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Alt 23.08.2006, 11:32   #1
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 1.123


Standard Rabenaugen

Weise starrte er ihr in die Augen. Zwei schwarze, runde Seen, in denen sich seine Umwelt spiegelte. Nur wenige schafften es, hinab in die Tiefe dieser Gewässer zu blicken. Den Spiegel der Oberfläche zu brechen und die Geheimnisse dieses Lebens zu begreifen. Sie gehörte zu diesen wenigen, auserwählten Wesen. Ihre langen, aschblonden Haare spiegelten und brachen sich tausendfach in den traurigen Augen. Reflektierten ihre eigene Welt, die Welt, in die sie geboren worden war, in der sie lebte. Alleine.
Denn er lebte in einer anderen, fremden Welt. Ihrer eigenen so ähnlich, dass sie manchmal in einander übergingen und doch war sie so anders, dass sie das, was sie in den Tiefen seiner Seele sah, nicht verstehen konnte. Sie konnte die Buchstaben lesen, die dort eingraviert worden waren, doch für sie ergaben sie keinen Sinn. Eine fremde Sprache hatte sie ins Leben gerufen. Eine Sprache, die nicht aus den Lauten der Menschen bestand. Sinneseindrücke, Gedankenfetzen und ein tiefer, unbändiger Wunsch, den sie selbst nur in ihren tiefsten Träumen verspüren konnte. Der Wunsch, wieder mit der Luft eins zu werden. Den Elementen ausgeliefert und dennoch kraftvoll genug, sich den Winden zu widersetzten. Sich dem Lauf des Lebens entgegenzustellen.
Viele fanden ihn abstoßend, doch sie erkannte die Weisheit, die in seiner Seele lag. Es gab nur wenige Möglichkeiten in einer Welt, wie der Ihrigen, zu überleben oder gar anerkannt zu werden.
Einen kurzen Moment, ein Bruchteil in der unbändigen Zeit des Raumes, schaute er ihr noch einmal auffordernd in die Augen, doch sie konnte ihm nicht folgen. Das Schicksal hatte sie an die Erde gebunden. Gefesselt für immer.
Er sah es und eine hell schimmernde Träne rollte aus seinen dunklen Augenwinkeln. Sie leuchtete auf wie tausend Diamanten, doch viel wertvoller. Nur durch sie zeigte er ihr, dass er sie auch vermissen würde. Niemals vergessen. Langsam sickerte sie über das schwarze Gefieder, bevor er sich von ihrem Arm abstieß und die Flügel ausbreitete.
Die schwarzen Federn des Raben brachen sich mit den Sonnenstrahlen und riefen in ihr einen Wunsch hervor, der tiefer war, als sie es sich jemals hatte vorstellen können.
Den Wunsch, ihm zu folgen.
Die Luft war niemals ihr Element gewesen. Sie wusste, fliegen konnte sie nicht, doch er konnte auch nicht auf der Erde leben. Verschiedene Elemente und Kulturen trennten sie und verbanden sie doch so fest, dass es schmerzte bei dem Gedanken, ihn nie wieder zu sehen.
Ein Rabe.
Ein kleiner Fleck in der Unendlichkeit und nur ein schwarzer Punkt für all die Menschen, durch deren Blickfeld er durch die Lüfte schwebte.
cute_fighter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.08.2006, 12:41   #2
Appelschnut
 
Dabei seit: 07/2006
Beiträge: 279


Das ist schön. Und mir gefällt die Idee, die ich aus deiner Kurzgeschichte lese: Der erste Eindruck täuscht und man muss hinter die Fassade schauen - und dann ist auch ein Rabe zutiefst menschenähnlich.
Das bittere Ende gefällt mir trotzdem, auch wenn es etwas die Illusion zerstört. Mag ich...
Appelschnut ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.08.2006, 12:44   #3
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 1.123


hey.

Vielen Dank dir. Das Bild ist mir plötzlich so in den Sinn gekommen...Schön, dass es dir gefällt. Freut mich .

vlg

cutie
cute_fighter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.03.2007, 21:04   #4
männlich Roan Eck
 
Dabei seit: 01/2007
Ort: München
Beiträge: 168


hey
ich finde Raben und bzw Krähen sind sehr mystische Tiere. sie sind Geheimnissvoller als andere Vögel in ihrem schwarzem Trauergefieder. Auh an Intelekents mangelt es desen Tieren nicht.
Ich finde den test irgendwie so mystsch wie die Tiere. Durch die Krähen und Raben hatte ich mich in eine Gegend bewegt in der Nebl´schwaden zu finden sind. Außerdem ein paar Fichten. Ich finde den Text deswegen lautmalerisch und fantasie anregend.
Sehr gut geschrieben der Schreibstil gefällt mir.
gruß roan
Roan Eck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.03.2007, 16:26   #5
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 1.123


Hej, danke für die späte Antwort =). Freut mich noch sehr, da dies einer der Texte von mir ist, die ich nicht in meiner Sammlung hab verschwinden lassen, sondern ihn etwas umgeschrieben in meinen neuen Roman übernommen habe.

Interessant ist die Landschaft, die du gesehen hast... Denn ich befand mich auf eine weiten Wiesenlandschaft Interessant.

Nochmal danke

Liebste Grüße.
cute_fighter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.04.2007, 12:05   #6
HansSchnier
 
Dabei seit: 03/2007
Beiträge: 9


Standard RE: Rabenaugen

Liest sich sehr angenehm. Die lyrische Welt, die du mit deiner Bildsprache entwirfst, ist wirklich gelungen, auch wenn mir persönlich das Mystische nicht so zusagt.
Aber das hat mehr mit meinem Geschmack als mit der Qualität des Textes zu tun.
HansSchnier ist offline   Mit Zitat antworten
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