag.
In mir tönt skandierte Schwüle,
die mir einst in Versen lag.

Heimat ist die Welt in Scheiben,
die ich mir so lieb bewahrt!
Heimat ist Melancholie
fremd war ich allhier noch nie.

Geändert von Eisenvorhang (18.04.2017 um 16:54 Uhr)
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Alt 20.04.2017, 01:00   #2
männlich Eisenvorhang
 
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Standard Topografische Ortszenen

Der gelbe Blumentopf am Rand
der Straße ist schmal eingebahnt.
Der Kippenautomat geengt
inmitten Anschlagstafeln rein-
gedrängt; er hängt und pflegt und trägt,
der Pfarrersfrau frühes Gebet.

Der Wind verrückt die Lind nach Westen
und trägt die Blätter durch den Tunnel;
urinbestufte Treppen riechen,
abgewrackte Kinder siechen
mit Netto Plastik Rewe Wurst -
Mensch! Hat der Kleine herben Durst..

Trompeten blasens Lied vom Tod
und Glocken läuten Lebensstille.
Der Nachbars Hund frisst fleißig Kot
Ich sprach: "dagegen hilft Kamille";
doch taub warn nicht nur seine Ohren -
jetzt teilen beide sich das Brot.

190417, A v b LE - Zentrum Süd
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Alt 20.04.2017, 01:56   #3
männlich Ex-Ralfchen
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hhhhhh...die dorfgemeinschaft würde bei diesen songs jubilieren und der bürgermeister im dörflichen landhaus mit den süssen ostblockmiezen die spermatozonen-polka tanzen
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Alt 20.04.2017, 22:59   #4
männlich Eisenvorhang
 
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Standard Topografische Ortszenen #3 /regionales leuchten

Danke für Deinen comment Ralf.

vlg


Regionales Leuchten

Der Schnee
liegt neben dem Abfalleimer
am Bolzplatz.
Einsam und allein versinkt
alles im Nebel. Nur
die grünen Fangnetze leuchten;
schmecken noch salzig verdreckt.

Das Azurgrau des Himmels
läutert die Gefühle
aus der beigen Garagenpassage
des Neubaus heraus.
Die Tore sind verschlossen
und die Häuser müde.
Alles scheint zu schlafen.

Dahinter ein Fuchs.
Der pirscht die Zeit
und die Luft riecht süß
und schmeckt nach
verwässertem Eis.
Eine missratene Idylle.

avbk ffg. LE, 13. 200417
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Alt 20.04.2017, 23:51   #5
männlich dr.Frankenstein
 
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Machst da auch ein Hörbuch draus wenn das mal fertig ist. Oder ein Video wäre noch kalminopikopot mpot.
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.04.2017, 21:50   #6
männlich Eisenvorhang
 
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Hallo DRF

Die Freundin meiner Frau ist Buchbinderin.
Hörbuch? Wieso nicht! Vielleicht mit Bildern? Wieso nicht!
Alles ist möglich.
Ob es jemals fertig wird und ob ich jemals damit weitermache ist ebenso fraglich wie möglich.

Bilder zum blättern, die sachliche Szenen zeigen und dazu Prosa oder Lyrik oder Lyrosa. Wieso nicht! )
Video? Ist mir zu digital - ich mag Analoges!
Vinyl, Negative - vielleicht was mit 8mm

Im Moment experimentiere ich viel.

Ein Ende ist also nicht in Sicht.

Danke für's Lesen.

vlg

EV
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Alt 22.04.2017, 00:35   #7
weiblich Ex-MeineEigeneWelt
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
die grünen Fangnetze leuchten;
schmecken noch salzig verdreckt.
Wer leckt denn die Fangnetze ab??

Hut ab bei #1. Da denke ich gleich wieder an meine beiden Mundartgedichte über mein Dorfleben hier in Bayern. Schön, wirklich schön, was Du schreibst.
Ex-MeineEigeneWelt ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.04.2017, 13:02   #8
Thing
R.I.P.
 
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Eingeengt von Häuserschwarten
zieht die Straße durch das Dorf.
Trauervolles Tagerwarten
säumt früh morgens schwarzen Torf.

Durch die spitze fliehnde Enge,
plätschert leis die Morgenstunde.
Mit der ersten Sonnenstrenge,
raucht der Reif die blaue Kunde.

Aus den Fenstern kläffen Klänge,
triebig sabbert Nachbarshund
und der Bauer ulmerts Kraut
seiner braunen Tabakstund.

In der Weite türmt der kühle
Brutalist den ich so mag.
In mir tönt skandierte Schwüle,
die mir einst in Versen lag.

Heimat ist die Welt in Scheiben,
die ich mir so lieb bewahrt!
Heimat ist Melancholie
fremd war ich allhier noch nie.

Ich sags ja immer: Wer kläfft, gehört nach draußen! Immer dieses Gekläffe aus den Fenstern!
Was bedeutet ulmern?
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Alt 22.04.2017, 13:04   #9
männlich Eisenvorhang
 
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"ulmerts" ist von "Ulmer Kloben" abgeleitet.

vlg

EV
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Alt 22.04.2017, 13:09   #10
männlich Eisenvorhang
 
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Zitat:
Zitat von MeineEigeneWelt Beitrag anzeigen
Wer leckt denn die Fangnetze ab??

Hut ab bei #1. Da denke ich gleich wieder an meine beiden Mundartgedichte über mein Dorfleben hier in Bayern. Schön, wirklich schön, was Du schreibst.
@MEW

Sei bedankt. Ich habe als Kind die Fangnetze abgeleckt. Das war wohl ein Teil der Neugier.
Bitte stelle Deine Mundart Gedichte ein! Ich bin schon neugierig.

vlg

EV
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Alt 22.04.2017, 14:21   #11
weiblich Ex-MeineEigeneWelt
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Beiträge: 1.503

Guckst Du:

Meine eigene Welt in Niederbayern

Die Dorfnachbarschaft
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Alt 22.04.2017, 22:45   #12
weiblich Ex-Letreo71
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Hallo Eisenvorhang,

wie ich dir bereits an anderer Stelle mitteilte, ich mag deine Schreibe, sehr sogar.

@MEW

Schön, die beiden mal wieder zu lesen.

Lieben Nachtgruß

Letreo
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Alt 22.04.2017, 23:08   #13
männlich Eisenvorhang
 
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Zitat:
Zitat von MeineEigeneWelt Beitrag anzeigen
Hallo MEW

wahnsinn! Großen Respekt für diese Worte der Mundart!
Vorallem voran für Dein Alter und Deine Wortgewandtheit. Fürwahr wie schön geschrieben und sprachleidenschaftlich.
Das Sprache nun derart Heimat und Identitätgebunden ist. Ein kleines Element einer großen Schale!
Mach bitte weiter so und stelle hier fleißig ein.

@Hallo Leo

Danke Dir - es freut mich, dass du ein Freund meiner ungeduldigen und überaus faulensigen Sprech bist!
Kurz bevor eine Straße in unsere Ortschaft mündet, steht ein kleines Häuslein als Buswarte. Umsäumt eines kleinen Tannenwaldes und fern der ersten Bürgerlichkeit, wartet es sich dort recht einsam in der Dunkelheit.
Schnell, bevor der Bus angebusst kam, verschrieb ich die Zeit in folgenden Zeilen! Muss es noch korrigieren. Jetzt geht es in das Bett.
Gute Nacht.

Die nachtgesäumte Warte

Dumpfe Waldraumklänge drücken
tote Bäume in den Traum
einer rauen kalten Nacht.
Seltsam ist die dunkle Welt, wo
leise jeder schwere Schatten
dürres Einsamsein erhellt.

Sprich: wo siehst du jene Himmelstränen?
Fließen sie endlos am Rücken lang?
Oder ist es nächtens dunkler Strähnen
Schimmer reifend, der mit seinem Drang,
schreiend aus der dunklen Tiefe: Leid,
Feuer, Eis und Eitelkeit besang?

vlg

EV

Geändert von Eisenvorhang (23.04.2017 um 03:04 Uhr)
Eisenvorhang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.11.2023, 00:13   #14
männlich Eisenvorhang
 
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Standard Irgendwann

Irgendwann, ja irgendwann.
Inmitten all des grünen Grases fand ich Ruhe.
Mal hier und mal dort, stets wechselnd.
Ich konnte nicht erfassen,
die rostbefallenen Nägel am Zaun,
noch das, was
zwanzig Jahre bedeuteten.
Nun aber glänzen
die Nägel neu,
gleich einem Strahl aus silbernem Licht
in der aufgehenden Morgensonne.
Die Jugend von heute,
sie ist mir fremd geworden;
ich kenne keinen mehr. Alles junge Typen,
mit Smartphones statt Fahrrädern.

Damals,
da kannte jeder jeden. „Dor Michel“,
so nannten wir ihn. Er schob sich eine Kiste
Bier und seine Haare in den Rachen.
Denn heute trägt er
eine Glatze, und
mit den Haaren verschwand auch die Erinnerung
an uns. Der Trade war unfair…
Im Suff hatte er mal gekotzt,
sofort danach aber wieder
gelächelt. Er war eine Maschine
mit anschließenden Praktika in Wernesgrün.

Mein Vater, er ging zur Arbeit. Stets viel Arbeit.
Eigentlich kannte ich ihn ja nicht.
Heute, beinahe achtzig Jahre alt,
arbeitet er noch mehr,
lässt sich und mich unbekannterweise bluten.
Mama ist noch Mama. Mama eben.
Sie blutet, weil wir bluten. Macht man
in Familien so.
Der Silvio, auch er ist nicht mehr.
Er ging
zusammen mit seinem Doktortitel
in die Alphastrom-Simulation, um Milton zu suchen. Ein Upgrade.
Eine Kuh aber, wird immer eine Kuh bleiben, -
und der Hannes
besuchte allzu oft die Kirche. Die Bibel wog
schwer. Einige lässt sie verrosten.
Andere lässt sie zurück.
Er nannte es Weiterentwicklung
und sagte Adios! Und ich Amen.

Achja! Es bleibt noch der Jochen.
Er ist jetzt bipolar und strebt
die Ewigkeit an. Oder, immer noch.
Im Grunde genommen ist alles beim neuen Alten.
Halt nur fünfundzwanzig Jahre später.
Das eine bleibt, das andere vergeht.
C’est juste plus silencieux!
Ja, alles ist stiller geworden.
Die Täler formen eine gewölbte
Handfläche, durch welche mein Hoffen und Heim strömt,
getragen von Mutter Erde selbst,
und die Gipfel, sie stehen als Zeugen der Zeit.
Vom Unveränderlichen
hin zur Veränderung.
Ja, irgendwann.
Eisenvorhang ist offline   Mit Zitat antworten
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Lesezeichen für Heimatlieder #1




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