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Alt 24.08.2010, 21:23   #1
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Standard Das Märchen von der Schönen Statue

Eines Tages erwarb ein junger Herr eine steinerne Statue. Obwohl der junge Herr nicht aus reichem Hause war, gab er sein ganzes Erspartes für diese Figur. Er wusste, dass es wahrscheinlich töricht genug war, diese Statue auch nur anzusehen, doch er beging diese Sünde und erlag ihrer Schönheit. Die liebevoll ausgeschmückten Feinheiten der in sich schlichten Gewandung schmiegten sich in herrlicher Synphonie an den weiblichen steinernen Körper. Am meisten jedoch faszinierte sich der Junge am Gesicht der grauen Schönheit. Obwohl sie aus Stein war, gab ihr verzücktes Lächeln dem Gesicht die Wärme, die von Meisterhand geschaffene Wange schien das bleiche rosa einer romantischen Adelsfrau anzunehmen und je länger der Herr ihr in die Augen blickte, desto mehr erkannte er hinter dem kalten Gebilde die klaren, hellen blau-grünen Regenbogenhäute seiner Geliebten.

"Was will ich mit Gold", sprach der junge Herr wie zu der Statue, "wenn ich etwas habe wie dich? Stets will ich mich daran ergötzen, dich einfach anzusehen und dich näher zu wissen als jeden anderen."

Die Wochen zogen ins Land und der Herr begnügte sich, nur seinem Worte zu folgen. Eines Morgens jedoch wachte er auf und dachte: "Schön wäre es natürlich, wenn die liebliche Statue nicht aus Stein, sondern aus Gold wäre." Da erschrack der junge Herr vor sich selbst und er gedachte des Gelöbnisses, zugunsten seiner liebgewonnenen Steinstatue auf alles Gold zu verzichten.

So strichen weitere Wochen und Monate dahin, doch das Verlangen des Jungen nach einer goldenen Statue wuchs beständig. Als er es nicht mehr aushielt, griff er zu Hammer und Meisel und begab sich vor seine Statue. Wie Keimlinge stiegen Zweifel in ihm auf.

"Was tue ich hier?", frage sich der junge Herr, "will ich meine schöne Steinfigur wirklich zerstören, um eine goldene zu gewinnen? Man wird mir mein Gold vielleicht neiden und es ist nicht gewiss, ob meine Statue dann immer bei mir bleiben kann. Behalte ich sie aus Stein, wird sie jedoch für alle Zeiten an meiner Seite verweilen. Doch mein Verlangen ist groß! Ich muss es einfach probieren. So habe ich denn zwei Möglichkeiten: Entweder erhalte ich die vielleicht schönste goldene Statue der Welt... oder aber ich zerstöre meine Geliebte Steinfigur. Aber mir bleibt keine Wahl, das Risiko muss ich jetzt eingehen!"

Und ohne lange Zaudern setzt der junge Herr seiner schönen Figur den Meisel auf die Brust und schlug einmal kräftig zu, dass die Oberfläche Risse bekam und zu bröckeln begann.


Bekam der junge Herr seine goldene Figur? Nahm sie ein Neider mit sich oder lebten die beiden für immer bei einander? Oder aber: Ward die schöne, stabile Steinfigur in blinder Gewalt des Herzens vernichtet?
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