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Alt 02.12.2016, 00:58   #1
weiblich Yurei
 
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Standard Einsamkeit

Als ich noch ein Kind war, war ich wie allen anderen auch. Ich machte immer meine Kleidung schmutzig beim Spielen mit meinen Freunden und machte ein riesen Theater wenn ich hinfiel und mir weh tat. Ich baute Wörter aus Buchstabensuppen, saute mich beim Spaghetti schlürfen mit Tomatensoße ein und machte einen riesigen Bogen um Spinat. Ich konnte es vor mir sehen, wie mein jüngeres ich fröhlich um meine Mutter herum hüpfte und ihr erzählte, wie Linas Mutter uns beigebracht hatte aus Gänseblümchen Armbänder zu knüpfen.

Auch als ich in die erste und zweite Klasse ging war ich fröhlich und unschuldig wie ein neugeborenes Einhorn. Ich war gut in der Schule und das obwohl ich nie lernte. Nach der Schule ging ich in den Hort und machte dort zusammen mit anderen meine Hausaufgaben. Danach tobten und alberten wir herum wie sonst was, verabredeten uns oder hofften das unsere Eltern uns später abholen würden als sonst.

In der vierten Klasse wurde alles etwas ernster. Fast jeder gab sich in der Schule etwas mehr Mühe als vorher weil er auf ein Gymnasium gehen wollte, der stetig wachsende Berg an Hausaufgaben machte es da nicht gerade leichter neben den eigenen Hobbys Zeit für Freunde zu finden. Deshalb verabredete man sich viel an Wochenenden, was dazu führte das ich meine Mutter, die jetzt lange arbeitete, kaum noch sah.Wenn sie abends nach Hause kam, gab es Essen, während sie erzählte was sie au Arbeit alles nervte. Mein Vater konzentrierte sich auf den Fernseher oder auf die Geschichten meiner Mutter, während ich nur ab und zu „Mhm.“, „Aha.“ oder „Ja.“ sagte. In dieser Zeit gewöhnte ich mir an, auf die Frage: „Wie war dein Tag?“ mit: „Gut.“ zu antworten, denn wenn ich mich über die ganzen Hausaufgaben, Lehrer und anderes aufregte, meinte sie sofort ich solle froh sein noch in die Schule zu gehen, denn ihr Leben wäre ja soviel anstrengender als meins. Immer wenn ich mit ir redete ging es um sie oder meine Noten. Es interessierte sie nicht mehr wenn ich mich gerade mit jemandem zerstritten hatte, also hörte ich auf ihr von meinen persönlichen Problemen zu erzählen.

Das setzte sich auch fort, als ich aufs Gymnasium ging. Außer mir ging nur eine weitere Person, Lina, aus meiner alten Klasse auf das gleiche wie ich. Ich war nicht wirklich gut im Umgang mit Fremden, dementsprechend schwer viel es mir, mich mit meiner neuen Klasse anzufreunden. Eine Tatsache, die erst problematisch wurde, als Lina eine neue beste Freundin fand. Jetzt machte sie nur noch etwas mit mir, wenn diese nicht da war und heulte sich bei mir über deren Streits aus. Hieß im Klartext, dass sie mich nur noch benutzte. Damit stand ich in der Schule alleine da. Das ging soweit, das sich andere erschreckten wenn ich etwas sagte, weil sie nicht gemerkt hatten das ich neben ihnen stand.

Meinen Eltern erzählte ich nichts davon, da es sie wahrscheinlich eh nicht interessieren würde. Ich stand pünktlich auf, ging zur Schule, schrieb gute Noten, machte dann meine Hausaufgaben, spielte dann irgendwelche Computerspiele und ging pünktlich ins Bett, das reichte ihnen. Manchmal fragten sie mich, ob ich mich nicht mal wieder verabreden wollte, aber ich hatte eher das Gefühl, dass sie mich loswerden wollten als das es ihnen darum ging, dass ich Spaß hatte. So lief das fast ein Jahr lang. Ein Jahr in dem ich mit allen auseinander lebte. Ich träumte sogar davon, wie mein Mathelehrer mir etwas zum Geburtstag schenkte während meine Eltern sich fragten was sie vergessen hatten.

In dieser Zeit wurde mir einfach alles egal. Es scherte mich nicht wenn andere sich erschreckten weil ich neben ihnen stand. Oder wenn sie versuchten mich unauffällig und freundlich darauf hinzuweisen, das ich gerade nicht erwünscht war. Wenn ich hinfiel und mich dabei verletzte, stand ich auf ohne selbst diesen physischen Schmerz zu spüren. Und so wie mein Empfinden verschwand, wurde auch mein Gesicht zu einer leeren Maske. Ich lächelte wenn mich jemand fragte wie es mir ging und schon lebten sie ihr Leben weiter und ließen mich in Ruhe.

Und jetzt lag ich hier. Allein in meinem Zimmer. In der leeren Wohnung. Und starrte an die Decke. Und wünschte mir das ich einfach aufhören würde zu existieren. Aber falls es soetwas wie eine höhere Macht gab, hörte sie mir nicht zu. Oder ich war ihr einfach genauso egal wie jedem anderen auch. Ich war mir ja sogar selbst egal. Es ging mir am Arsch vorbei was mit mir passierte. Dachte ich. Nein, befürchtete ich. Genau das war mein Problem.

Ich war ein Geist. Niemand merkte das ich überhaupt da war. Schlimmer noch, es interessierte mich nicht einmal mehr. Ein Geist fühlte ja zumindest noch etwas. Eher war ich der Geist eines Roboters, als ein menschlicher, irgendwie normaler Geist. Aber weshalb war ich dann noch in der Lage zu bluten? Müde zwang ich meinen Arm dazu, sich zu bewegen. Ich starrte den Kratzer auf meinem Handrücken an, dann folgte ich dem roten Tropfen der sich jetzt langsam löste und wie eine Träne meinen Arm herunter lief. Eine wunderschöne, blutige Träne. Ich senkte meinen Arm und wischte mir ihre durchsichtige Schwester aus dem Gesicht. Wieso weinte ich? Wieso war diese... Leere die ich fühlte soviel schlimmer als jeder Schmerz den ich bisher verspürt hatte? Ich wusste es nicht. Ich wusste es einfach nicht, und interessieren tat es mich auch nicht. Mich interessierte nur, wie ich diese Leere, diese Gefühlslosigkeit wieder loswerden würde. Denn ich hielt sie einfach nicht mehr länger aus. Wenn das noch lange so weiter ging, würde ich selbst dafür sorgen, das ich aufhörte zu existieren. Aber ich würde bis zum Ende versuchen aus diesem Mist rauszukommen. Ich wollte wieder lebendig werden.
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depression, einsamkeit, kurzgeschichte

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