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Alt 07.08.2007, 22:43   #1
Dingenskirchen
 
Dabei seit: 07/2007
Beiträge: 20


Standard Der Popel

Kürzlich in der U-Bahn verschlossen sich meine Nasenflügel, auf die wohl jedermann bekannte Art und Weise. Nun handelte es sich nicht um einen normalen Durchschnittspopel, den man mal eben verstohlen aus der Nase schnippt. Nein, es war einer von denen, die Geräusche machen beim Atmen. In meinen Ohren klang es etwa so, wie das entleeren eines Glascontainers.
Ich spürte die angewiderten Blicke der Fahrgäste auf mir ruhen. Ich räusperte mich unauffällig, um dabei kurz und kräftig auszuatmen. Mein Plan, den Popel so zu verlagern dass, er wenigstens Ruhe gab, schlug fehl. Tatsächlich hatte er sich bewegt, so daß er nun das Geräusch einer Herzlungenmaschine imitierte. Gekonnt lässig wischte ich über den linken Nasenflügel, als wollte ich eine Fliege verscheuchen. Ich hörte den Popel in meiner Nase lachen. Zum Nasenloch hin hatte er sich auf Grund des stetigen Luftzuges verhärtet und stach mir nun scharfkantig in die Schleimhäute. Es trieb mir die Tränen in die Augen. Das Geräusch hatte sich inzwischen zu einem Pfeifen entwickelt. Ich rechnete jeden Moment damit, von offizieller Seite aus dem Zug geschmissen zu werden.
Ich musste dieses Schwein los werden. Es war inzwischen zu einer persönlichen Sache geworden. Der Zug hatte sich gefüllt und ich saß inmitten einer sich im Rythmus der Bahn wiegenden Menschenmenge. Eine Weile beobachtete ich die Fahrgäste und suchte den kurzen Augenblick der Intimität. Ich drehte mich zu einer älteren Dame im grauen Taftrock und suchte mich hinter ihrem breiten Becken zu verbergen.
Der Augenblick war gekommen. Hasserfüllt schob ich meinen Finger dem schleimigen Terroristen in meiner Nase entgegen. Geschickt klemmte ich ihn zwischen Fingernagel und Kuppe und zog das Schwein aus seinem Versteck. Es war ein monumentaler Brocken, der genügend Baustoff geliefert hätte, um alle Kirchen dieser Welt zu restaurieren. Noch bevor ich mir Gedanken machen konnte, wo ich nun mit diesem Ungetüm blieb, machte die Bahn einen Ruck und der graue Tafftarsch schwang bedrohlich auf mich zu. Als die Dame ihr Gleichgewicht zurückerlangt hatte, klebte der Bumann an ihrem Rock.
Dingenskirchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.08.2007, 22:47   #2
Thalberg
 
Dabei seit: 11/2006
Beiträge: 293


Hahaha

Das ist das beste was ich seit langem gelesen habe... super lustig, gut und klar geschrieben, mit einem wunderschönen Humor. Eine Situation, die wir alle kennen und hassen hast du hier gekonnt fokussiert.

Danke für den Lacher!

Gruß,

Ty Dario =)
Thalberg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.08.2007, 22:52   #3
yellow_orchid
Gast
 
Beiträge: n/a

Witzig und fliessend zum lesen...ich kann mich dem

Zitat:
Hahaha
nur anschliessen

und einen Popel mit einem 'schleimigen Terroristen' zu vergleichen- eine gelungene und toll umgesetzte Idee kann ich insgesamt nur sagen! =)


Liäbs Grüässli
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Alt 07.08.2007, 23:34   #4
Arno
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 224


Witziger Popel.
Gut gelungen ist vor allem die sprachliche Steigerung im Verlauf des Textes - so mutiert der Popel schließlich zum "Schwein" und "Terroristen".
Solche Geschichten können auch sehr plump sein.
Diese ist es nicht.
Arno ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.08.2007, 00:03   #5
morefun
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 240


Ein kichernder Popel in der Nase... . Ich finde es total witzig. Gratulation dir ist ein toller Text gelungen.
morefun ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.08.2007, 00:14   #6
Lúinwe
 
Dabei seit: 01/2007
Beiträge: 24


Wie geil

Da haben die Popels in der Welt der Nase endlich mal eine eigenen Geschichte bekommen!

Ich kann mich da nur meinen Vorgängern anschließen, das war echt lustig.
Kam beim lesen aus dem grinsen gar nicht mehr raus.

MFG
Lúinwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.08.2007, 12:25   #7
Dingenskirchen
 
Dabei seit: 07/2007
Beiträge: 20


Besten Dank für die Kommentare . Ich bin überrascht und glücklich über so viel positives Feedback. Hatte ich wirklich nicht mit gerechnet.
Dingenskirchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.10.2007, 19:06   #8
Krete
 
Dabei seit: 10/2007
Beiträge: 2


Ich fand sie auch super. Hab sehr gelacht und einiges wiedererkannt

Aber diesen Satz fand ich ein wenig unpassend. Er fällt igrnediwe aus dem Sprachbild raus, wenn du verstehst was ich meine:
Zitat:
der genügend Baustoff geliefert hätte, um alle Kirchen dieser Welt zu restaurieren
Aber sonst, klasse!
Krete ist offline   Mit Zitat antworten
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