Gepriesen sei der One Night Stand

[Rosenblüte]

Gepriesen sei der One Night Stand,
der uns so froh und glücklich macht.
Komm, pfeif auf das Establishment.

Wohl dem, der lichterloh entbrennt,
wenn nur der Mond am Himmel wacht.
Gepriesen sei der One Night Stand.

Wenn man sich nicht beim Namen nennt
in einer zauberhaften Nacht.
Komm, pfeif auf das Establishment.

Wenn eine Hand, die man nicht kennt,
ein Feuerwerk der Lust entfacht.
Gepriesen sei der One Night Stand.

Ein Narr, wer Gut und Geld nachrennt,
da lob ich mir die Kissenschlacht.
Komm, pfeif auf das Establishment.

Ein letzter Kuss, eh man sich trennt
am Morgen, wenn die Sonne lacht.
Gepriesen sei der One Night Stand.
Komm, pfeif auf das Establishment.

[Caliban]

Da das Establishment längst auch nur zum Vergnügen vögelt, wirkt dieses Gedicht ein wenig anachronistisch. Es ist, als beklagte man sich über all die Wölfe in Irland.

[Rosenblüte]

Hallo Caliban,

da ist schon was dran. Die Sitten sind lockerer geworden. Trotzdem: Ich denke, die meisten Menschen knüpfen an ihre sexuellen Beziehungen den Wunsch nach etwas Dauerhaftem und trachten danach, Teil des Establishments zu werden, wie die vielen jungen Familien hier am Prenzlauer Berg beweisen. Der unverbindliche One Night Stand ist höchstens mal ein Ausrutscher und nicht Teil einer Lebensanschauung.

Lieben Gruß
Rosenblüte

[Caliban]

Aus dem One-Night-Stand eine Lebensanschauung zu machen ist ein irrwitziger Gedanke. Vergnügen zur Philosophie erheben, ja das mag der kleine Hedonist, während der Narzisst sich einen Bandscheibenvorfall bei dem Versuch holt, sich selbst, naja...

Ist es eine eher liberale (no risk no fun) oder eine orthodoxe (immer mit Gummi) Lebensanschauung?
Zielt sie darauf ab, frei zu bleiben, weil man sich nicht imstande fühlt, sich im Falle einer emotionalen Verstrickung gegen den anderen durchzusetzen oder ist es ein Kampf gegen die Monotonie?

Oder ist es die Suche nach einem, der's dann doch irgendwie in der Kiste bringt?
So nach dem Motto: Viel hilft viel?
In letzterem Satze mag sich auch die Antwort verbergen, warum so wenige Frauen vaginale Orgasmen erleben. Nur so als Kleinigkeit am Rande. Manchmal denke ich mir, Monogamie und Monotheismus entstanden aus der Angst, ein anderer könnte einen größeren haben.

[Glasauge Bill]

Hey Rosenblüte,

Inhaltlich schweige ich, aber ein Lob für diese perfekt durchgezogene Villanelle! Mag diese Gedichtform sehr und habe Respekt vor ihr. Besonders anzumerken ist, dass sich die Refrainzeilen selbst auch noch reimen. Klasse.

Glasauge Bill

[Rosenblüte]

Hallo Caliban,

die Alt-Achtundsechziger kannten den Spruch: "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment." Sie sahen in der freien Liebe einen Weg, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien. Eigentlich repräsentiert diese Art des Hedonismus das Gegenteil vom Rückzug ins Private, der wieder in Mode gekommen ist. Heute geben Viele wieder ihre Freiheit auf und binden sich an Familie, Job usw.

Ich schrieb vom Prenzlauer Berg. Bis vor ein paar Jahren war er ein Zentrum des Widerstands und alternativer Lebensentwürfe. Die Gentrifizierung schreitet voran, die ehemals besetzten Straßenzüge wurden luxusmodernisiert, die meisten der ehemaligen Studenten arbeiten in etablierten Berufen und schieben Kinderwagen durch die Gegend.

Ich persönlich ziehe es vor, in den Großstadtdschungel einzutauchen, mich für eine Nacht in einen netten Jungen zu verlieben und am nächsten Tag zu sagen: "Schön war's!" Ohne Beziehungsstress und all den Kram. Naja, einen Gummi sollte man immer dabei haben. Bei solch aufregenden Begegnungen ist der Orgasmus garantiert, wie ich feststellen konnte.

Klar, und ich bin auch davon überzeugt, dass die Menschen nicht monogam veranlagt sind, wie die vielen Seitensprünge beweisen.

Lieben Gruß
Rosenblüte

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Hallo Glasauge Bill,

ich bin ebenfalls eine Liebhaberin der Villanelle. Die Wiederholungen sind sehr einprägsam. Und ich finde, hier passt sie gut zum Thema.

Lieben Gruß
Rosenblüte