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Alt 13.10.2013, 10:49   #1
männlich Schattenkönig
 
Dabei seit: 07/2013
Alter: 27
Beiträge: 10


Standard Die letzte Zweisamkeit

Es war kurz vor Mitternacht und ich war in der Schule, da wir als einzige Klasse aus dem 9er Jahrgang beschlossen hatten, in der Schule zu übernachten. „Jonathan, bist du noch wach?, fragte eine Stimme. Es war Bensu, und gleichzeitig das hübscheste Mädchen aus meiner Klasse. Sie sah aus wie eine türkische Prinzessin. „Ja!", rief ich zurück und wir beide stellten fest, dass alle anderen schon schliefen, sogar die Lehrer. Ein zartes, dunkles blau zog sich über den Himmel, und auch ein paar Sterne sahen wir. Aber wieso schauten wir uns den Himmel an, wenn die Stunden der Nacht uns noch so viel anderes bescheren konnten? „Komm mit, Jonathan", flüsterte Bensu, nahm meine Hand, und verließ mit mir die Klasse. Leise schloss sie die Tür, damit niemand etwas bemerkte, dann umarmte sie mich leidenschaftlich, und ich drückte sie an mich, und atmete den süßen Duft ihrer Haare ein. Dann verließen wir das Gebäude, Hand in Hand.

Draußen war es still. Ich merkte, dass mir schwindelig wurde, doch so schnell, wie das Gefühl kam, verschwand es wieder, deshalb dachte ich mir, es sei nichts ernstes.
Bensu lächelte mich an, und ich musste auch lachen. Wir fühlten uns frei, und hier war niemand, außer uns. Sicher, es war uns verboten gewesen, das Schulgebäude während der Übernachtung zu verlassen, aber wie bei so vielen anderen, die es schon gewagt hatten, war es auch bei uns dieses Reizgefühl gewesen, dass uns in Versuchung geführt hatte, die Regeln zu brechen. Für uns beide war es ein großer Moment voller Nähe. Der Tag gab den Menschen die Gewohnheiten, sie gingen zur Schule oder arbeiteten, aber was die Nacht brachte, war ungewiss. An keinem Tag hatten wir uns jemals so frei gefühlt, aber wenn der Himmel dunkel sein musste, damit es so war, dann wäre es uns sogar Recht gewesen, wenn hier und jetzt die Zeit stehen geblieben wäre.

„Ich hab dich lieb", flüsterte Bensu. „Ich dich auch." Wir waren zwar nur Freunde, aber in jenem Augenblick so unzertrennlich wie Geschwister, die die Erinnerungen vieler Jahre teilten, die sie zusammen verbracht hatten. Ihre langen dunklen Haare glänzten wunderschön, und ihr Lächeln war nicht von dieser Welt. Und wenn sie sprach, dann war es für mich ein Gefühl von Geborgenheit und Wärme.

Wir verloren die Zeit aus den Augen.
Es vergingen Stunden voller inniger Zweisamkeit, wie sie bei Freunden nicht leidenschaftlicher hätte sein können. „Was wünschst du dir jetzt?", hatte sie mich gefragt, und als ich „Nichts, ich habe doch alles, was ich brauche", antwortete, da küsste sie mich zärtlich auf die Wange. Bensu hatte eine kleine Kamera dabei und wir machten Fotos, Erinnerungen an diese unvergesslichen Stunden, bevor wir eng umschlungen auf einer Bank einschliefen. Es sollten unsere letzten Bilder sein.

Am nächsten Morgen war die Bank abgesperrt. Über Nacht hatte es geschneit. Polizei und Notarzt war vor Ort. Aber es war nichts mehr zu machen. „Was ist hier los?", rief die Klassenlehrerin, welche erst am Morgen bemerkt hatte, dass 2 Schüler fehlten. „Es tut mir leid", sagte einer der Ärzte vor Ort, und deutete traurig auf die leblosen und dennoch eng umschlungenen Körper von Jonathan und Bensu. „Aber sie sind erfroren."
Schattenkönig ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.10.2013, 12:20   #2
männlich Jeronimo
gesperrt
 
Dabei seit: 10/2011
Alter: 70
Beiträge: 4.237


Hallo Schattenkönig,

das war ungewohnt gut! Nicht die große, "ewige" Liebe, sondern eine zärtliche Freundschaft von zwei jungen Menschen.
Da du nach dem Ableben noch die Geschichte erzählen konntest, wäre es besser gewesen, du hättest als Erzähler die dritte Person gewählt.
Und Zahlen wie 2 schreibt man in Texten in Worten.

Ansonsten hast du angenehm fehlerfrei erzählt, hast an die Absätze gedacht und dem Leser ein Gefühl vermittelt.

Das war wirklich gut!

Jeronimo
Jeronimo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.10.2013, 13:24   #3
männlich Schattenkönig
 
Dabei seit: 07/2013
Alter: 27
Beiträge: 10


Standard :)

Vielen Dank, ich hab bei der Geschichte wirklich sehr viel von meinen eigenen Erlebnissen und Gefühlen eingebracht. Es freut mich, dass es dir gefällt

LG Julian23
Schattenkönig ist offline   Mit Zitat antworten
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Lesezeichen für Die letzte Zweisamkeit

Stichworte
freundschaft, liebe, traurig

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