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Alt 02.09.2014, 18:48   #1
weiblich tintenfass
 
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Standard Schatz, du hast noch nie so gut gerochen!

Jedesmal wenn Pabel die Türschwelle zum langen weißen Gang übertritt, kriecht ein muffig fauler Geruch langsam seine Nasenscheidewand hoch. Es sind oft die Gerüche, die ihn in die Vergangenheit reisen lassen. Erst am Sonntag, auf dem Weg zu seiner lieblings Backstube, lief er durch einen eine Parfum Wolke, die ihn an seine alte Arbeitskollegin Rebecca erinnerte. Es war ein Vanille Parfum, eines von diesen schweren Parfums. Eines, vondenen ein kleiner Spritzer genügt, um die Note zu erschaffen, die vermengt mit dem leichten Shampoogeruch der am ersten Tag nach dem Duschen in den Haaren bleibt, einen angenehmen Duft erzeugt. Die meisten Menschen sind dieser Feinabstimmung nicht mächtig, sodass sie einfach aufdringlich stinken. Die Frau allerdings, die einige Meter vor ihm gezielt die Straße überquerte, wusste sich einzuduften, denn es war diese "Haar mischt sich mit Parfum" Note, die von ihr ausging, diese, die auch Rebecca immer durch das Büro verteilte. Auch in der Mimik ähnelte die Frau , die nun mit einem großen Schritt die Bordsteinkante erreichte, Rebecca auf eine unheimliche Weise. Sie hatte diesen entschlossenen Blick, der der Umwelt erklärte, dass man sich zu benehmen hatte. Das man nicht stolpern durfte, nicht zittern, nicht stottern, ja nicht einmal schwitzen! Pabel hatte sein Ziel an diesem Sonntagmorgen kurz vergessen und verweilte für einen Augenblick am Straßenrand, wo der Geruch all diejenigen, die Vanille zugeneigt sind, eine kleine Bereicherung schenkte.

Der Geruch, den er aber jetzt und jedesmal wahrnahm, wenn er durch die Stationstür ging, war nicht im entferntesten an Vanille angelehnt. Schweiß, billiges Discounter Deodorant und Fekalien der Patienten mischen sich zu einem Geruchs-Schwall der Pabel in den ersten Minuten seiner Besuche immer unaushaltbar vorkommt, danach aber wie eine Tapete, die Selbstverstädnlichkeit des Ortes animmt. "Guten Tag Herr Pludowitzk! Sie sehen gut aus! Alles in Ordnung?" lächelt ihn die junge blonde Stationshilfe an. Es ist Melanie, eine zierliche kleine Frau mit einer Stupsnase, die etwas nach links geneigt ist. Eigentlich, überlegt Pabel, ist der Ausdruck Frau nicht zutreffend, eher ist Melanie noch ein Mädchen, ja sie ist noch ein Mädchen beschließt er und wischt sich ein paar Schweißperlen von der Stirn. Er starrt sie wortlos an aber sie gibt ihr aufforderndes Lächeln nicht auf. Dann wendet er sich ab, schreitet weiter durch den Gang und passiert noch ein paar Menschen bis er vor einer Tür stehen bleibt. Zimmer 146. Moment mal... war es wirklich 146? Vielleicht war es auch 148 überlegt er, oder 147...nein...es war keine ungerade Zahl, da bin ich mir sicher...aber es war auch keine 6 eher war es eine 8, naja vielleicht war es doch eine 6 und ich dachte es seine 8 weil ich im Gedanken aus der 6 eine 8 gemacht habe, oder andersherum... Pabels Hände klammern sich an seine Manteltaschen, und ein kleiner Schweißrand bildet sich. Er starrt das Zimmerschild an und fährt sich mit seinen nassen Händen durch das Haar, ärgert sich im gleichen Augenblick, in der Überzeugung sein ganzes Haar nun verfettet zu haben, der Arzt würde sicher nun denken, dass er sich nicht die Mühe gemacht habe, sein Haar vor diesem wichtigen Termin zu waschen. Da öffnet sich schon die Tür vor ihm und ein großer, kahlköpfiger alter Mann mit großen Ohren bittet ihn herein. Es kommt Pabel vor, als sei Herr Dombka gewachsen.
"Herr Pludowitzk! Sie sehen gut aus ! Wie geht es ihnen?"
Pabels Auge zuckt. Haben sich denn alle gegen ihn verschworen? Natürlich sieht er nicht gut aus. " Sie sind nun schon einige Monate wieder in Freiheit, und wir sind froh eine so gute Entwicklung beobachten zu können! Wie geht es ihrer Frau? " Pabels Auge zuckt erneut. " Wir sind übereingekommen und können nun ihre Medikation herunter setzen, wenn sie dieses Anliegen weiterhin verfolgen!". Es dämmert bereits, als Pabel die Klinik verlässt. Wie bei jedem seiner Besuche, zieht er sich einen Coffee to Go beim Automaten in der Cafeteria, bevor er in sein Auto steigt um die Heimreise anzutreten. Eigentlich weiß er, das dass kein richtiger Kaffee ist, er riecht wie eine Suppe aus Wasser und vertrockneten Bohnen, doch dieser Angewohnheit konnte er sich noch nicht entziehen. Es ist kein Vergleich zum Geruch seiner Wohnung. Pabel hält die Luft an, wenn er seine Türschwelle überschreitet. Er nimmt einen letzten Schluck seines Caffees und öffnet langsam wieder seine Atemwege. Vertrocknetes Blut und vergammeltes Fleisch haben dutzend Fliegen und anderlei Getier angelockt. "Schatz, du hast noch nie so gut gerochen!"
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frauen, klinikprobleme, parfum

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