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Alt 13.06.2010, 23:40   #1
männlich Ex-Ralfchen
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Standard Fahrwasser & Weinstein III

166

Wenige Sekunden später fliegt ein Zigarettenstummel mit einem winzigen Funkenregen in hohem Bogen aus dem Seitenfenster des gelben Audi!

"Los, Fahrwasser, steig ein, wir müssen weg!".

Die heisere Stimme ist Yoram bekannt, aber er erinnert kein Gesicht dazu. Was bleibt ihm übrig? Die tote Blaue könnte mächtigen Ärger bedeuten.

Fahrwasser fällt wesenlos in den Beifahrersitz. Seine geschwollenen Augen blicken verwirrt auf Weinstein.

"Wwwas du machen nunnnaa?"

„Ich bring euch zum Wochenendhaus meines Bruders“, flüstert der Fahrer

„Aah“,

stöhnt Fahrwasser.

„Jezz weiß ich wieder - Sie sind der Bruder von Monsieurledirecteur.“

"Oh jess Masta, sicha,"

Schmunzelt der schwarzgeschminkte Paule sinister in sein Tripelkinn.

***

167

"Fahrwasser?"

Weinstein ist auf dem Weg der Besserung, aber noch nicht ganz angekommen.

"Was is mit Amerika passiert, dass Obama Taxi fahren muss?"

Weinsteins Gesicht hat einen blauen Farbton angenommen; seine Augen sind halb geschlossen.

"Pssst du Trottel, dass iss'n Kaminfeger, der im Nebenjob chauffiert."

Fahrwassers Handy tönt.

"Ja?"

"Zuhörn!",

knattert’s auf Yorams Trommelfell.

"Wir ham Brackwasser und Weingeist in unserer Gewalt. Wir fordern Einemillion bis morgen Abend. Melden uns wieder."

„Moment mal, wer iss’n das, Brackwasser und Weingeist?“

Verdutzt lauscht Fahrwasser dem Ringtonloop am anderen Ende.

"Was is?"

kommt’s knarzend aus der Fressluke des Blackdrivers.

"Keine Ahnung.",

seufzt Fahrwasser.

168

Die unvermittelte Beschleunigung des Audis in eine scharfe Rechtskurve lässt Weinstein über Fahrwasser purzeln.

"Mensch, wolln's ein Strafmandat?"

"Nö, danke, hab schon eins.",

fistelt der Blackman.

Die Reisegesellschaft ist nun außerhalb der Stadt und stoppt auf dem Hinterhof einer heruntergekommenen Gastwirtschaft.

Die drei Männer steigen aus.

Blackdriver hält plötzlich eine Knarre in den Pratzen und nimmt Rhino und Yoram die Handys ab. Er dirigiert sie durch eine Hintertür ins Haus. In der osramhellen Küche des Gasthauses hat Fahrwasser eine Erkenntnis:

"Paule, du Drecksack! Hoffentlich kannst du besser Kaffeekochen als Autofahrn."

Paule dirigiert sie in die dämmrigleere Gaststube.

"Wollts’n Espresso kurz?"


169

Auf der schmuddeligen Theke funkelt eine ultramoderne MirageVeloce.

"Mensch Paulchen, ich hätt gern nen großen Schwarzen kurz, ohne Sahne!"

Fahrwasser blickt ernüchtert auf Weinstein.

"Rhino, falls du es noch nicht begriffen hast. Wir sind entführt worden!"

"Aber, Yori, das is doch kein Grund, auf einen großen Schwarzen ohne Sahne zu verzichten", interveniert Weinstein.

Er schaut auf seine nackten Arme und bemerkt verwundert, dass er friert.

Paule lehnt hinter dem Tresen, die 22erGlock lässig um den Zeigefinger drehend.

„No, was wollma’, ihr Sumpfer?“

"Einen Pullover, mir is kalt", schnattert Weinstein.

Fahrwasser grinst:

"Ich hätt gern deine Knarre, Paule, hab meine vergessen."

170

"Kannst du haben,"

schnarrt Paule,

"Is eh net geladen."

"Idiot, dann brauch ich sie auch nicht."

Fahrwasser überlegt, ob er einen Espresso trinken soll.

Weinstein geht zum Fenster, reißt eine Übergardine runter, und wickelt sie um seine Schultern. Er wirkt ein wenig feminin in den bunten stoffgeblumten Vorhängen.

Paule visiert Weinstein und zieht den Abzug der Glock zweimal durch.

Klick! Klick!

Der geblümelte Weinstein bricht in schallendes Gelächter aus.

Fahrwassers rechter Teleskoparm schießt vor und entreißt dem verdutzten Paule die Wumme.

"Du hattest Recht, sie ist nicht geladen."

Weinstein verschluckt sich vor Gelächter und röchelt wie'n Rochen auf Landgang.


171

„Komm, Rhino, wir verschwinden. Dieser schwarze Peter namens Paule kann uns nicht aufhalten.“

Fahrwasser zerrt an Weinsteins Tunika floralis und beide steuern auf den Ausgang zu.

„Stopp, meine Herren!“,

plärrt hinter ihnen der kakophonische Sopran von HandtaschenErna.

Einäugig mit gespreizten Beinen, zwischen Hintertürundangel posiert; versprüht die Gurke ungefragt einen 9mmStahlmantelregen aus ihrer Uzi.

Keine handbreit über den Köpfen Weinsteins und Fahrwassers schlagen die Geschosse in die hölzerne Wandverkleidung. Reflexartig werfen sich die beiden zu Boden.

"Alles klar?"

Flüstert Fahrwasser.

"I glaub' ein Querschläga hat mich im rechten Aug erwischt, mir iss die Haftschale gebrochen."

„Was? Du hast eine Hasenscharte erbrochen?“

172

Weinstein wirft einen leeren Blick auf Fahrwasser.

"Hör auf, mich mit leeren Blicken zu bekleckern, dafür is jezz keine Zeit!"

"Ihr bleibt schön liegen und haltet die Klappe."

Erna gibt Paule ein Zeichen, woraufhin der die Hände der Bullizisten auf deren Rücken verknotet.

Die Verbrecher hatten nicht bemerkt, dass Fahrwasser seine linke Hand kurz auf die Klappe an seiner Wade gehalten hatte. Verschnürt und auf dem Bauch liegend, grinste er ebenso unbemerkt.

"Schnell, hol den Trolley, dämliche Zyklopin!"

"Wannst mi weida so dämlich anmachst, beschwer i mi beim Betriebsrat!"

"Bravo, Erna!"

"Du?!",

plärrt das Weibsbild.

"Was grinst’n du so bleed?"


173

"Paul! Nimm sofort das Paral und besprüh die scheiß Würmer, die aus dem Bein von Dem da hupfn!"

Ernas Finger am Abzug der Uzi zuckt nervös. Das explodierende Niesen Fahrwassers führt zum Klimax:

Paulchen bricht im Kugelregen der UZI über Weinstein zusammen.

Erna reißt entsetzt die Glupscher auf. Als sie realisiert was geschehen ist, drückt sie den Lauf der UZI unter ihr Kinn.

"Stoooppp Erna, was hassn' du für ne' Prothesengröße?"

Erna setzt die UZI ab und blickt erst überrascht, dann nachdenklich auf Weinstein.

"Ich denke Körbchengröße 26."

Weinstein zuckt zusammen:

"Erna, halt den Lauf vor die Stirn. S’iss sicherer."


174

Während Erna sich mit zugekniffenen Augen die Schädeldecke perforiert, fällt ihre Kinnlade nach unten und ihre nagelneue Gebissprothese landet neben Weinsteins Nase.

"Mensch Fahri, das Gebiss iss’n' 1260erModell mit 800 Anschlägen/Minute!"

Fahrwasser hatte sich inzwischen von den Fesseln befreit und betrachtete neugierig den Blutknochenmatschkopf Ernas.

„Du, Rhino“,

murmelte er und seine Augen füllten sich mit Tränen.

„Ich glaube, sie ist tot.“

"Mhm, doch. Irgendwie schaut ihr Kopf marmeladig aus."

Weinstein stippt mit dem Finger in die Grütze und führt ihn zur Zungenspitze.

"Schmeckt a bisserl ranzig. Na, sie war ja nicht mehr die Jüngste."

"Pfanne und Eier her, Weini!"


175

Während Fahrwasser Hirnreste aus Ernas Kranium in eine Schüssel löffelt, poltert Weinstein in der winzigen Gasthausküche umher.

"Irgendwie ne Reminiszenz an Hannibal Lecker, hm?"

"Lektor, mein Alter. Lektor. Da sinn acht Eier im Kühler, Fahri, wieviele brauchen wir?"

"Nimm sechs und schau mal, ob Rosmarin im Haus is. Das nimmt den Ranz etwas."

Fahrwasser betrachtet geradezu fachmännisch eine der schweren Eisenküchenpfannen.

"El klaro, ich guck mal."

"Sag, was gehst denn so merkwürdig schief?"

"Ach, mir is die Unterhose wieder in die Kimme gerutscht."

"Mhm, versteh dich voll. So geht’s mir immer wenn ich n' Happen von ner frischen Leiche fresse."

176

"Oh Scheiße, das riecht verdammt gut da inna Pfanne. Ich deck mal den Tisch."

Weinstein schiebt Ernas Karkasse mit dem Fuß beiseite und steigt hinter die kleine Theke.

Gerade will Fahrwasser eine frische Knoblauchzehe dazutun, als eine Blendgranate durch ein Fenster in den Raum fliegt und das SEK den Laden stürmt.

Weinstein hebt die grell funzelnde Granate auf und betrachtet sie erstaunt.

"Isses denn scho Weihnachten Fahri?"

Fahrwasser schaut seinen Kollegen mit glänzenden Augen an:

"Ich glaube ja, denn die Wunderkerzen sind heuer groß und können sprechen."

"Hey Jungs, nehmt euch Messer und Gabel, es gibt gleich HirnmitEi."

"Wow suuuuper!"

177

Die Stimmung der Truppe um den Gasthaustisch ist bombig. Die Gläser sind schon zum dritten Mal mit Beerenauslese gefüllt.

"Mensch das Hirn der Nutte schmeckt prima, sag könnt ihr noch ein zwei Stück ihrer Arschbacken in die Pfanne werfen?"

"Na! I mog ka Schinken. Gebts’ mir Hirn, das hatt ich schon lang nicht mehr!"

"Ruhe Jungs, jeder kriegt was er will, es iss genug da, die Alte hat fast 80 Kilogramm."

Fahrwasser posiert grinsend vor dem Leichnam und schleift gekonnt ein Tranchiermesser.

Im gleichen Moment stürmt Monsieurledirectéur durch die völlig ramponierte Gasthaustür.

"Ah, Chef, „

sabbert Fahrwasser.

"Hirn, oder lieber Schinken?"
178

Monsieurledirectéur stemmt die Fäuste in die Hüften und brüllt:

"SEK raus in die Mannschaftswagen, aber hurtig!"

Und zu Rhino und Yoram gewandt:

"Für euch Pappnasen hat der liebe Doc, den ich mitgebracht habe, ein feines Stöffchen in seiner Nadel."

Nach diesen Worten setzt er sich lächelnd an den freigewordenen Tisch.

"Kommen sie Doktor Schneidrein, hier gibts'n paar Leckerbissen vom Feinsten!"

Der Doc lächelt unverbindlich und impft die beiden völlig von der Rolle geratenen Beamten mit seiner Mixtur.

Keine dreißig Sekunden später fallen Fahri und Weini in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Monsieurledirectéur und der Doc bringen die Penner im Dienstwagen aufs Revier.


179

"Was denken sie iss dort mit den Jungs und zuletzt auch mir passiert, Schneidrein?"

LeDirectéur hat ein Stück von Ernas knusprig gegrillter Wade, auf einer Klarsichtfolie vor sich liegen.

Schneidrein blickt nachdenklich auf das Gustostück.

"Ich hab da so'ne Idee, aber dazu müssen wir gleich zum Tatort zurück bevor die Forensiktrottel alle Spuren zerstören."

Die beiden betreten zum zweiten Mal an diesem Tag die gastfreundliche Stube.

"Haben sie schon mal dran gedacht, Menschenfresserei als sexuell abweichendes Verhalten zu sehen, mein lieber Babouin?"

"Dieser Gedanke erzeugt mir Übelkeit. Kranke Seelen, die darin eine Befriedigung finden, gehören unverzüglich in betreuende Hände."


180


"Nun mein guter Babouin, vor einer Stunde wollte sie selbst noch an einer Keule dieser Hammelin nagen - oder?"

"Ja, das erschreckt mich zutiefst. Wenn also wir beide und unsere beiden armen Kollegen so abscheulich gehandelt haben, dann muss der Grund dafür hier im Gemäuer zu suchen sein."

"Brillant mein Lieber; darum sind wir hier!"

"Nun, mein lieber Doc, tun Sie, was getan werden muss."

"Nun, zuallererst machen sie mal ihre Hose auf und zeigen sie den Luller her."

"Der is grad bei der amtsärztlichen Revision. Aber ich könnte ihnen meine 38er Glock zeigen. Sehr kompakt und wahnsinnig tödlich."

"Warum nicht?"

181

Der LeDirectéur blickt verzweifelt auf Schneidrein.

"Muss es wirklich sein?"

"Ja!"

Babouin hört angesichts seiner eigenen Glock unter der Nase ein wenig die Glocken läuten und lässt verzweifelt seine Ober- und danach die Unterhose fallen.

"Ein lächerlicher Hermaphrodit, fasst dachte ich es mir."

"Ach Schneidi, bitte nimm ihn vorsichtig zwischen deine Prothesen!"

Langsam kippte LeDirectéur nach hinten. Sein rechtes Auge blickt sinnlos aus einer blutigen Puddingfülle. Schneidrein bläst demonstrativ den Rauch vom Lauf der Glock.

***

Monsieurledirectéur lässt die Gastwirtschaft weiträumig sperren, nachdem der Krankenwagen den schwerkranken Doktor Schneidrein abtransportiert hat. Ein starkes Halluzinogen hat den Armen völlig zusammenbrechen lassen.


wird fortgesetzt
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