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Alt 17.08.2021, 12:39   #1
weiblich Verborgene Sehnsucht
 
Dabei seit: 08/2021
Beiträge: 2


Standard Dunkle Zuversicht (Romananfang)

Kapitel 1 - Es wird immer zu spät sein

Lauer Wind umwehte meinen Schal und man hört das Rascheln der Blätter auf dem Boden mit jedem Schritt den ich setze. Es war Herbst, die Bäume standen aufgereiht majestätisch in ihrem prächtigen Farbenkleid am Straßenrand und warfen durch das schmale Sonnenlicht einen Schatten auf die breite Straße. Mein Atem ging schwer, die kühle Luft erschwerte mir ein normales Luftholen, ich war quer durch die Stadt geeilt, um alles rechtzeitig zu schaffen. Ein kurzer Blick auf meine Uhr am Handgelenk bestätigte mir meine Annahme: 10:57 Uhr, die Zeit wurde knapp, aber ich wusste, dass ich keinen weiten Weg mehr haben würde. Meine kalten Finger umklammerten den weißen Umschlag, von ihm hing mein Leben ab.
Im Laufschritt lief ich also um die Ecke und blieb abrupt stehen: Dort stand sie plötzlich. Die Person, die ich eigentlich nie wiedersehen wollte. Was tat er hier? Warum gerade jetzt? Meine Gedanken überschlugen sich, bis seine Stimme mich aus meiner starren Position riss: „Maelle, bist du das?“. Erschrocken blickte ich auf während er immer näherkam, das konnte doch nicht sein. Mein Blick haschte zu dem Gebäude hinter ihm, der hässliche, graue Betonklotz den jeder in der Stadt fürchtete, weil niemals jemand wieder hinauskam, wenn er einen Schritt reingesetzt hatte. Der Klotz ragte unübersehbar in den Himmel und sah selbst von außen wie ein Gefängnis aus – jetzt war dieser vielleicht mein einziger Zufluchtsort vor ihm, welch eine Ironie. Ich hatte keine andere Wahl, ich presste den Umschlag näher an meinen Körper und setze zu einem letzten Sprint an, keuchend lief ich an ihm vorbei, er erwischte den Zipfel meines Mantels mit seinen Fingern. Nein ! Ich wand mich und riss mich los– sein Versuch, mich aufzuhalten scheiterte. Mit Schwung stieß ich die schwere Stahltür zum Eingang auf, ließ sie mit einem Knall hinter mir zufallen und sank hinter der Tür auf den Boden, hielt mein pochendes Herz welches mir drohte aus der Brust zu springen.

Der kurze Moment auf dem Boden gab mir die Möglichkeit, mich ein wenig umzusehen. Die Eingangstür war für jeden offen zugänglich, doch in der Halle in der ich mich gerade befand gingen erst die Gänge ab, besonders einer stach mir ins Auge: er ging zum Empfang und der Kontrolle, wenn man einen Bekannten in seiner Zelle besuchen durfte. Das Licht dort war gedimmt, eine mürrische Wache hat mittlerweile den Blick auf mich geworfen und bewegte sich auf mich zu. „Maelle, lass mich mit dir reden“, gleichzeitig näherte sich seine Stimme von hinten. Das durfte jetzt nicht passieren, nicht so kurz vor der lebensrettenden Abgabe des Briefes. Also rappelte ich mich auf und stürzte an der Wache vorbei zum Empfang, jetzt konnte mich sowieso nichts mehr vor meinem vorbestimmen Schicksal retten.

Der Empfang lag am Ende des düsteren Ganges und bestand nur aus einem Tresen, der lieblos in die Mitte gestellt wurde – hinter dem Glas eine Frau mit Hornbrille, die versunken in Akten war. Der Tresen gab den Blick auf den dahinterliegenden Gang frei – die Vernehmungsräume – das Licht begann zu flackern und verlieh der Situation eine unangenehme Note. Nervös wie ich war trat ich von einem Bein auf das andere und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Auf mein Räuspern hin hob die Frau genervt ihren Kopf „Was gibt’s?“.
„Es geht um meine Einweisung, ich habe hier die Beweise der Zeugen, die das wiederlegen“ murmelte ich – simultan war ein Aufziehen und Zufallen der Eingangstür im Hintergrund zu vernehmen. Bei dem Wort „Zeugen“ blickte die Frau auf einmal schnell auf, „Maelle Bernard?“, ihre Stimme war ein nerviges Piepsen. „Ja, das bin ich“. Daraufhin griff die Frau griff zu dem Telefon auf dem Tisch und sprach mit vorgehaltener Hand in den Hörer. Was passiert hier? Ich sollte nur den Brief abgeben und würde dann freigesprochen werden – so hat es mir der Herr am Telefon erklärt gehabt. In mir machte sich ein mulmiges Gefühl breit welches nicht besser wurde, als sich in dem Gang hinter dem Tresen eine Tür öffnete und ein großer, breiter Mann mit zurückgegelten Haaren heraustrat. Schritte ertönten, nicht nur vor mir, sondern jetzt auch hinter mir – seine Schritte. Fast zeitgleich kamen beide Männer bei mir an, der Mann aus dem Gefängnis hatte einen penetranten Geruch um sich schweben, der in mir fast einen Würgereiz ausgelöst hätte.
Er packt mich am Arm „Mitkommen“ und richtete dann mit starrer Mine seinen Blick auf Elias, der gerade zu uns aufschloss. „Lasst sie los, sie meinte es nicht so“ sprach er und fuhr sich angespannt durch die Haare – das war eine Gewohnheit von ihm. Der Gefängniswärter schüttelte den Kopf, „Es ist zu spät, der Zeugenbrief liegt uns schon vor“. Elias trat einen Schritt auf uns zu, doch ich wurde mitgerissen während zwei herbeigeeilte Wachen ihn im Schach hielten. „Nein“, schrie er, doch es war zu spät, ich wurde schon durch den düsteren Gang geschliffen, genau wie beim ersten Mal. Ich wusste nur, diesmal würde es keinen Weg heraus geben. Warum wollte Elias mir jetzt helfen? Schon wieder? Nachdem er es war, der mich praktisch wieder aus dem Gefängnis geholt hatte, beförderte er mich auch wieder hinein. Lag ihm jetzt also doch noch ein bisschen mehr an mir, als er immer vorgab? Vielleicht steckte hinter seiner kalten Fassade die er brauchte, um für die Regierung zu arbeiten, doch mehr als ich zu sehen bekam.
Aber selbst das war jetzt zu spät. Zu spät. So wie alles in meinem Leben. Zu spät wurde ich geboren, zu spät erst konnten meine Großeltern mich aus meiner verrückten Kindheit retten, zu spät war meine Flucht – aber das war letztendlich auch eine glückliche Fügung, niemand sonst hätte den Diskurs mal angestoßen. Um die Welt zu verändern braucht es erstmal eine Person und wenn ich mit meinen Artikeln einen Teil dazu beitragen konnte, das ist mir das recht. Ich bin gewappnet für die Zeit im Gefängnis. Ich bin bereit. All das versuchte ich mir mental einzureden, als ich durch die Tür in den kahlen Vernehmungsraum gestoßen wurde, in dem sich nur ein Holztisch und ein Stuhl befanden und die Tür mit einem lauten „Klack“ hinter mir ins Schloss viel.
„So, dann wollen wir mal, nehmen Sie doch gerne Platz Frau Bernard nach der ganzen Aufregung vorhin können Sie bestimmt auch einen Kaffee vertragen, was meinen Sie?“.
Der Mann vor mir hielt meinen weißen Brief in seiner Hand geöffnet und auf seinem Gesicht lag ein siegessicheres Grinsen.
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