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Alt 21.02.2017, 20:42   #1
männlich Versard
 
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Dabei seit: 12/2014
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Standard Spektieren 1

Ich liege im Bett und spektiere. Ich introspektiere, retrospektiere, disrespektiere und frage mich dann, ob ich diese Worte in diesen Konstellationen überhaupt gibt. Ich beantworte mir meine Frage mit nein und freue mich debil grinsend darüber das ich noch vor dem ersten Keramikkontakt 3 geile Neologismen erschaffen habe.

Ich setze mich auf die Bettkante, wobei meine karierte, aus 95 Prozent Altplastik zusammengedübelte Billigschlafbuchse knistert wie ein Kaminfeuer. Mir tut der Kopf weh. Der Schlaf war unruhig und unterbrochen von kleinen gierigen Zügen an nie vollständig gerauchten Zigaretten. Die auf der Hälfte der Distanz verloschene Zündschnur für die Nagelbombe aus Ideen die, für andere unhörbar, unter dem praktisch kurz geschorenen Haar tickt.

Draußen klopft der Regen an die Scheibe, penetrant, aber doch von milder Mutlosigkeit. Die Glasscheibe ist nicht unzerstörbar. Regen ist nur nicht konsequent. Regen ist der kleine Vorbote eines miesen Tages. Das sanfte "Heute wird's nichts mit dem Glück."

Ich will nicht zum Spiegel. Aber ich muss. Ich blicke in Lachfalten um meine Augen und frage mich: Wann war ich ausgelassen genug, um sie zu verdienen?
Ich wende den Blick ab, putze schweigend die Monumente frühschulischer Demütigungen und nebele mich ein.

Der Tag beginnt mies, wenn alles nach Pfefferminz schmeckt. Eistee Pfirsich schmeckt wie getrunkener em-eukal Sirup. Zuviel Eukal.

Warum ich das schreibe weiß ich auch nicht. Ich hab nichts mitzuteilen. Ich defragmentiere bloß.
Versard ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.02.2017, 20:50   #2
weiblich Ex-Richmodis
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Beiträge: 376

Zitat:
Zitat von Versard Beitrag anzeigen
Warum ich das schreibe weiß ich auch nicht.

Aber ich weiß es. Um Richmodis zum Schmunzeln zu bringen. Und noch was:

An der Zahnpasta soll dein Mut nicht brechen. Es gibt sie auch geschmacksneutral.

Einen besseren Tag wünsche ich dir morgen.

LG
Ex-Richmodis ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.02.2017, 20:56   #3
männlich Versard
 
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Danke vielleicht wird es was
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Alt 21.02.2017, 21:06   #4
weiblich Ilka-Maria
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Beiträge: 31.089

Zitat:
Zitat von Versard Beitrag anzeigen
Ich hab nichts mitzuteilen.
Und ob du etwas mitzuteilen hast! Höchst unterhaltsam und verblüffend talentiert.

LG
Ilka
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Alt 21.02.2017, 22:53   #5
Thing
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Ich schließe mich an.
Defragmentieren ist gut! Also nicht nur auf Computer anwendbar.
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Alt 22.02.2017, 18:31   #6
weiblich Unar die Weise
 
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Beiträge: 5.271

Standard Lieber Versard,

gleichzeitig war ich beim Lesen vergnügt und niedergeschlagen.
Ich mag den Text, kann ihn aber noch nicht in mein Archiv ordnen.
Macht er mich nun ehr traurig, oder erheitert er.
Ich bin verwirrt, wahrscheinlich liest man dies je nach Tagesverfassung anders.
Heute piekt er mich, es regnet, wie soll es dann auch anders sein.

Unar
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Alt 22.02.2017, 20:12   #7
männlich Versard
 
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Danke euch

Ich möchte mich in nächster Zeit ein wenig an Texten versuchen und mein Spektrum erweitern. Die Spektieren-Texte dienen mir ein wenig als Übung. Ich bitte im Vorhinein schon um Nachsicht sollte nicht jeder Text gelingen, aber das ist bei Gedichten nicht anders. Gedichte fallen mir meist leicht, deshalb fordere ich mich einfach ein bisschen selbst heraus.
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Alt 23.02.2017, 16:01   #8
männlich Elysium
 
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Beiträge: 490

Zitat:
Zitat von Versard Beitrag anzeigen
Ich liege im Bett und spektiere. Ich introspektiere, retrospektiere, disrespektiere und frage mich dann, ob ich diese Worte in diesen Konstellationen überhaupt gibt. Ich beantworte mir meine Frage mit nein und freue mich debil grinsend darüber das ich noch vor dem ersten Keramikkontakt 3 geile Neologismen erschaffen habe.

Ich setze mich auf die Bettkante, wobei meine karierte, aus 95 Prozent Altplastik zusammengedübelte Billigschlafbuchse knistert wie ein Kaminfeuer. Mir tut der Kopf weh. Der Schlaf war unruhig und unterbrochen von kleinen gierigen Zügen an nie vollständig gerauchten Zigaretten. Die auf der Hälfte der Distanz verloschene Zündschnur für die Nagelbombe aus Ideen die, für andere unhörbar, unter dem praktisch kurz geschorenen Haar tickt.

Draußen klopft der Regen an die Scheibe, penetrant, aber doch von milder Mutlosigkeit. Die Glasscheibe ist nicht unzerstörbar. Regen ist nur nicht konsequent. Regen ist der kleine Vorbote eines miesen Tages. Das sanfte "Heute wird's nichts mit dem Glück."

Ich will nicht zum Spiegel. Aber ich muss. Ich blicke in Lachfalten um meine Augen und frage mich: Wann war ich ausgelassen genug, um sie zu verdienen?
Ich wende den Blick ab, putze schweigend die Monumente frühschulischer Demütigungen und nebele mich ein.

Der Tag beginnt mies, wenn alles nach Pfefferminz schmeckt. Eistee Pfirsich schmeckt wie getrunkener em-eukal Sirup. Zuviel Eukal.

Warum ich das schreibe weiß ich auch nicht. Ich hab nichts mitzuteilen. Ich defragmentiere bloß.
Versard,

was soll ich sagen? Das phosphoresziert und fließt sprachlich, findet einige beeindruckende Metaphern und Allegorien, hat dabei eine existentialistische Tiefe, die für mich in dem Regen-Absatz voll durschlägt. Wenn das nur Fingerübung ist, lechze ich nach mehr. Du hast Pageturner-Potential. Ist mir egal, ob Du was zu sagen hast oder nicht Vielleicht kultivierst Du einfach das mentale Defragmentieren, Kaffefilter-Leeren? Ich bin dabei.

Nur formal solltest Du nochmal drüberschauen. Kommata-Fehler und so ein paar Tipper haben sich eingeschlichen, bzw. wurden nicht ausgemerzt. Siehe z.B. Absatz 1, wo ein "es" stehen müsste:

Zitat:
Ich introspektiere, retrospektiere, disrespektiere und frage mich dann, ob ich diese Worte in diesen Konstellationen überhaupt gibt.
Insgesamt chapeau,
Elysium
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Alt 24.02.2017, 20:19   #9
männlich Versard
 
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Danke Elysium, der Fehler ist mir durchgerutscht. Und nicht nur der
Versard ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.02.2017, 12:03   #10
männlich Gylon
 
Dabei seit: 07/2014
Beiträge: 4.269

Lieber Versard,
wieder sehr versardisch!
„aus 95 Prozent Altplastik zusammengedübelte Billigschlafbuchse knistert wie ein Kaminfeuer.“
Hier frage ich mich, ob das positiv oder negativ zu verstehen ist! Für mein Empfinden ist da knistern eines Kaminfeuers positiv und dann fällt es für mich aus dem Kontext des Textes. Wenn juckt’s.
Sehr gern gelesen, so wie immer!

Liebe Grüße Gylon
Gylon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.02.2017, 12:47   #11
männlich dr.Frankenstein
 
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Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.468

Erinnert mich an meine Dr. Faust Geschichte, aber verständlicher geschrieben.
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
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