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Alt 07.12.2016, 02:00   #1
männlich Heinz
 
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Standard 14. Kapitel Urlaub in Jena

14. Kapitel

Schade - mein Versuche, den Mond mit extrabreiten Tesastreifen festzukleben, mit schmaleren den Vögeln die Schnäbel zu verschließen, um diese Nacht, wenn schon nicht endlos zu machen, aber wenigstens ein wenig zu verlängern, waren erfolglos. Das vielstimmige Frühkonzert der kleinen Sänger, die ersten Sonnenstrahlen weckten mich und - ich war allein im reichlich zerwühlten Bett.
Elischa? Wo bist du?
Geträumt - hatte ich das alles nur geträumt?
Erleichterung, tiefes Einatmen - Herzchen, klopf ruhiger, langsamer!
Elischa stand, der große Reineclaudenbaum ließ mich die zweite Person, mit der sie sich kichernd unterhielt nicht erkennen. Ein Blatt Papier fiel ihr aus der Hand, die Gesprächspartnerin bückte sich - ah: Diana mit ihrem Jägerhütchen, aber wegen der morgendlichen Kühle noch artig bedeckt, hob das Blatt Papier auf, las davon irgendetwas ab, Elischa hörte lachend zu - nur ich konnte wegen der Entfernung nicht hören, um was es ging.
Was mir durch den Kopf ging, das wusste ich schon: Schade - Elischa muss heute nach Hause, so eine menage a trois, und die in Jena im Schatten des Fuchsturms - schlag es dir aus dem Kopf, bevor du dich an den Gedanken gewöhnst. Ich quälte mich aus dem Bett, au ja, es war noch ziemlich kühl, schlüpfte, nee, quälte ich in meinen Morgenmantel und - das konnte nicht ausbleiben - Zigarette vorm Frühstück zwischen die Lippen geklemmt, die Packung und das Feuerzeug sicherheitshalber in die Tasche gesteckt - marschierte - naja, marschieren konnte man mein mühsames Erklimmen der Stufen bergauf nicht nennen - zu den beiden Grazien.
„Hallo - guten Morgen!“ Im Duett kam zurück: „Auch guten Morgen! Komm mal her - ich muss Dir ein Gedicht von Elischa vorlesen!“ - „Das ist nicht von Elischa, das hat sie bei mir geklaut und haut jetzt damit bei dir auf den Putz!“ Diana lachte: „Nee, die letzten beiden Zeilen haben wir uns gemeinsam einfallen lassen.“ - „Komm her, ich hab hier ein Rezept für eine Delfintherapie.“ Na, mal schauen, was die beiden Kichererbsen sich da haben einfallen lassen. Die letzten zwei Schritte, ein Küsschen für Dianana, ein Kuss für Elischa und“ „Nun fresst euch nicht auf, ihr müsst mich ja nicht neidisch machen! - Willst nun hören?“
Diana schmiss sich in Pose, hielt sich das Blatt Papier mit ausgestrecktem Arm vor die Augen, drehte sich ein wenig nach rechts, damit die Sonne sie nicht blendete und deklamierte das „Rezept“:

„Die Delfintherapie, erfunden und zur Patentanmeldung vorgesehen von Eva Voigt:

Delfinchen, du eifriger Schwimmer in Wellen des wogenden Meeres,
entsperr die versteckten, so winzigen Öhrchen und hör: Ich begehr es,
bei leisem Gesumme recht gründlich und lange geschnäbelt zu werden.
Du bringst mir , du schamloser Racker, viel Lust und den Himmel auf Erden.

Versuch es, Delfinchen, noch einmal, mein feuchtwarmes Fötzchen im Nu zu beglücken,
Ich spreize die Beine, verteile balsamische Öle mit zittrigen Händen
und flehe zum Herrscher des Meeres: O lass den Delfin seine Arbeit beenden;
egal, wie du‘s nennst, dieses Zucken und Kribbeln im Becken, mich kanns nur entzücken.“

An Diana war eine Rezitatorin verloren gegangen, sie sprach mit leichtem Jenenser Dialekt und sauberer Betonung und angenehmer Stimme (letzteres war mir ja nicht neu) und die beiden kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus.
„Und, wie findest du das?“ - „Erstens wusste ich nicht, dass Elischa Amphibrachys...“ - „O, das sind Amphi - was? Ich kenne nur Amphibien.“ - „dass Elischa dieses griechische Versmaß aus dem Handgelenk schütteln kann...“ - „aus dem Handgelenk - das ist gut! Hast du noch so eine Erkenntnis auf Lager?“
Wieso hatte ich das Gefühl, dass die beiden mich nicht ganz ernst nahmen?
Wir einigten uns auf ein gemeinsames Frühstück und jeder darf jetzt raten, wer zum Bäcker fahren musste. Die Brötchen waren noch warm, als ich sie nach der Einkaufsfahrt aus der Tüte holte und - ich wäre fast über die Teppichkante gestolpert: Der kleine blaue Delfin, der achtlos auf dem Bett lag und den ich unters Kopfkissen schieben wollte, war auch handwarm.
Sollten die beiden meine Abwesenheit genutzt... - „Du brauchst gar nicht so erstaunt aus der Wäsche gucken - Diana wollte das Ding auch mal ausprobieren und neue Batterien haben wir auch gefunden.“ Anfangs war ich sprachlos, aber die Offenheit, mit der die beiden schon am frühen Morgen völlig entspannten Schönheiten über sexuelle Themen sprachen, war sehr erfrischend und für mich, der ich doch aus dem freien Westen kam, sehr überraschend und - ich konnte es kaum glauben: Mein Blutdruck stieg wieder an einer Stelle, die ich für mindestens 24 Stunden außer Gefecht wähnte. (ich könnte ja jetzt, weil es keine Zeugen gibt, drauflos fabulieren, aber - es geschah nichts, wofür ich, wäre ich noch Katholik, in der Hölle landen würde. Sicher war - wir haben wunderbar gefrühstückt, herrlich versaute Gespräche geführt und: „Ich muss jetzt rüber in unseren Garten, gleích kommt mein Papa und will mit mir in die Stadt - aber mir besorgst du doch auch so einen Toy?“ - „Wenn ich das nächste Mal nach Jena komme, versprochen, ich schmuggel einen für dich rein.“
„Du, Elischa, es ist gleich elf Uhr, wir sollten uns langsam auf die Socken machen.“
Viel war nicht zu tun, die morgendliche Dusche verlief in gesitteten Bahnen und kurz vor Zwölf saßen wir im Auto. „Meinst du, ich könnte den auch mal fahren?“ - „Wenn du nen Führerschein hast - klar.“
Wir waren gerade auf der Autobahn, Elischa umfuhr gekonnt die Schlaglöcher und ich - wurde wach, als wir die Abfahrt „Karl-Marx-Stadt“ (für Wessis: Chemnitz) passierten.
„Warum hast du mich so lange schlafen lassen?“ - „Ach, das sah so süß aus, wie du da im Sitz das Kissen umarmt hast. Bis Dresden ist es jetzt nicht mehr weit - fährst du die letzten Kilometer?“ Wir wechselten die Plätze und auf gings - die letzte Etappe zwischen Chemnitz und Dresden.
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2016, 09:42   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
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Ich schicke mal voraus, dass ich jetzt nur dieses Kapitel gelesen habe (die anderen hole ich nach). Die Geschichte ist charmant erzählt und mir gefällt die Idee einer Manege a trois mit der Göttin der Jagd und Elischa. Ob diese auch eine Göttin ist, weiß ich (noch) nicht. Dem Namen nach nicht zumindest ist mir eine solche Göttin nicht bekannt.

Ich bin auf den Rest der Geschichte gespannt und werde jetzt alle Teile lesen.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.12.2016, 17:02   #3
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879


Hallo Silbermöwe,
ich wusste gar nicht, dass Möwen über eine den Adlern vergleichbare Sehschärfe haben und sich als Einstieg in meinen "Urlaub" ausgerechnet die nicht jugendfreien Teile heraus picken.
"Elischa" - aber das erfährst Du in den anderen Kapiteln - ist die jüdische Form von Eva; dass ich ihren Kosenamen verwende hat den Grund: Ich wollte keine Assoziationen zur biblischen Eva (eine von männlichen Schreibern ziemlich "untergebutterte" Person - laut Bibel war sie als "Gehilfin" Adams aus einer seinen krummen Rippen entstanden. Mir liegen die "Liliths" besser.
Vielen Dank für Dein Lob - ich werde mir weiterhin Mühe geben.
Gruß,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
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