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Alt 02.05.2010, 20:39   #1
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Standard Die Mäusefamilie

Die Mäusefamilie

Während der Schnee noch vor dem Haus lag und sich die Tiere feig im Wald versteckt hielten, geschah es, dass sich ein Halm seinen Weg durch die schwere Decke aus Eis bahnte. Einige Mäuse, die halb erfroren und halb verhungert des Weges kamen, staunten nicht schlecht, als sie in der kristallenen Einöde das kleine, junge Gras erblickten.

„Was mag dies für ein seltsames Gewächs sein?“, fragte der Mäusevater, „hier ist doch schon alles tot oder eingefroren.“

Die Mäusekinder waren ganz aus dem Häuschen. So, wie sie durcheinander redeten, verstand man nur Dinge wie „Aber wie schön es ist!“, „Wird es noch größer?“ oder „Hoffentlich erfriert es nicht!“

Die ausgezehrte Mutter war die einzige, die sich nicht für das kleine Grün zu interessieren schien. „Lasst uns weiterziehen“, appellierte sie, „wenn wir noch mehr Grünes jemals wiedersehen wollen, brauchen wir Nahrung und vor allem ein Heim für den Winter.“

Müde schleppte sich die Bande weiter, doch schon nach Kurzem bemerkte die Mäusemutter etwas. „Wo ist mein kleines nur hin? Eben war es noch hier.“ Das jüngste der Mäusekinder war tatsächlich nirgends zwischen seinen Geschwistern zu finden. Es war der Vater, der sein jüngstes Kind unter dem Halm liegend fand. Voll Trauer sprach er: „Lasst uns weiterziehen“, und mit gesenkten Häupter zog die Mausfamilie weiter, um den Winter irgendwie zu überstehen.

Das Kleine nun fühlte, dass ihm nicht mehr lange Zeit bleib und so fragte es sich schwach: „Wo ist sie hin, meine Zeit? Wieso muss ich schon wieder gehen?“ Da beugte sich der Grashalm tief, so tief gar, dass er das sterbende Mäusejunge umwickeln konnte. Das Grün sprach: „Mein Kind, ich halte dich und du lass nicht los, dann sollst du wieder die warme Sonne spüren.“ Doch das Kind zitterte und vor Angst streckte es seine kleinen Krallen gegen des Halmes Griff. Dieser hingegen sagte nur wieder: „Mein Kind, ich halte dich und du lass nicht los, dann sollst du wieder die warme Sonne spüren.“

Von der Anstrengung nun auch der letzten Kraft beraubt, hörte das Mäusejunge auf, sich zu wehren. Zu schwach, um noch etwas zu sagen, dachte es an den Tod, während sich der Halm noch mehr um es wand; schließlich entschlief das Mäusejunge.

Als es unerwarteter Weise wieder aufwachte, staunte es nicht schlecht; es selbst war gut genährt und kräftig und kein Halm mehr umgriff es. Da spürte es auf dem Fell die warme Sonne, wie sie durch die Blätter eines großen und mächtigen Baumes strahlte. Langsam torkelte das Mäusejunge zu einer Wurzel des Baumes, stemmt die Pfoten darauf ab und ließ seinen Tränen freien Lauf.
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