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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 23.07.2021, 00:44   #1
Ex-Pennywise
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Standard Staubrosen und Aschefedern

Der sterbende Sturm schenkt das Schlachtfeld dem Nebel,
der langsam und lautlos die Trümmer bedeckt.
Ein einsamer Stieglitz bricht zögernd die Regel
der Stille, die Federn mit Asche befleckt.

Von ewiger Treue zur harten Bandage,
im Krieg und der Liebe ist alles erlaubt.
Gemeinsam in Wut durch die letzte Passage,
die Rosen von gestern, am Boden im Staub.

Im holprigen Takt des verbliebenen Windes,
tanzt müde am Bändchen ein Herzluftballon,
entzieht sich dem Blick eines weinenden Kindes,
fliegt über das Chaos und macht sich davon.
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Alt 23.07.2021, 08:40   #2
weiblich Mohrel
 
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Und alles was bleibt, ist Schall und Rauch...
..und der Wind, der sich legt. Man kann ihn fühlen.

Wunderschön geschrieben, lieber Pennywise!

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.07.2021, 09:42   #3
männlich Dionysos von Enno
 
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Standard Lieber Pennywise

das ist wirklich wunderschön geschrieben.. Die Melodie, der Transport des Themas, die Auflösung.. ein Genuß !

Der sterbende Sturm schenkt das Schlachtfeld dem Nebel,

Ist mein Favorit: WAS für ein tolles Bild !

mes compliments

Dio
Dionysos von Enno ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.07.2021, 10:05   #4
weiblich Ilka-Maria
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Insgesamt ein gelungenes, hervorstechendes Gedicht, dessen Verfasser Lob verdient. Vor allem die zweite Strophe ist hervorragend. Mit der ersten Strophe habe ich allerdings ein paar kleine Probleme. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass auf Sturm ein Nebel folgt. Auch bleibt unklar, woher die Asche auf dem Gefieder kommt. Vielleicht hätte eine Formulierung wie "Der sterbende Tag schenkt das Schlachtfeld dem Nebel ..." mehr Raum für Interpretationen gelassen, so z.B. auch ein Brandlegen während des Gefechts. Auch wäre mir ein Wort wie "sachte" poetischer erschienen als "langsam" - aber das ist eine Nebensächlichkeit.

Wunderbar finde ich, dass nicht einfach von einem "Vogel" die Rede ist, was rhythmisch auch gepasst hätte, sondern dass der Autor ihn spezifiziert hat: Nicht irgendein Vogel ist es, sondern ein Stieglitz - ein bunter Vogel, der durch die Asche in tristes Grau verwandelt wird. So entstehen Bilder im Kopf des Lesers.

Sehr schön gemacht.
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Alt 23.07.2021, 11:40   #5
männlich MiauKuh
 
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Na du FiesClown, ;-),

nur ein Spaß, nicht wütend werden.

Ich greife sofort Ilkas Kommentar auf:
Warum sollte ein Sturm der grade verschwindet (Regen, starker Wind, wenigstens Böen) Nebel hervorrufen? Im Dschungel würde das vielleicht gehen, aber da gibt es keine Stieglitze, diese hübschen Clownvögel (:
Ein "sterbender Sturm" der in einen langsamen Nebel übergeht? Ne, das ist kein logisches Bild. Warum handelt es sich hier um eine "Regel der Stille"?
Für noch mehr Alliterationen könntest du
"der Stille, die Federn von Asche befleckt." schreiben.

Ja, ich weiß, ich bin bei dir hier sehr kleinlich und es wirkt bestimmt bissig und hartnäckig von mir auf dich. Aber gemessen an der Kunst mit der das Gedicht von dir verfasst ist, brauchst du das glaube ich, zumindest wenn du noch etwas verbessern möchtest. Und dafür, dass du den Rhythmus locker halten kannst und es rein klanglich sehr schön ist, wirst du sowieso Lob bekommen. Nur ist da ja .. noch mehr, worauf man achtet, wenn man das Gedicht wieder und wieder liest und beginnt, es zu hinterfragen.

In der zweiten Strophe finde ich, dass der letzte Vers als zum Beispiel einzelner Satz stehen sollte. Sonst bleibt für mich unklar, wie die Rosen zu verstehen sind, die da am Boden liegen. Ich las sie mir erst so, als ob die Passagen die Rosen wären, was vollkommener Quatsch ist.

Mittlerweile glaube ich, dass die Zeile bedeuten soll: "Das schöne von gestern ist heute vergangen". Wie wäre ein Gedankenstrich nach:
"Gemeinsam in Wut durch die letzte Passage," ?

Möglicherweise ist diese Strophe auch nur ungünstig angeordnet und es könnte helfen, Vers 1 mit 3 zu tauschen, der Klarheit wegen und natürlich mit einigen wenigen Änderungen. Diese Anmerkung rührt von meinen Verständnisschwierigkeiten her.

Wenn ich zum Beispiel nur die letzten zwei Verse lese:

"Gemeinsam in Wut durch die letzte Passage,
die Rosen von gestern, am Boden im Staub."

verstehe ich nicht, was mit den Rosen gemeint ist oder denke tatsächlich, die Rosen von gestern ist die Passage. Und so ist es ja sicher nicht gemeint. Also hilft vielleicht ein Gedankenstrich? Oder " ... " oder irgendwas mit Interpunktion für die Verdeutlichung.

Zur dritten Strophe:

"Im holprigen Takt des verbliebenen Windes",
das passt für mich nicht mit dem langsamen und lautlosen Nebel aus der ersten Strophe zusammen. Weder ist normaler Wind "rhythmisch" noch abgeschwächter "holprig".

Ansonsten finde ich die Strophe sehr schön geschrieben, wie das gesamte Gedicht sowieso.

Liebe Grüße und schön weiter so,
- Werner
MiauKuh ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.07.2021, 12:11   #6
Ex-Pennywise
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Hallo zusammen,
danke für das bisherige Lob. Ich kann nur kurz antworten. Dass das Gedicht die Metapher eines Kriegsschauplatzes abbildet und den finalen, letzten Streit einer sterbenden Beziehung beschreibt, geht ja deutlich draus hervor. Der Sturm ist hier das Gefecht, der eigentliche Konflikt. Der Nebel beschreibt die Situation danach. Er bedeckt die Trümmer im Innern. Die Narben, wenn man so will.
Der Stieglitz ist ein Vogel, der für Beharrlichkeit steht. Das sagte man ihm früher nach.
Ich hatte wirklich letztens einen vorm Fenster. Wunderhübsch und bunt. Und er singt schön. Dies soll den Zustand beschreiben, in dem man sich die Wunden leckt. Ein paar Flecken bleiben am Anfang. Die im Staub liegenden Rosen von gestern sind dann denke ich klar. Und das mit dem Kind, das ggfs auch noch mit im Spiel ist, erklärt sich glaube ich damit. Ich weiss, dass es sehr metaphorisch ist, aber das war beim Schreiben meine Interpretation. Und ich hab wirklich lange getüfftelt. Ich denke aber, dass da auch weiteres interpretiert werden kann. Es lässt Spielraum.
Ich danke für die Anmerkungen und die konstruktive Kritik. Ich werde mir das heute Abend nochmal genauer anschauen. Habt einen netten Freitag.

Gruß

Pennywise
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Alt 23.07.2021, 13:39   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Pennywise Beitrag anzeigen
Ich weiss, dass es sehr metaphorisch ist, aber das war beim Schreiben meine Interpretation. Und ich hab wirklich lange getüfftelt.
Das ist dir geglückt. Zu erklären gibt es nichts, denn es ist verständlich, was du ausdrücken willst. Auch finde ich, dass der letzte Vers der mittleren Strophe poetisch so durchgehen kann. Ich hätte allenfalls ein Komma gesetzt ("... am Boden, im Staub. ..."); aber das ist Ermessensache.
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Alt 23.07.2021, 14:22   #8
Ex-Pennywise
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Danke Ilka,
Das ist ja letztlich das Schöne an dem was wir tun. Lyrik schreiben und lesen. Jeder entdeckt etwas anderes und interpretiert vielleicht sogar anders. Besonders spannend finde ich dann, wenn mehrere Interpretationen durchgehen können. Hab ich als Leser auch schon oft gehabt. Und eben das mag ich: Wenn es verschachtelt ist und zwischen den Zeilen Raum für eigene Gedanken sind.
Gruß

Pennywise
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Alt 23.07.2021, 23:07   #9
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Mit der ersten Strophe habe ich allerdings ein paar kleine Probleme. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass auf Sturm ein Nebel folgt. Auch bleibt unklar, woher die Asche auf dem Gefieder kommt. Vielleicht hätte eine Formulierung wie "Der sterbende Tag schenkt das Schlachtfeld dem Nebel ..." mehr Raum für Interpretationen gelassen, so z.B. auch ein Brandlegen während des Gefechts. Auch wäre mir ein Wort wie "sachte" poetischer erschienen als "langsam" - aber das ist eine Nebensächlichkeit.

mir geht es dabei genauso wie Ilka. Ich verstehe nur Bahnhof. Abgesehen davon dass da viele schöne Worte zusammengefügt sind zu Metaphern etc. mit dem kann ich nichts anfangen. Das liegt daran dass Textschreiber ganz einfach versuchen etwas ganz besonderes und neues zu entwickeln um neue Bilder entstehen zu lassen nur das gelingt leider nicht immer. und hier schon gar nicht mit diesen Formulierungen

Der Sturm nun verendet, Bluterde im Nebel,
der alsbald die Trümmer mit Schleier bedeckt.
Ein Vogel des Todes zirpt zögernd - die Regel
der Stille gebrochen mit Asche bedeckt.
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Alt 24.07.2021, 00:04   #10
Ex-Pennywise
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Moin Ralfchen,

Vogel des Todes? Der Stieglitz? Also Ilka hat eigentlich geschrieben, dass sie den Kontext durchaus verstanden hat, Ralfchen. Ich glaube, Bahnhof hat sie nicht verstanden.
Ich hab ja (unüblich zwar) relativ deutlich erklärt, was ich mir bei welcher Metapher gedacht habe. Und für mich bleibt es eigentlich stimmig. Ich denke, dass blutrote Erde und ein Todesvogel nichts mit der eigentlichen Botschaft zu tun haben. Es ist schon bewusst der Stieglitz.
Beziehst Du Dich mit dem Geschriebenen lediglich auf zunächst von Ilka erwähnte erste Strophe, oder meinst Du das im Gesamten?

Es grüßt

Pennywise
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Alt 24.07.2021, 04:03   #11
weiblich Ilka-Maria
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Lass dich von Ralfchen nicht auf den Arm nehmen. Er ist ein diplomierter Defätist, klinisch eifersüchtig und unduldsam gegen die Götter neben sich.
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Alt 14.08.2021, 02:48   #12
anamolie
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Oha! Mal ein metrisch sauberes, reisserisches Gedicht. Wow.

Zeile 1 echt Hammer. Kapiere ich auch. Kann Krieg oder Beziehung sein etc. Für was ein Stieglitz steht oder nicht, ist mir zb egal. Beharrlichkeit. Pfff. Egal. Letztlich ein Vogel, Keiner weiss für was er steht, und Keiner liests nach. Aber nicht wirklich wichtig.

Für mich ist eher irritierend, die gesamte letzte Strophe.

Zitat:
Im holprigen Takt des verbliebenen Windes,
Wind der holprigen Takt hat? Unmöglich. Wind fliesst um Alles herum.
Im zögernden Takt, vielleicht. zögern war oben schon, hätte ich durch heiser ersetzt zb. "des verbliebenen Windes", unglücklich. Klingt zu beschrieben. Als hätte man das netteste, beschreibendste Wort gesucht. Gähn.

Zitat:
tanzt müde am Bändchen ein Herzluftballon,
Klingt toll. Aber erinnert mich an Pennywise, den von Es. Plötzlich schwenkt die Schlachten Szenerie in einen Kindergeburtstag, das hat mich gekickt.

Zitat:
entzieht sich dem Blick eines weinenden Kindes,
Finde ich persönlich schwach. Wirklich melodramatisch schwach. Kann ja das gemeinsame Kind sein, aber die starke erste Zeile ist für mich immer weiter gekippt - bis zum Kindergeburtstag. Und endet dann im Kitsch eines davonfliegenden Luftballons, hrmpf. Eine starke After-Schlacht-Szenerie wandelt sich in Kindergeburtstags-Pennywise-Es-Kitsch. Fand ich eklatant schwächelnd im Abgang.

Ansonsten aber, Zeile 1, Hammer, Metrik super, sticht wirklich hervor, kanns aber meinem Gefühl nach nicht bis zum Ende halten, wegen Strophe 3, mE.
anamolie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2021, 07:28   #13
weiblich Mohrel
 
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Standard Guten Morgen zusammen

Zitat:
Zitat von anamolie Beitrag anzeigen
Klingt toll. Aber erinnert mich an Pennywise, den von Es. Plötzlich schwenkt die Schlachten Szenerie in einen Kindergeburtstag, das hat mich gekickt.



Finde ich persönlich schwach. Wirklich melodramatisch schwach. Kann ja das gemeinsame Kind sein, aber die starke erste Zeile ist für mich immer weiter gekippt - bis zum Kindergeburtstag. Und endet dann im Kitsch eines davonfliegenden Luftballons, hrmpf. Eine starke After-Schlacht-Szenerie wandelt sich in Kindergeburtstags-Pennywise-Es-Kitsch. Fand ich eklatant schwächelnd im Abgang.
Na irgendwo muss der Name ja herkommen!

Aber deine Kindergeburtstage, anamolie, möchte ich lieber nicht erleben.

Gerade dieses Bild zum Abschluss finde ich sehr schön! Im Sinne von schön-schaurigtraurig. Schnief.
Schon allein dieses: tanzt müde am Bändchen. Normalerweise hüpfen Kinder ja ständig rum, da tanzt der Luftballon nicht erschöpft am Schnürchen, sondern stampft im Takt bei 100 bpm, und so hört es sich auch an. Hier ist das Bändchen dem Kind bereits aus der Hand geschlüpft und - zack, weg isses. Alles, was dem Kind von dem Spaß zuvor noch bleibt, ist dem Luftballon hinterherzusehen. Und das ernüchternde Gefühl des Verlustes bei nicht vorhandener Möglichkeit, das Entschwindende zurück zu bekommen.
Das ist ehrlicher Herzschmerz. Da würd ich lieber aufm Schlachtfeld weiterkämpfen, das sag ich dir.
Das Kind ist hier natürlich eine Metapher. Absolut stimmig und nachfühlbar.

Liebe Grüße
Mohrel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2021, 10:33   #14
Ex-Pennywise
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Moin zusammen,

danke fürs Lesen uns Besprechen. Im großen und ganzen hat Mohrel es eigentlich ganz gut beschrieben. Im Grunde stand das Bild mit dem Luftballon als allererstes. Ich musste alles andere drum herum bauen. Eigentlich sollte er sich im Stacheldraht verheddern. Das ist als eine der "Nebenwirkungen" solcher Kriege gedacht. Stieglitz und Co... Doch das hat schon seinen Sinn wie oben beschrieben. Ich denke, Lyrik sollte auch zum Nachdenken anregen. Warum nimmt er einen Stieglitz? Außerdem klingt es schon wesentlich besser als "ein Vogel". Das fänd ich zu banal.

Gruß

Pennywise
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Alt 14.08.2021, 11:46   #15
anamolie
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Sehr interessantes Detail, dass die dritte Strophe zuerst entstand.

Für mich kommt der Bruch zwischen Schlachtfeld und Kindergeburtstag zu plötzlich. Zuerst rettet man James Ryan, dann plötzlich klaut Pennywise dem fetten Jungen den Lolly. Ich kann das nicht so wirklich als Drama empfinden, für mich ist es wirklich eher... ein zu harter Bruch in Strophe 3, den ich dann für Kitsch, oder für deplatziert halte. Es gibt keinerlei Tüpfelchen in den vorangegangenen Strophen die darauf hinweisen, die das vorbereiten, dass ich von einem Schützengraben zu einem quietschigen Luftballon weitergereicht werde. Der Szenerie-Wechsel kommt mir zu plötzlich.

Und ja, vielleicht bin ich ein herzloses dummes Schwein, aber mir sind Stieglitze NICHT zum nachdenken, ich käme nie auf die Idee, "oh ein Stieglitz, wieso nahm er einen Stieglitz und keinen Kolibri, ich werde mal mein "Alle Vögel des Sonnensystems" Buch herausholen und alle Vögel nachlesen für was sie stehen" zu tun. Vielleicht bin ich zu blöd und zu blond, aber wenn da Stieglitz steht, steht das da, und interessiert mich null. "Oh die komplizierte Symbolik der Menschen" ja gähn die hat schon immer viel gebracht.

Und "oh der Luftballon fliegt weg, das arme Kind weint" kähähähä, wen scherts. Kriegt der Bengel nen Neuen und hält das Maul. Oh, ein armes kleines Kind weint einem Luftballon hinterher, pfffffff, das hinterlässt mein armes gequältes Herzchen ungefähr so: und? Das ist nach eineinhalb Jahren Corona mir mal WIRKLICH völlig egal. Das ist für mich kein Drama, sondern mir tatsächlich egal. Kinder "weinen" da hysterisch eine Minute lang, kriegen Haribo, und halten die Fresse. Kinder weinen wegen jedem Scheiss, haben eine Aufmerksamkeitsspanne von einem Güterwagon, und haben das nach paar Minuten schlichtweg vergessen. Also warum sollte meine Empathie einem Heule-Pupsi mein gequältes Herz kredenzen, wenn Heule-Pupsi selbst zwei Minuten später schon wieder durch die Wiese hüpft.

Ich schliesse mich als Erwachsener NICHT der Agonie Heranwachsender an. Ich bin allerhöchstens dafür da, ihnen Horizont zu zeigen, so einen Luftballon zu beheulen gehört nicht dazu. Oder soll ich mir deshalb das Hemd zerreissen, mich mit Asche bestreuen und drei Tage das Bett nicht verlassen.

Aber hey! Ist ja egal. Ich bin froh dass der Verfasser wirklich einen sehr sehr guten Ton draufhat als Dichter. Die Metrik ist gut, da holpert nichts, das ist eingängig, sauber, flüssig, sehr gut beschrieben, mit Abstrichen. Ich bin immer noch der Meinung dass Strophe 3 Zeile 1 völlig schlecht ist, bzw, jetzt noch mehr. Denn WENN der Verfasser den Leser schon von James Ryan zu fetter Junge mit Lolly schubst, hätte er einen Auftakt in die finale Strophe 3 schreiben müssen, der die Kluft kittet, und sowohl "holprigen" als auch "verbliebenen" sind wirklich... näh. Die gesamte Zeile ist eine wirklich mässig verfasste Plattitüde, die nicht hilft, ins Finale zu kommen.

Aber wie schon gesagt! Ich will nicht auf Einzelheiten Alles totreiten, nervt nur, und ist mir egal. Ist gut, dass der Verfasser Metrik etcpp kann. Freut mich dass Metrik und viele Formulierungen super sind, aber S3Z1 ist für mich zu wichtig als Übergangs-Zeile ins Finis, um es mit "holprigen" und "verbliebenen" zu machen. ---


Kähähä:

Der Stieglitz kräht den Sturmwind aus den Lungen,
und pustet den Herzluftballon übers Leichenfeld.
Er LIEBT heulende kleine fette Jungen,
und hat sich eine Pizza bestellt.


Hahahaha! Schöne Sonne euch! Sonne tanken!
anamolie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2021, 12:09   #16
Ex-Pennywise
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Hm, ok. Du magst die dritte Strophe nicht. Kann man fast zwischen den Zeilen herauslesen.
Ich bin mir bei Deiner Argumentation nicht ganz sicher, ob wir von der selben Metaphorik sprechen. Es geht hier um eine Trennung. Quasi das Schlachtfeld der Liebe. Und da ist hin und wieder auch mal ein Kind im Spiel. Das Kind weint nicht um seinen quietschigen Ballon auf einem Kindergeburtstag, sondern um die kaputte Liebe seiner Eltern. Der Ballon symbolisiert das. Und ich denke, da darf ein Kind weinerlich sein.
Hier driften wir halt ein wenig auseinander, was total ok ist. Ich seh ein Kind auf nem Schlachtfeld.
Es freut mich, dass Dir die Form gefällt. Der Rest ist Geschmackssache.
Und jetzt ab in die Sonne. Wer weiss wie lange sie bleibt. Hoffentlich nicht zu lange. Ich hasse Hitze!

Gruß

Pennywise
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Alt 14.08.2021, 12:16   #17
anamolie
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Wie gesagt. Ich verstehe dass das Kind zwischen dem Krieg der Eltern um den HERZluftballon weint. Das ist ja auch eigentlich ganz klug gemacht, aber der Kontrast zwischen schwarz weiss Schlachtfeld James Ryan und Kirmes- bunter Ballon kommt für mich zu unerwartet und zu hart. Das Bild ist zwar klug gemacht, aber kommt unvorbereitet und zu plötzlich. Ich sehe es als unglücklichen Kitsch, der mein Herz NICHT erweckt.

Aber wie gesagt. Ich bin kein Phrasen- oder Formulierungen-Totreiter. Kannst du machen wie du willst.

Mir ist wichtiger dass ich heute Sonne tanke. Und ja. Nach den orkanartigen Regenfällen der letzten Wochen, wo es angenehm kühl, aber gruselig grau war, habe ich Kreislauf-Probleme, weil es seit drei Tagen wieder recht warm ist, das packt mein Körper anfangs nicht, wenn es sofort wieder heiss wird. Trotzdem ist des Deutschen Pflicht, sich ein bisschen Sonne mitzunehmen in den fucking Winter.

Das ist heute wichtiger.
anamolie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2021, 12:23   #18
Ex-Pennywise
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... und übers Wetter beschweren. Vergiss das nicht. Das muss man auch stets machen. Tu ich oft und gerne.
Einen netten Sonnentag wünsche ich.

Gruß

Pennywise
Ex-Pennywise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2021, 12:31   #19
anamolie
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Das ist von einem zynischen scharfen Denker-Ansatz her eigentlich die völlig falsche Einstellung.

Genau genommen solltest du Gott danken dass nur drei Dörfer durch Überschwemmung weggerissen wurden und es nur 35 Grad hat, und dass Alles noch so angenehm und gemässigt ist.

Ansonsten dürften Beschwerden übers Wetter in den nächsten Jahren so derartig redundant und inflationär werden, dass es quasi überflüssig wird. Man muss ja den Mund geschlossen halten um kein Wasser zu verlieren.

Oh danke Herr dass Alles noch so wohlig frisch geraten!
Eh wir als verkackte Hamster, in der Mikrowelle braten.
Amen

Ja, schönen Sonnentach!
anamolie ist offline   Mit Zitat antworten
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