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Alt 05.03.2024, 17:41   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Schuldig!

Epilog

Warum nicht etwas Krasses tun, um dem Leben eine Wendung zu geben? Also schwang ich den Hammer herum, mit dem ich einen Haken in die Wand zu schlagen gedachte, und zertrümmerte den Schädel meiner geliebten Frau.

Erster Tag

Kurzes Verhör in Ergänzung zur Bestandsaufnahme vom Vortag. Ich gab alles zu, was ich bereits gesagt hatte und im Protokoll stand: Ich wollte ein Bild aufhängen und schickte mich an, einen Haken in die Wand zu schlagen, weil mich Gwen, meine Frau, darum gebeten hatte. Ihr lag viel an dem Bild, und sie wies mich an, wo es hängen sollte. Aber unvermittelt nahm ich den Hammer und schlug sie tot.

Von mir unterschrieben.

Zweiter Tag

Sie brummten mir einen Juristen mit zusätzlichem Abschluss in Psychologie auf. Untersetzt, grauhaarig, zwanzig Jahre Berufserfahrung. "Warum haben Sie Ihre Frau erschlagen, wenngleich Sie behaupten, sie geliebt zu haben?"

"Sagen Sie's mir. Sie sind der Experte."

"Sie wissen es nicht?"

Ich zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Vielleicht weiß ich es, vielleicht auch nicht."

"Es gehört einiges dazu, einem Menschen den Kopf zu zertrümmern."

"Ich hatte wohl Glück", erwiderte ich ohne Zynismus, denn ich hätte nicht schwören können, zu einem zweiten oder dritten Ausholen fähig zu gewesen zu sein, wäre Gwen nicht schon beim ersten Hieb ohne einen Laut zu Boden gegangen.

Der Psychologe hüstelte. "Sie sind mir ein Rätsel."

Ich lächelte ihn an. "Sie mir auch."

"Wieso?"

"Ich dachte, ich sei hier der Befragte. Aber gut: Haben Sie jahrelang studieren müssen, um mir Fragen zu stellen, die mich jeder Grundschüler fragen würde, um zu erfahren, was mein Motiv gewesen war?"

Irritiert versuchte der Anwalt, einer Antwort auszuweichen und den eigenen Faden wieder aufzunehmen. "Hören Sie, wenn …"

"… wenn ich nicht mit Ihnen zusammenarbeite, komme ich hier nie raus. Das wollen Sie mir doch androhen. Aber wer sagt, dass ich raus will?"

"So kommen wir nicht weiter." Damit packte der Anwalt entnervt seine Unterlagen zusammen und verließ den Raum.

Wochen später

Nach dem Debakel mit dem Anwalt aus der Kreidezeit schickte mir die Staatsanwaltschaft einen Frischling von der Uni, der darauf brannte, meine Rechte zu vertreten. Aber da ich mein Motiv nicht preisgeben wollte, lief das Urteil erwartungsgemäß auf lebenslänglich hinaus. Ich atmete auf, als der Richter die Begründung verlas: Mord ersten Grades, niedere Motive nicht nachweisbar, trotz emotional unkontrollierten Verhaltens eine Tat im Affekt unzureichend belegt und deshalb nicht strafmindernd ...

Ich dankte meinem Verteidiger für sein Engagement und ließ mich abführen. Seit Jahrzehnten hatte ich mich nicht mehr so frei gefühlt.

05.03.2024
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Alt 12.03.2024, 13:32   #2
männlich dunkler Traum
 
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Standard wow Ilka

... herrlich, hier bleibt so viel meiner eigenen Fantasie überlassen. Schön kurz pointiert, einfach schwarze Magie.

beaux rêves
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Alt 12.03.2024, 18:52   #3
weiblich Ilka-Maria
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Danke für Deinen Kommentar, dunkler Traum. Inspiriert haben mich zwei völlig verschiedene Geschichten, eine reale und eine fiktive. In der realen Situation kam es tatsächlich zu einem plötzlichen Gewaltausbruch (eine Ehefrau erstach wie aus dem Nichts ihren Mann), in der fiktiven Story (Roman von Grisham) verweigerte der Protagonist seinem Verteidiger die Mitarbeit, um sein Motiv nicht preisgeben zu müssen. Diese beiden Elemente habe ich mir genommen und eine klitzekleine eigene Geschichte zu fabrizieren.

Man könnte natürlich mehr daraus machen, zum Beispiel wäre der Stoff sehr gut für eine Novelle geeignet. Aber das kann ja noch werden. Kurzgeschichten sind zunächst und gutes "Werkzeug", eine Idee oder Atmosphäre festzuhalten.

LG
Ilka
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Alt 12.03.2024, 23:36   #4
weiblich Lee Berta
 
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Hallo Ilka-Maria,
Das ist ein sehr toller erster Satz. Spannend, man bekommt direkt Lust weiterzulesen.

Leider ist mir das zu anstrengend, denn was soll da schon noch kommen, was ich noch nicht kenne? Vielleicht ein seltsam formatierter Dialog, der hölzern klingt?
Nein, das will ich lieber nicht riskieren.
Oder ein Verteidiger, der ein Verhör führt, statt zu verteidigen?
Ich lasse mal die Finger davon, aber ich wollte unbedingt kommentieren, obwohl ich nichts zu sagen habe und auch zu faul zum Lesen und analysieren bin.

Liebe Grüße,
Lee
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Alt 13.03.2024, 15:04   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Lee Berta Beitrag anzeigen
Hallo Ilka-Maria,
Das ist ein sehr toller erster Satz.
Finde ich zwar nicht, aber trotzdem danke für die Blumen.
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Alt 13.03.2024, 16:43   #6
männlich dunkler Traum
 
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... vermutlich eher nachtragend gemeint.
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Alt 13.03.2024, 17:13   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von dunkler Traum Beitrag anzeigen
... vermutlich eher nachtragend gemeint.
Meinst du? Für persönliche Befindlichkeiten sind, falls sie den Betroffenen stören, Psychotherapeuten zuständig. Wenn sie nicht stören, auch gut, jedenfalls liegen sie nicht im Zuständigkeitsbereich eines Literaturforums.
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Alt 16.03.2024, 02:27   #8
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Zitat:
Zitat von dunkler Traum Beitrag anzeigen
... vermutlich eher nachtragend gemeint.
Kann schon sein, aber mich zum Psychiater weiterzuleiten, anstatt sich einfach für empathische Fehlleistungen zu entschuldigen, gehört als Eigenschaft der Persönlichkeit in den Formenkreis narzisstischer Störungsbilder, wobei ich das jetzt nicht pathologisierend gemeint habend verstanden haben will.

Liebe Grüße,
Lee
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