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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt. |
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01.08.2012, 12:37 | #1 |
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Beifahrergedanken
Beifahrergedanken
Vater hat mich von der Schule abgeholt. Vater ist Frührentner. Schwerer Autounfall. Während er Auto fährt, spricht Vater nie. Deshalb stellt er das Radio an. Und ich spreche mit mir selbst, in Gedanken, im Geheimen. Im Radio werden die aktuellen Staumeldungen durchgegeben. Auch in mir hat sich so einiges angestaut. Vater steht jeden Morgen im Stau, obwohl er gar nicht mehr zur Arbeit fahren muss. Der Radiomoderator fragt: „Was sehen Sie gerade?" Und ich frage mich, was Vater wohl gerade sieht. Wahrscheinlich nur die Landstraße vor ihm. Mich sieht er nicht, jedenfalls nicht während er fährt und nicht mit mir spricht. Ich antworte der Stimme des Radiomoderators, im Geheimen. Doch was sehe ich eigentlich? Es fällt mir schwer, meinen Blick und meine Gedanken von Vater zu lösen. Ich versuche es und es gelingt beinahe. Also, ich sehe gerade: blühende Rapsfelder, eine fröhlich wirkende Kolonne von Radfahrern, die uns überholt, Bäume, deren Blätter sich im leichten Sommerwind wiegen, die mich sehen und mir zuzuwinken scheinen; und hin und wieder Strommasten, auf die hin und wieder Jugendliche klettern, um hin und wieder zu sterben. Aus dem Radio ertönt die Stimme Louis Armstrongs: „I see trees of green, red roses too …" Vater macht das Radio aus. |
01.08.2012, 15:28 | #2 |
Hallo Peace,
es hat mir sehr gefallen; eine kreative und starke Form des Ausdrucks. Und in jeder Zeile spuere ich eine Melancholie. Sehr gerne gelesen. |
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01.08.2012, 16:35 | #3 |
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Vielen Dank, Aya.
Ich freue mich sehr über dein Lob. Schön, dass es dir gefällt. Liebe Grüße Peace |
01.08.2012, 21:07 | #4 |
Dabei seit: 06/2012
Ort: Erstwohnsitz: Der Himmel, ein Schneeweißes Wolkenbett
Alter: 63
Beiträge: 1.722
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Hallo Peace,
mich sprang augenscheinlich, vorrangig, die form deines werkes, direkt ins auge, zentriert - mittig zu mal sich der eindruck bei mir verfestigte, das(s) es sich evtl. um eine rudimentierte abstraktion des hirnstammes handeln sollte, müsste, könnte. da ja, und ich kann auch ganz falsch fahren, bei meinen mitfahrergedanken, der Vater, ja, ein schwerer autounfall ist. Also, ich mach jetzt erst mal das radio an! gerne und aufmerksam gelesen LG |
01.08.2012, 22:58 | #5 |
Hallo, Peace,
deine Beifahrergedanken haben mich sehr traurig gestimmt und auch wütend, man möchte den Vater packen, wachrütteln ... und der letzte Satz tut richtig weh ... Gedicht? Kurzgeschichte? egal, du hast genau die richtige Sprache gefunden. Es erinnert mich an ein Gedicht über die Wut, was ich vor kurzem geschrieben hab, vielleicht stell ich´s morgen mal ins Forum, lg simbaladung |
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01.08.2012, 23:08 | #6 |
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Danke, Phönix.
Endlich macht mal wieder jemand das Radio an. Herzlichen Dank auch dir, simbaladung. Ja, du solltest dein Gedicht auch einstellen. Liebe Grüße und einen schönen Abend Peace |
06.08.2012, 16:14 | #7 |
Kann mich Aya nur anschließen. Das Gedicht ist sehr kräftig und besticht durch eine ganz besondere Stimmung, die mich von der ersten Zeile an durchdrungen hat.
LG |
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06.08.2012, 16:16 | #8 |
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Vielen Dank, Schmuddi.
Die beiden Fehler habe ich bereits verbessert. Es heißt jetzt: Während er Auto fährt, spricht Vater nie. Liebe Grüße und danke fürs Lesen Peace |