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Alt 15.11.2023, 20:09   #1
weiblich LoveWriting
 
Dabei seit: 08/2023
Ort: Berlin
Beiträge: 8


Standard Marmeladenglasmomente

“Wisst ihr, was ich mir manchmal vorstelle? Dass man so eine schöne Zeit einfach in ein Marmeladenglas stecken könnte. Und wenn man unglücklich ist, dreht man einfach den Deckel auf und schnuppert ein bisschen daran.” - Cornelia Funke

Es ist ein nasser, veregneter Herbsttag in meiner Kindheit. Meine Oma und ich kommen von einer Kindergartenaufführung aus der Turnhalle und es fängt an in Strömen zu regnen. „Schaffen wir es bis zum Auto, ohne komplett nass zu sein?“ Aufgeregt sind wir bis zum Auto gerannt, haben es gewagt, nass zu werden. Wir sahen uns an und fingen beide herzlich an zu lachen. Trotz durchnässter Kleidung waren wir vollkommen glücklich und froh, zusammen durch den Regen gerannt zu sein. Niemals allein.

Ich denke an einen Familienurlaub am Strand. Wie schön es war, irgendwohin zu fahren und sich keine Gedanken zu machen was gestern war oder morgen sein wird. Einfach Kind sein.

An dem Tag meiner Abschlussfeier sah ich in die stolzen Gesichter meiner Eltern. Ich hielt eine Rede und fühlte mich zum ersten Mal seit langem vollkommen glücklich.

In dieser Erinnerung bin ich mit ihm zusammen auf der Tanzfläche. Wir sind allein und einige Augen sind auf uns gerichtet. Ich schließe die Augen und wir schunkeln zu einem Lied, das gerade läuft. Keiner von uns beiden kann wirklich gut tanzen, aber in dem Moment war es mir gleichgültig, was andere davon halten könnten. Es gab nur uns beide.

Ich denke an mich und meine Schwester. Sie übernachtet zum ersten Mal bei mir in meiner ersten eigenen Wohnung. Wir liegen im Bett, haben uns Pizza bei einem italienischen Restaurant bestellt und lachen vor Glück über die scheinbar sinnlosesten Dinge.

Ich bin mit ihm in unserem ersten eigenen Urlaub. Es ist eine kleine Stadt, doch das Einzige, das wir brauchten, waren wir allein. Wir sahen zusammen den schönsten Sonnenuntergang.

Das erste Mal Autofahren üben mit Papa. Sein spürbares Vertrauen und meine Angst, etwas kaputt zu machen. Die Kombination aus Gegensätzen lässt mich lächeln.

Was sind Marmeladenglasmomente eigentlich für mich?
Es sind Erinnerungen, Familie, Glück und Liebe. Es sind Augenblicke, die so schön sind, dass man sie einfangen und für immer behalten möchte. Es sind Geschichten, die zwar schon viele Jahre her sind, aber immer genau an Ort und Stelle bleiben.
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Alt 15.11.2023, 21:32   #2
Tanka
Gast
 
Beiträge: n/a

Standard Gut

gewählt und erzählt, jede/r hat solche Momente in der Erinnerung eingebrannt, jede/r nennt sie anders oder hat gar keinen Namen dafür.

"Marmeladenglasmomente" gefällt mir gut, wäre ich selbst gerne drauf gekommen.

Gern gelesen, T.

P.S. Die private Fahrstunde, passt die chronologisch zur Abfolge?
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Alt 18.11.2023, 10:43   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 61
Beiträge: 6.721


Hallo LoveWriting,

ein schönes Stück Kurzprosa ist dir hier gelungen.

Schöne Grüße

DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2023, 11:42   #4
männlich Axel-Gerd
 
Benutzerbild von Axel-Gerd
 
Dabei seit: 12/2022
Ort: Nähe von Rostock
Beiträge: 15


Hallo LoveWriting,
genau mein Ding, hat mir sehr gut gefallen. Weiter so.
Gruß Axel.
Axel-Gerd ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2023, 13:09   #5
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.109


Aber die Erbsenzählerin hat mal wieder zu mosern.

Doch zuerst: Der Titel ist wundervoll ausgedacht und lädt zur Interpretation gleich mehrerer Metaphern ein. Sehr schön.

Aber:

Mit „es“ sollte man den Anfang eines Satzes nach Möglichkeit vermeiden. Der Hinweis „meiner Kindheit“ ist überflüssig, denn dass es sich um eine Szene aus dem Vorschulalter handelt, geht aus dem nächsten Satz hervor. „Schaffen wir es bis zum Auto, ohne komplett nass zu sein?“, ist widersinnig ausgedrückt, denn das bedeutet, nass zu sein sei die Bedingung, das Auto zu erreichen. Richtig hätte es heißen müssen: „Schaffen wir es bis zum Auto, ohne komplett nass zu werden?“ Im vorletzten Satz ist „durchnässt“ überflüssig, denn dass man das Auto nass erreicht hat, wurde bereits gesagt.

„Vollkommen glücklich“ im dritten Absatz hatten wir bereits im ersten Absatz. Hier hätte man sicherlich einen anderen Ausdruck finden können. (Im fünften Absatz abermals „Glück“.)

Ob im dritten Absatz „Am Tag …“ statt „An dem Tag …“ besser wäre, lasse ich dahingestellt, ich hätte die Kurzform bevorzugt, um nicht den Anschein zu erwecken, die Abschlussfeier habe sich über mehrere Tage erstreckt, so dass mit „dem Tag“ ein besonderer Tag herausgestrichen werden muss.

Schön wäre gewesen, wenn die Schwester einen Namen gehabt hätte. Desgleichen die beiden „ihm“. Das hätte die Geschichte lebensechter wirken lassen und den Leser mehr in sie hineingezogen. Mit dieser Anonymität der Figuren wird er jedoch auf Distanz gehalten.

Im letzten Absatz nochmal „Glück“ – es wirkt wie ein Stereotyp, also nicht sonderlich einfallsreich.

Am Ende wäre wünschenswert gewesen, den „Marmeladenglasmomenten“ einen größeren Raum zu geben, statt sie auf einige wenige Erinnerungsfetzen abzustellen, mit denen der Leser nicht viel anfangen kann. Weshalb erinnern die schönen Erlebnisse ausgerechnet an ein Marmeladenglas? Worin liegt die Verbindung?

Gelungen ist indessen das Fazit: Geschichten, die immer genau an Ort und Stelle bleiben. Das ist sehr schön ausgedrückt.

Besten Gruß
Ilka
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.11.2023, 21:24   #6
weiblich LoveWriting
 
Dabei seit: 08/2023
Ort: Berlin
Beiträge: 8


Hallo ihr Lieben,
ich wollte mich für die Kritik bedanken.

@Tanka:
Ja, ich habe beabsichtigt eine chronologische Reihenfolge gewählt. Mir wären auch noch viele weitere Marmeladenglasmomente eingefallen (auch einige nach dem Ereignis mit der privaten Fahrstunde). Ich dachte mir dabei, dass es vielleicht ganz schön ist, mit einem Familienmitglied zu enden, weil Familie mir persönlich auch sehr wichtig ist.

@Ilka-Maria:
Ich sehe die kritisierten Sachen jetzt auf jeden Fall deutlicher und kann sie auch nachvollziehen. Ich glaube beim Schreiben des Textes und auch beim mehrmaligen Überlesen ist mir nicht direkt aufgefallen, dass ich Wörter wie „glücklich“ so häufig wiederhole, weil es innerlich genau das ist, was ich fühle - nämlich pures Glück.
Warum mich diese Erinnerungen an ein Marmeladenglas erinnern, findet man oben im Zitat von Cornelia Funke, aber auch am Ende des Textes. Marmelade ist süß, genauso wie meine Erinnerungen in dem Text. Wenn man das Glas aufmacht und daran riecht, bekommt man ein Gefühl von zu Hause und die Erinnerung ist wieder komplett vorhanden. Man könnte es vielleicht auch wie einen Flahback betrachten - nur in guten Sinne.
Ich hoffe ich konnte es noch ein bisschen besser erklären, aber falls du noch Fragen hast, beantworte ich sie natürlich gerne.
LoveWriting ist offline   Mit Zitat antworten
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