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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 25.07.2007, 14:28   #1
Jeanny
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660

Standard Antwort auf Klarheit

Stumm wie ein Baum steh ich da und
lasse den Wind sich in mir austoben.
Ertaubt durch dich höre ich den
Klängen der leisen Melodie zu.

Erblindet durch Arroganz seh ich
all die Regenbogenfarben.
Kalt, oed und leer ist mein Fühlen
im Heute dir ausgewichen.

Du bist so groß, nicht zu übersehen.
Ich frage mich nur, wo du bist...

Meinst, du bist in mir.
Bist also dieser Klumpen,
der sich nicht füllen läßt.
Die Leere in meinem kleinen
Körper, für den du glaubst,
zu groß geworden zu sein...
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Alt 28.07.2007, 22:52   #2
turmfalke
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 677

Hi.
Ich fang einfach mal ohne Umschweife an.
Also: den Titel find ich ziemlich blöd. Der ist nichtssagend, macht daher nicht neugierig und sorgt für so ein „Aha. Und jetzt?“- Gefühl.
Zitat:
Stumm wie ein Baum stehe ich da
Bäume sind zwar stumm, aber warum reicht nicht einfach ein „stumm steh ich da“? Fische sind auch stumm, die würden allerdings die Metaphorik ziemlich lächerlich wirken lassen. Nur dass der Baum hier für mich einen ähnlichen Effekt hat.
Zitat:
lasse ich den Wind sich in mir austoben
Verdrehter geht kaum. Finde ich vom Klang sehr unschön, passt nicht zum nüchternen Rest, klingt wie ein Auszug aus einer Kitschballade. „lasse den Wind toben“ vielleicht? Natürlich würde hier das „in mir“ fehlen, bietet allerdings auch neue Interpretationsmöglichkeiten.
Zitat:
Durch dich taub gemacht
Buäh! Also ich will nix gemacht werden. Das klingt echt unheimlich blöd. „ertaubt durch dich“ vielleicht?
Zitat:
hör ich den Klängen der leisen Melodie zu
Hier finde ich die „Melodie“ wegen des „der“ zu unspezifisch. Wie wäre es mit „deiner“? Also beispielsweise: „lausche ich deiner leisen Melodie“. Sogar noch ohne „leise“. Mit „Melodie“ verbinde ich zumindest ohnehin immer, dass sie leise ist.
Zitat:
Blind geworden durch Arroganz
Das selbe wie bei „taub gemacht“. „erblindet“ klingt schöner. Und Arroganz macht blind? Eben noch alles auf das lyr.Du geschoben, jetzt ist das lyr.Ich selber arrogant? Und wundert sich, dass es davon blind wird? Naja, jedem das Seine, nich wahr?
Zitat:
seh ich all die Regenbogenfarben.
- Yeah, ich fühle mich in einen Hippie-LSD-Trip versetzt. Ich hab so ein dumpfes Gefühl, höre deswegen nicht richtig (nur das leise Gedudel im Hintergrund), sehe nicht richtig (alles verschwimmt zu so spaßigen Farbpaletten) ... geht das noch weiter?
Zitat:
Kalt, oed und leer ist mein Fühlen
- oh, der große Absturz. Nur das Bild, dass das „Fühlen“ kalt, öd und leer ist, krieg ich nicht so ganz auf die Reihe. Aber wie gesagt...
Zitat:
im Heute dir ausgewiechen.
- Wow, Neologismus oder einfach Rechtschreibfehler? Ich tippe auf letzteres. Also, „ausgewichen“ schreibt sich ohne „ie“. Denn „ie“ wird zum Dehnungs-i und zumindest ich spreche das nicht gedehnt aus. Die Syntax scheint schon wieder so verdreht. Das steht dem Gedicht nicht.
Zitat:
Du bist so groß, nicht zu übersehen.
Ich frage mich nur, wo du bist...
Oh man, hier könnte ich wirklich lachen. Zurück auf dem LSD-Trip: „Schatz, wo bist du nur? Wo bist du?“ „Direkt vor deiner Nase“ „Wo bist du nur?“
Daher klingt die Strophe für mich recht lächerlich. Auch, wenn sie vielleicht rührend und hilflos wirken soll.

So, in der letzten Strophe wird’s nun recht spaßig:
Zitat:
Meinst, du bist in mir.
- klingt merkwürdig. Vor allem im Zusammenhang mit:
Zitat:
Bist also dieser Klumpen,
und
Zitat:
der sich nicht füllen läßt.
Aber eins nach dem andern: Der Klumpen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich den sprichwörtlichen „Klumpen am Bein“, etwas, das einen am Vorankommen hindert. Die Weise, wie du dieses Bild entstehen lässt, sorgt aber dafür, dass es wie eine sehr lustige Anschuldigung klingt.
Und jetzt: „der sich nicht füllen läßt.“ Okay, hab ich was verpasst? Klumpen? Hat bei mir das Aussehen von Lehm oder so. Beton. Irgendwas massives eben. Füllen? Hä? Der Klumpen ist hohl? Dann wärs ja gar kein echter Klumpen mehr. Verstehen wir das Selbe unter „Klumpen“? Ich wage es langsam zu bezweifeln.
Aber ich bin ja nicht dumm, ich hab ja eine Theorie:
Zitat:
Die Leere in meinem kleinem
Körper, für den du glaubst,
zu groß geworden zu sein...
Das enthält die Auflösung. „Die Leere in meinem kleinen Körper“ (Ja, stimmt ja: Das „kleinen“ wird am Ende mit „n“ geschrieben, nicht mit „m“) ergo: der Körper ist leer. Ergo: der Körper ist hohl. Hohl? Das hatten wir doch schon mal! Der Klumpen! Also ist der Körper der Klumpen. Wäre ziemlich cool, weil sich dann das lyr.Ich der eigene Klumpen ist. Ist allerdings in Anbetracht deines Gedichts unlogisch, da ja der Klumpen ganz klar ans lyr.Du gerichtet ist. Schade.

Dir mag aufgefallen sein, dass ich am Ende keine Verbesserungsvorschläge mehr gemacht habe. Das liegt daran, dass ich beim besten Willen nicht mehr wusste, wie du es am Ende meinst, wer da wessen Klumpen ist, was der Klumpen ist und wen er wie ... ach du weißt schon.
Also: Gedicht ist zum Ende hin verwirrend, der Anfang ist in verbesserter Form brauchbar, die Vergleiche find ich alle ziemlich langweilig und unnötig.
Im Grunde trifft das, was ich über den Titel geschrieben hab, auch auf den Rest zu.

Tut mir leid, aber das war nix für mich.
Gruß,
turmfalke
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Alt 28.07.2007, 23:04   #3
Jeanny
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660

Standard RE: Antwort auf Klarheit

Hallo Turmfalke,
danke für Deine Kritik.
In diesem Forum steht ein Gedicht, welches "Klarheit" heißt und
mein Geschreibse ist einfach eine Antwort darauf.
So heißt es ja auch "Antwort auf Klarheit".
Man muß nicht immer alles verstehen müssen, die menschliche
Logik ist sehr breit gefächert.
Ich auf meiner Ebene habe das Gedicht "Klarheit" für mich verstanden
und darauf auf meine Art und Weise geantwortet.
Nicht jeder sieht den selben Film und nicht jeder versteht den gleichen
Film gleich.
Liebe Grüße Jeanny
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Alt 28.07.2007, 23:35   #4
weiblich ravna
 
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Alter: 38
Beiträge: 732

Standard RE: Antwort auf Klarheit

Hallo Jeanny,

zuerst: ich finde es unverschämt, dass du auf eine lange und ausfürliche Kritik offenbar nichts anderes antworten kannst, als dieses Subjektivitätsblabla. "Geschreibse" ist tatsächlich ein treffendes Wort für deine Textproduktion.
Es ist schön, dass du dein "Gedicht" verstanden hast. Noch schöner wäre es, wenn du den Brei dann schon einer Öffentlichkeit präsentieren musst (und das klingt jetzt wohl böser als es gemeint ist), wenn die Leser auch etwas damit anfangen könnten. So wäre zum Beispiel ein Link zu dem Gedicht "Klarheit" mehr als hilfreich.
Nichtsdestoweniger ist dein 'Geschreibse' einfach nur schlecht.
Da hilft auch die Aussage, es sei auf einen Text bezogen, wenig.

Die letzte Strophe klingt nach Gebärmutterhalskrebs und Sehnsucht nach Sex. Die davor klingen einfach nur nach "Ich hab mal den Knopf auf dem Geschenkbüchlein-Gedichte-Automaten gedrückt".

Die Metaphern sind überholt, natürlich Wortwiederholungen, verdrehte Syntax - und irgendwie habe ich ein deja-vu-Gefühl: achja, das alles wurde ja schon kritisiert. Nur leider bist du mit keinem Wort darauf eingegangen.

Gruß,
Ravna
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Alt 28.07.2007, 23:59   #5
Jeanny
 
Dabei seit: 04/2007
Beiträge: 660

Standard RE: Antwort auf Klarheit

Boing...
Bin jetzt echt irgendwo angestossen.
O.K.,ich bin ein grottenschlechter Schreiber, das mußt Du mir nicht sagen.
Jeder hier hat seine Art und Weise und meine Weise ist eben keine Weise und WAS bitte schön soll ich denn noch erklären, wenn ich
eh schon am Schafott stehe?
Wer, nur, weil er nicht versteht, gleich andere so angreift,der
braucht auch keine Antwort mehr.
Der hat sich seine Programmantwort doch längst erschaffen.
Ich finde mich nicht unverschämt, weil ich Antworten gegeben habe.
Wenn Du es zu problematisch siehst, da nach zu schauen, dann ist
das Deine Sache und ICH lasse mich durch Dich nicht hinstellen,
wie jemand, der dumm und dämlich durchs Leben rennt.
Fakt ist doch, daß Du nichts verstanden hast.
Gut, in Ordnung, nimm Dein Typ und geh se...
machen, was Du willst.
Ich komm nicht in Dein Film.
Und wenn Du das nächste Mal glaubst, mich angreifen zu müssen
auf so eine ARt und Weise, dann tu das per pn.
Dann hab ich auch was davon
Jeanny

Hallo Turmfalke,
nun noch mal mit Zeit einen Versuch, diese Zeilen zu erklären.
Das Gedicht heißt so, weil es eine Antwort auf ein anderes, hier im
Forum stehendes Gedicht ist- und das heißt eben Klarheit.
Mein Gedicht beschreibt eine Beziehungssituation,wo der Partner nicht mehr bereit ist, die alltäglichen Brocken allein zu tragen.
Er hat dies den Partner mitgeteilt und keine Reaktion erhalten.
Er ist verstummt wie ein Baum und der alltägliche Trott wuselt einfach weiter.
Die Aufzählungen von "taub gemacht,blind geworden", sollen andeuten, daß es zwar ziemlich hart war mit diesem Menschen zu
leben, aber man doch auf seine Art und Weise nun anfängt neu etwas
zu beginnen. Neu zu hören, neu zu sehen und neu zu fühlen.
Wenn eine Beziehung ins Straucheln gerät, hat man mitunter einen Klumpen im Bauch.(so ist das jedenfalls bei mir)
Man würde gern etwas an der entstandenen Situation ändern, was man aber nur ändern kann, wenn der Partner mit zieht.
Nicht immer zieht der Partner mit und somit bleibt erst einmal der Klumpen ein Klumpen.
Und die letzte Strophe soll andeuten, daß die sich "klein gemacht" fühlende Partnerseite dabei ist, über der Größe des Partners neu zu stehen.

Ist etwas später geworden mit der ausführlichen Auseinandersetzung,
hatte einfach nicht genügend Zeit und wollte in Ruhe etwas dazu sagen, sorry
Liebe Grüße Jeanny

(zusammengefügt von turmfalke am 29.7.07 um 14:14)
Jeanny ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2007, 23:25   #6
weiblich ravna
 
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Alter: 38
Beiträge: 732

Hallo Jeanny,

es geht nicht darum, was der Inhalt deines Textes ist, den würde ein Blinder ohne Braille-Zeile an seinem PC noch erfassen können. Und das liegt nicht am Inhalt sondern an der Umsetzung.
Darum geht es vorwiegend in den Kritiken. Und auf eben diese Kritik an der Umsetzung hast du keinerlei Antwort gegeben. Du beharrst stupide darauf, dass deine Leser zu dumm seien, einen der banalsten Texte aus der Geschichte des Lyrik-Forums zu verstehen.
Wie schon gesagt: der Inhalt ist nichts das Problem. Ich für meinen Teil habe zwar das Beziehungsblabla in Lyrik satt, aber es ist ein Inhalt mit dem man arbeiten kann. Aber eben eine solche Arbeit merkt man deinem Text nicht an. Da fehlt leider nicht nur das Handwerk, sondern auch das Gefühl und das Bewusstsein für die Sprache.
Es ist auch in Ordnung, wenn du nicht schreiben kannst und kein Interesse daran hast, es zu lernen. Aber dann sei so gut und poste keine Texte in einem Forum für eben solche und die Arbeit an ihnen. Und wenn du etwas dazu lernen möchtest, dann geh' verdammt noch mal auf die Kritik ein die du bekommst. Sollte eine Kritik für dich unverständlich formuliert sein, darfst du den entsprechenden Kritiker sicher auch noch einmal bemühen.
Du musst auch gar nicht "in meinen Film kommen". Und wenn du mir schon sagen möchtest, dass ich mit irgendjemandem ficken soll, anstatt dir etwas zu deinem Text zu sagen, dann habe wenigstens den Mut das schlimme Wort "Sex" auszuschreiben. Das tut niemandem weh und auch die Kiddies die hier teilweise rumrennen haben den Aufklärungsunterricht schon hinter sich.

Gut und nun konkret zu der Umsetzung eines Inhaltes in einem Gedicht, explizit an deinem Text hier oben. Ich hole mal etwas weiter aus, um dir die Zusammenhänge zu erläutern und um dir aufzuzeigen, dass ich mir diese Kritik nicht ausdenke.

Das was wir heute als "Ästhetik" verstehen, begann sich im 18. Jahrhundert auszuprägen. Damals entwickelten sich Staat und Kirche auseinander und so kam es auch, dass die Philosophie nicht mehr dem Diktum der Kirche unterworfen war, sondern stetig selbstständiger wurde. Die Kirche hatte zuvor eine Schönheitstheorie geprägt, welche sehr auf Gott bezogen war. Dies wollten die Philosophen der Aufklärung nicht mehr fraglos hinnehmen. Den Begriff "Ästhetik" prägte zu dieser Zeit G. Baumgarten, der ein viel beachtetes Werk "Aesthetica" schrieb, allerdings noch in der Gelehrtensprache - auf Latein. Sein Latein ist nicht eben d as einfachste, bis heute ist seine Ästhetik nicht vollständig ins Deutsche übertragen worden, aber soweit ich weiß, wird daran gerade gearbeitet. Aber da die meisten Gelehrten Latein sprachen, fand sein Werk unter den Aufklärern durchaus Freunde. Auch andere Autoren und Philosophen äußerten sich zu den Vorstellungen, was Schönheit ausmacht und wie Schönheit in Kunst erzeugt werden kann. Wichtig für die Literatur war dar vor allem Martin Opitz. Die Autoren unterscheiden sich zwar in einigen Punkten, aber in vielen Dingen ähneln sie sich auch.
Die Schlagworte der damaligen ästhetischen Theorien waren: Vollkommenheit, Kraft, Ausdruck, Harmonie (im Sinne eines stimmigen Ganzen).
Aber das Ganze sollte natürlich nicht so bleiben. Die folgenden Einflüsse möchte ich nicht so ausgiebig erläutern wie die Wurzeln, denn diese sind meiner Meinung nach noch immer das Wichtigste, trotzdem komme ich nicht umhin die wichtigsten Faktoren in der Folgezeit aufzuzeigen:
Sehr wichtig für die Literatur war zum Beispiel die Psychoanalyse Freuds. Seit Freud gibt es zum Beispiel nur noch extrem wenige Menschen, die nicht an ein "Unterbewusstsein" glauben, seine Triebtheorien und das Instanzenmodell von "Es"-"Ich"-und "Über-Ich" sind für viele Künstler wichtig geworden, ebenso wie seine Theorien über Träume - Dali wäre hier zu nennen, Kafka natürlich auch, Celan ebenfalls.
Ein wichtiger Philosoph war Hegel, seine Vorlesungen zur Ästhetik liegen in drei Bänden im Suhrkamp-Verlag vor, zusammengefasst aus den Mitschriften seiner damaligen Studenten. Hegel vertrat unter anderem die Auffassung, dass Kunst möglichst eindeutig sein sollte - und eben in diesem Punkt widersprachen ihm außerordentlich viele.
Jetzt hüpfe ich mal schnell in das 20. Jahrhundert und konkret nach Deutschland und seine Umgebung.
Das Jahrhundert begann mit patriotischen Tendenzen, Naturlyrik wurde auf einmal wieder modern, Heimatlyrik ebenfalls. Es folgte auf vielen Seiten die Kriegsbegeisterung. Ein anderer Faktor war die Industrialisierung, hier findet man schnell zu den Expressionisten. Die Welt nahm einen schnellen Wandel, schneller als wohl für die meisten Menschen verständlich - es entwickelten sich Ängste, sogar Weltuntergangsängste. Nach dem ersten Weltkrieg folgte schnell die Ernüchterung der einstigen Kriegsbegeisterung. Viele der damaligen Autoren waren selbst an der Front, einige kamen von dort nicht wieder zurück. Die Bilder vom Krieg stellen natürlich eine literarische Ästhetik in Frage, welche "Schönheit" fordert - und die Ästhetik nahm einen massiven Wandel, fortan ging es nicht mehr (respektive noch weniger als zuvor) darum, ein althergebrachtes Schönheitsideal zu bedienen, sondern darum, sich (und die eigene Weltwahrnehmung) auszudrücken. Doch auf den ersten Krieg folgte schnell der zweite, diesmal sogar noch unter ganz anderen Bedingungen, nämlich unter dem Diktat des Nationalsozialismus. Und wieder wurde in der Jugend (und auch unter den Älteren, ja sogar unter denen, welche den ersten Weltkrieg miterlebt hatten) eine Begeisterung aufgebaut. Nebenbei geschah noch etwas: Teile der Kunst wurden als entartet erklärt, Bücher "nicht vertretbarer Autoren" verbrannt und verboten - die geistige Elite des Landes wanderte aus, verschanzte sich, oder schloss sich den Nazis an und, was ganz wichtig ist: die Sprache wandelte sich. Worte bekamen neue Inhalte, der Fremdwortgebrauch nahm zu (ja richtig, nicht ab), durch endlose Wiederholungen von Phrasen wurde den Menschen ein ganzen Vokabular eingeprägt, welches beschönigte, verherrlichte und einem gnadenlosen Gigantismus folgte. Nach dem Fall des dritten Reiches kam dann eine wichtige Frage auf, die dass deutsche Ästhetik-Verständnis (leider) noch heute prägt: nämlich die, ob Lyrik/Literatur nach Auschwitz (stellvertretend für alle Schrecken des Nationalsozialismus) überhaupt noch möglich sei. Und wenn sich etwas eindeutig gezeigt hat, dann, dass sie noch möglich ist. Die Autoren schrieben weiter. Zuerst wurden die Kriegschrecken verarbeitet. Hier ist ein wichtiger Autor zum Beispiel Wolfgang Borchert (welcher u.a. ziemlich viele Kurzgeschichten schrieb) und in einer Art literarischem Manifest äußerte: „Wir brauchen keine Dichter mit guter Grammatik, wir brauchen Dichter, die zu Baum Baum und zu Weib Weib sagen.“ (sinngemäß zitiert, ich habe keine Lust sein Gesamtwerk zu suchen, weil ich nicht weiß, wo das gerade rumsteht, dass Zitat im Originalzusammenhang jedenfalls kannst du in seinem Text „Das ist unser Manifest“ nachlesen) – und Borchert verfolgte eben dieses Prinzip nicht. Er war konkret, ja. Aber eben nicht, weil er zu Baum Baum sagte, sondern weil er mit eindringlichsten Worten den Baum umschrieb. Eine Geschichte, welche ich dir sehr ans Herz legen möchte, weil ich denke, dass sie dir gefallen wird und vielleicht auch deinem Schreiben hilft, ist: „Alle Milchgeschäfte heißen Hinsch“. Du findest sie in seinem nachgelassenen Werk, welches unter dem Titel „Die traurigen Geranien“ erschien.
Es kamen noch viele, viele andere Einflüsse bis heute, die Postmoderne wäre zum Beispiel noch wichtig, aber ich werde langsam müde.
Noch ein wichtiges Element muss ich allerdings erwähnen: und zwar das anwachsende Bewusstsein für die Sprachverwirrung – den Turmbau zu Babel. Umberto Eco hat hierzu ein wunderbares Buch geschrieben, es heißt „Die Sehnsucht nach der vollkommenen Sprache“. Er zeigt ein nicht nur literarisches movens auf .
Das heutige Schreiben, danach muss jetzt die Frage sein. Was bewegt uns heute? Ich kann schlecht für uns beide sprechen, ich bin ein Kind der Achtziger, du bist eines der siebziger. Ich bin ein Krisenkind, aufgewachsen irgendwo zwischen Tschernobyl, dem Feminismus und den gesammelten anarchischen Bewegungen, erwachsen geworden mit dem 09.11, dem Terrorismus, der Globalisierung, dem Irak-Krieg. Aber auch du hast diese Krisen mitbekommen – nur aus einer anderen Perspektive.
Was wir uns heute fragen müssen ist: Wie können wir schreiben, wie wollen wir schreiben, was bewegt uns und warum bewegt es uns? Warum schreiben wir überhaupt?
Und nun möchte ich dich fragen: Warum schreibst du?
Was mich an deinem Text stört, ist, dass er nicht in die heutige Welt passt. Wo ist heutzutage noch Raum für Eindeutigkeiten? Woher nimmst du unangetastete Natur? Es kann nicht aus einer Sehnsucht danach sein, denn das ist nicht Thema des Gedichtes. Es kann auch nicht symbolisch für eine Sehnsucht nach dem Unzerstörten stehen, denn du nutzt es um die Zerstörung zu beschreiben. Warum benutzt du Bilder, die jeder kennt, die ihre Wurzeln irgendwo in der Romantik haben? Es wäre mir lieber, du würdest schreiben: „Du bist ein verdammtes, verficktes Arschloch und ich habe keinen Bock mehr dir Aufmerksamkeit zu geben, aber ich kann zur Hölle noch mal nicht ohne dich.“, als dieses leidige, bemühte Schreiben, welches deinem Text zu Grunde liegt.
Wenn du konkret sein willst – in Ordnung, aber sei es angemessen. Das Konkrete, was du verwendest ist nicht das Konkrete unserer Zeit, es ist ein verstaubtes Relikt, ein salzloses Brot aus Pompeji.
Leg es ab. Schreib aus dir, schreib aus dem was du siehst, aus dem was du sehen und ertragen musst. Und schreib nicht über dich, wenn du nicht eine gesunde Distanz zu dir selbst entwickeln kannst. Beobachte die Welt, ihre Bewohner, ihre Sprache(n). Tritt auch mit dir selbst in einen kritischen Dialog.
Und hör bitte auf, aus einer Perspektive zu reden, die du nicht hast und nicht haben kannst. Ich glaube dir nicht, dass du dir in deiner Welt, in deinem Film sicher bist.

Gruß,
Ravna
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