Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 22.07.2013, 14:35   #1
männlich Ringelroth
 
Benutzerbild von Ringelroth
 
Dabei seit: 05/2010
Ort: Völklingen
Alter: 74
Beiträge: 414


Standard Omar Akba und der Kokosnusspflücker

Nach der Kurzgeschichte "Das Schwert der Gerechtigkeit" v. E.W. Heine

Omar Akba, der Großrichter von Bagdad, hatte an diesem Tage bereits zwei Diebe, zwei Betrüger und einen Gotteslästerer verurteilt, als der Gong den letzten Fall ankündigte.

Eine junge Frau trat vor ihn hin, voll Stolz und Trauer.

„Wie lautet deine Klage?“ fragte Omar Akba.

„Ich habe meinen Mann verloren und meine Kinder ihren Vater. Dieser Mann da hat ihn uns genommen.“
Voller Hass zeigte sie auf einen Schwarzen, den man mit Stricken an den Füßen gefesselt hatte.

„Was ist geschehen?“ fragte der Großrichter.

„Er hat meinen Mann erschlagen. Ich fordere seinen Tod.“

Omar Akba nickte, und winkte dann den Beschuldigten herbei. „Erzähl uns, was geschehen ist.“

„Herr, ich bin Landarbeiter“, sagte der Fellache, „so wie der tote Mann dieses Weibes. Wir haben gestern morgen vor den Toren der Stadt Kokosnüsse geerntet. Die Palmen sind dort 30 Fuß hoch und die Arbeit ist gefährlich.“
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Wir hatten bereits acht Maultierladungen gepflückt, als es geschah. Ich habe es doch nicht gewollt.“

„Was geschah?“

„Ich verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Ich wäre tot gewesen. Doch ich überlebte ohne Schaden, denn ich fiel genau auf ihren Mann, der sich dabei das Genick brach.“

„Ein schlimmer Fall“, sagte der Großrichter. „Eine schwere Schuld, denn du hast seinen Tod verursacht.“

„Aber es war doch nicht meine Absicht. Es war ein Unfall.“

„Fragen wir den Schriftgelehrten“, sagte Omar Akba und wandte sich an den weißbärtigen Mullah.

„Wer einem Menschen das Leben nimmt, dessen Leben soll genommen werden. Aug um Aug, Zahn um Zahn.“

„In der Scharia steht aber auch, wenn jemand nicht vorsätzlich tötet, so kann die Todesstrafe umgewandelt werden in eine Zahlung an die Hinterbliebenen.“

„Nie werde ich auch nur einen Rial annehmen“, schrie die Frau. „Es soll Gleiches mit Gleichem vergolten werden.“

Omar Akba wandte sich an die Witwe. „Du bestehst darauf, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Dir soll Gerechtigkeit widerfahren. Im Namen Allahs des Allmächtigen spreche ich folgendes Urteil: Der Angeklagte soll unter eine dreißig Fuß hohe Kokospalme gebunden werden. Und du, Witwe, darfst dich von dort oben so lange auf den Beklagten fallen lassen, bis er tot ist.“

Allah ist groß, und Mohammed ist sein Prophet. Omar Akba aber ist sein Schwert der Gerechtigkeit.
Ringelroth ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.08.2013, 20:48   #2
weiblich Daisy
 
Dabei seit: 10/2010
Beiträge: 922


Lieber Ringelroth,

ich habe gerade deine "Omar Akba" Geschichten gelesen und sie gefallen mir beide ausnehmend gut!

Es ist auch sehr angenehm wie du deine Texte aufgliederst, denn dadurch wird das Vergnügen am Lesen deiner kurzweiligen und äußerst gelungenen Geschichten nicht beeinträchtigt.

Von mir gibt's ein ganz dickes Plus!

Lieben Gruß von
Daisy
Daisy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2013, 14:08   #3
männlich Ringelroth
 
Benutzerbild von Ringelroth
 
Dabei seit: 05/2010
Ort: Völklingen
Alter: 74
Beiträge: 414


Hallo Daisy,
hab vielen Dank für dein Lob.
Ich hoffe, dass ich mit meinen Geschichten auch in Zukunft deinen Geschmack treffen werde.
Wünsche eine schöne Woche
Ringelroth
Ringelroth ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Omar Akba und der Kokosnusspflücker



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Omar Akba - Großrichter von Bagdad Ringelroth Geschichten, Märchen und Legenden 1 20.07.2013 14:59


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.