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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 02.08.2016, 00:49   #1
weiblich Taro
 
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Standard Der Tanz

Es ist schwarz, die Nacht beginnt,
die dunklen Linden wiegen im Wind,
hell erleuchtet von Straßenlaternen,
die man jetzt sieht, von Nahem, im Fernen.

Insekten schwirren um das Licht,
sie summen, brummen, sind erpicht
auf die Wärme, auf das Helle,
es zieht sie an, das Blendende, Grelle.

Das heiße Glas verbrennt das Vieh,
es wird gebrochen von Schizophrenie -
daraus lernen wird es niemals,
für immer gefangen im einsamen Balz.
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Alt 02.08.2016, 01:16   #2
weiblich Ilka-Maria
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Wieder so ein genialer Text, der mich aus den Socken haut, zumindest was die ersten beiden Strophen betrifft.

Wenn es schwarz ist, beginnt die Nacht. Das ist scharf beobachtet, denn dann hat die Nacht schon alle Mühe hinter sich und muss nicht noch - sagen wir - tiefschwarz werden, ungefähr so schwarz wie in einem unbeleuchteten Bergwerksgang, in dem man die eigene Hand fünf Zentimeter vor den Augen - pardon: vor den eigenen Augen - nicht mehr sieht. Da hast Du wirklich das richtige Maß gefunden. Und dass Linden, die von Laternen beleuchtet werden, trotzdem dunkel sind, ist ja wohl, wenn man es von der poetischen Seite beurteilt, so klar wie die Sonne am hellichten Tag. Das ist schon mal messerscharf denjenigen simplen Gemütern zu verklickern, die Tag und Nacht durch die Gegend stolpern und von der Schönheit der Welt nichts mitkriegen.

In der zweiten Strophe kommt die Dummheit der Insekten sehr schön zum Ausdruck. Sie orientieren sich eigentlich am Himmel und am Licht der Gestirne, lassen sich jedoch völlig orientierungslos durch menschliche Erfindungen dazu verleiten, sich die Flügel zu verbrennen. Das ist in seiner ganzen Tragik sehr poetisch und kann nicht stark genug betont werden, was ja auch durch "Helle", "Blendende" und "Grelle" sehr gekonnt zum Ausdruck kommt. Insekten sind nun mal nicht sehr helle, und deshalb muss ihnen das Helle beigebracht werden.

Bei der letzten Strophe verlassen mich allerdings die guten Geister, denn ich habe nie Kühe, Stiere oder Ochsen von einem heißen Glas verbrennen sehen, abgesehen davon, dass sie für die Fliegerei untauglich sind. Das haben allenfalls Brandeisen geschafft - also die Röstarbeit, nicht das Fliegen -, und das war auch nur in gewissen Orten zu gewissen Zeiten der Fall. Auch ist mir nicht bekannt, inwieweit BSE mit Schizophrenie zusammenhängt. Dafür entschädigt aber ein so souverän gebildeter Reim wie "niemals/Balz". Darauf zu kommen könnte sich selbst der ausgebuffteste, in die Literaturgeschichte eingegangene Poet etwas einbilden.

Fazit: Ein nicht schlüssiges, aber im Ansatz gelungenes Gedicht.

Die dritte Strophe würde ich an Deiner Stelle nochmal überdenken.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.08.2016, 09:25   #3
männlich Nöck
 
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Liebe Taro,

die Idee ist gut, sie muss nur poetischer "bedichtet" werden. Straßenlaternen, z.B. klingt ziemlich banal und dass man sie sieht, ist logisch und muss nicht erwähnt werden.

Ich habe an deinem Gedicht herumgebastelt und teilweise auch die Silbenzahl verändert - du erinnerst dich - laut vorlesen.


Die Sonne sinkt, die Nacht beginnt,
die Linden schlafen wiegend im Wind,
im Schein der Laternen,
von Nahem, im Fernen.

Insekten umschwirren das gleißende Licht,
die tödliche Hitze hindert sie nicht.
Sie folgen beharrlich und blind dem Instinkt,
bis eins nach dem andern zum Erdboden sinkt.

Die dritte Strophe - weg damit.

Oft kannst du für ein Wort, das zu banal ist, ein viel aussagefähigeres Synonym finden.

Schau mal hier:

http://synonyme.woxikon.de/synonyme/unbeirrt.php


Auch für den passenden Reim gibt es Hilfe:

http://www.2rhyme.ch/Reimt-auf/eck/s/1


Da hilft nur üben, üben und immer wieder laut vorlesen und korrigieren usw. Nimm dir mal dir bekannte Gedichte als Vorlage und versuche, genau in diesem Rhythmus (Silbenzahl, betonte und unbetonte Silben, männliche und weibliche Endungen) ein eigenes Gedicht zu schreiben. Mir hat's geholfen.

Liebe Grüße
Nöck
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.08.2016, 09:31   #4
Thing
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Beiträge: 34.998

korrekt: die Balz
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Alt 05.08.2016, 20:50   #5
weiblich Taro
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Bei der letzten Strophe verlassen mich allerdings die guten Geister, denn ich habe nie Kühe, Stiere oder Ochsen von einem heißen Glas verbrennen sehen, abgesehen davon, dass sie für die Fliegerei untauglich sind. Das haben allenfalls Brandeisen geschafft - also die Röstarbeit, nicht das Fliegen -, und das war auch nur in gewissen Orten zu gewissen Zeiten der Fall. Auch ist mir nicht bekannt, inwieweit BSE mit Schizophrenie zusammenhängt. Dafür entschädigt aber ein so souverän gebildeter Reim wie "niemals/Balz". Darauf zu kommen könnte sich selbst der ausgebuffteste, in die Literaturgeschichte eingegangene Poet etwas einbilden.

Fazit: Ein nicht schlüssiges, aber im Ansatz gelungenes Gedicht.

Die dritte Strophe würde ich an Deiner Stelle nochmal überdenken.
Hallo Ilka,
danke für deine Rezension, habe mich sehr darüber gefreut!
Zu der dritten Strophe: Mit dem Vieh meinte ich nicht das bezeichnende Vieh wie Kühe usw, sondern einfach ein Fliegen-Vieh(ch), so kann man es ja auch nennen. Denke ich.
Und mit der Schizophrenie meinte ich die Zwiespältigkeit des Tieres - sich von etwas angezogen fühlen, das es töten wird.
Gut möglich, dass die Worte "Vieh" und "Schizophrenie" hier ein wenig unglücklich gewählt sind und nicht verständlich wird, was damit gemeint war... Also danke, dass du es angesprochen hast!
Ich hoffe, jetzt wird der Sinn der dritten Strophe ein wenig deutlicher.
Ansonsten danke ich dir; auch für die Komplimente und deine Mühe.

Beste Grüße!
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Alt 05.08.2016, 20:55   #6
weiblich Taro
 
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Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Liebe Taro,

die Idee ist gut, sie muss nur poetischer "bedichtet" werden. Straßenlaternen, z.B. klingt ziemlich banal und dass man sie sieht, ist logisch und muss nicht erwähnt werden.

Ich habe an deinem Gedicht herumgebastelt und teilweise auch die Silbenzahl verändert - du erinnerst dich - laut vorlesen.


Die Sonne sinkt, die Nacht beginnt,
die Linden schlafen wiegend im Wind,
im Schein der Laternen,
von Nahem, im Fernen.

Insekten umschwirren das gleißende Licht,
die tödliche Hitze hindert sie nicht.
Sie folgen beharrlich und blind dem Instinkt,
bis eins nach dem andern zum Erdboden sinkt.

Die dritte Strophe - weg damit.

Oft kannst du für ein Wort, das zu banal ist, ein viel aussagefähigeres Synonym finden.

Schau mal hier:

http://synonyme.woxikon.de/synonyme/unbeirrt.php


Auch für den passenden Reim gibt es Hilfe:

http://www.2rhyme.ch/Reimt-auf/eck/s/1


Da hilft nur üben, üben und immer wieder laut vorlesen und korrigieren usw. Nimm dir mal dir bekannte Gedichte als Vorlage und versuche, genau in diesem Rhythmus (Silbenzahl, betonte und unbetonte Silben, männliche und weibliche Endungen) ein eigenes Gedicht zu schreiben. Mir hat's geholfen.

Liebe Grüße
Nöck
Hallo Nöck!

Vielen lieben Dank, deine Version des Gedichtes gefällt mir sehr.
Du hast schon recht, ich habe wenig dichterische Kreativität einfließen lassen, was die Wortwahl betrifft, dafür mehr, was den Inhalt angeht. Du hast beides in einem geschafft. Kurz und knapp hast du voll Poesie das ausgedrückt, an dem ich mich gestoßen habe. Du siehst, ich brauche wirklich noch Übung. Aber genau dafür ist das Portal ja da: also danke für deine Kritik und die Empfehlungen. Die Seite für die Synonyme kenne ich sogar, verwende sie nur selten... vielleicht sollte ich doch ab und zu mal darin Hilfe suchen...

Einen schönen Abend und einen guten Start ins Wochenende!

Liebe Grüße
Taro ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.08.2016, 20:55   #7
weiblich Taro
 
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
korrekt: die Balz
Wohl wahr... danke dir!
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Alt 05.08.2016, 21:01   #8
Thing
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Gern geschehn!
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Alt 05.08.2016, 21:16   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Taro Beitrag anzeigen
Mit dem Vieh meinte ich nicht das bezeichnende Vieh wie Kühe usw, sondern einfach ein Fliegen-Vieh(ch), so kann man es ja auch nennen.
Das denke ich nicht. Für mich sind das Insekten, die als Gefleuch und Geschmeiß, aber niemals als Viech und schon gar nicht als Vieh bezeichnet werden. Sie haben kein Euter, keine Hörner, fressen kein Heu und kalben nicht, weiden nicht auf Wiesen, haben kein schwarz-weißes oder braun-weißes Fell, keine freundlichen Augen und keine Locken auf der Stirn, die nach Milch riechen.

Du gehst mit Begriffen reichlich locker um.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.08.2016, 21:29   #10
weiblich Taro
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Das denke ich nicht. Für mich sind das Insekten, die als Gefleuch und Geschmeiß, aber niemals als Viech und schon gar nicht als Vieh bezeichnet werden. Sie haben kein Euter, keine Hörner, fressen kein Heu und kalben nicht, weiden nicht auf Wiesen, haben kein schwarz-weißes oder braun-weißes Fell, keine freundlichen Augen und keine Locken auf der Stirn, die nach Milch riechen.

Du gehst mit Begriffen reichlich locker um.
Ja, wie gesagt, kann sein, dass der Begriff doof gewählt war
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