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Alt 03.12.2006, 19:21   #1
ÜberMensch
 
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Beiträge: 62

Standard Philosophie Essay: Glück

Ich würd gern mal Meinungen zu meinem Essay hören...Er ist für den Bundeswettbewerb für Philosophie und wurde bisher als gut bewertet ... Nur wär vllt. ein Feedback von Unbeteiligten mal ganz gut...
danke im Voraus

Tut Glück dem Menschen gut?
Welche Bedeutung hat es?

Ich beschäftige mich in meinem Essay mit verschiedenen Standpunkten zum Thema „Glück“, wobei die Standpunkte aus den Bereichen Philosophie, Psychologie und Biologie stammen. Ich werde versuchen aufzuzeigen, welchen Vorteil und/oder Nachteil das Glück und das subjektive Empfinden von Glück für den Menschen hat. Die einzelnen Standpunkte werde ich versuchen an einem Fallbeispiel klar zu machen. Zu Beginn möchte ich zeigen, dass es zwei verschiedene Formen des Glücks geben muss: interpersonell und intrapersonell.Denn würde man sagen, dass das Glück in unserer Existenz nur darin liegt , unsere körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen, d.h. es gäbe eine Übereinstimmung von Erwartung und Wahrnehmung, so müsste man dem entgegnen, dass nicht nur diese beschriebene intrapersonelle Bedeutung, sondern auch eine interpersonelle existent sein muss.Interpersonell bedeutet, dass der Mensch den Zustand des Glücks in zwischenmenschlicher Form zu finden versucht, wobei intrapersonell diesen Zustand durch befriedigende Introspektion erreichen will. Es müssen beide Formen vorhanden sein, denn würde man an der intrapersonellen Bedeutung das Glück messen, so wäre ein Mensch dann glücklich, wenn er etwas zu essen fände. Dies mag im ersten Moment zutreffend scheinen, aber es wird bloß deutlich, wie ein biologisch materialistisches Glücksverständnis unser Denken prägt.
Dem entgegen steht ein altruistisches Glücksempfinden (im Sinne der interpersonellen Bedeutung).

Ein extremes Beispiel zur Veranschaulichung:
Zwei Menschen haben in einem Raumschiff einen Erkundungsflug gemacht und wollen zu ihrem „Mutterschiff“ zurückfliegen, sie stellen aber fest, dass der Sauerstoff an Bord nur noch für eine Person reichen wird, um bis zum Mutterschiff zu überleben.Der materialistische Mensch (A), würde die letzte Sauerstoffflasche an sich nehmen und den anderen sterben lassen. Der Mensch aber, der sein persönliches, subjektives Glück in der altruistischen und interpersonellen Art und Weise sieht (B), würde mit Freude sein Leben geben, um den anderen zu retten.

Um dieses Problem untersuchen zu können, ist es nötig, sich über sein eigenes, subjektives Empfinden von Glück im Klaren zu sein. Dabei wählt man besser den Begriff „subjektives Wohlbefinden“, denn nicht die Tatsache eines Erlebnisses führt zum Glück, sondern das subjektive Empfinden und das damit verbundene Wohlbefinden. Das „Glück Empfinden“, hat also zwei Möglichkeiten: Es könnte zum ersten ein dauerhafter Zustand sein, in dem man „mit sich im Reinen ist“ oder „mit dem Leben zufrieden“ ist. Er würde also nicht für einen längeren Zeitraum anhalten und doch wird dies meistens von uns als gleichwertig zum dauerhaften Zustand des Glücks empfunden. Unter dieser Voraussetzung lässt sich auch die Antwort auf die vorangegangene Frage geben.

Der Mensch A, der Glück im altruistischen Sinn sieht, wird in dem Moment, wo er sein Leben in einem „Opfertod“ für ein anderes geben kann, sicherlich ein „Glücksgefühl“ verspüren. So lässt sich sein Tod mit dem Glück verbinden.

Der andere Mensch (B) wiederum, welcher sein persönliches Glück in der Befriedigung seiner Bedürfnisse (in diesem Fall dem Sauerstoff) und damit eine intrapersonelle Vorstellung von Glück hat, wird wohl einen flüchtigen Moment des Glücks verspüren, wenn er weiß, dass seine Bedürfnisse für den Moment gestillt sind. Wenn er allerdings realisiert, dass er einen anderen Menschen durch die Befriedigung seiner Bedürfnisse getötet hat, kann er kein Glück mehr empfinden, denn „kein Bösewicht kann glücklich sein.“ (Decimus Iunus Juvenal).

Für diese Ansicht spricht auch die psychologische Betrachtung des Glücks, welche ich anhand von Sigmund Freuds Ausführungen in Bezug auf das Lustprinzip und das Glück allgemein beschreiben werde. In diesem Fall bedeutet Glück, die Übereinstimmung von Erwartung und Wahrnehmung. Ergänzend beschreibt Freud das Glück als das Freisein von Schmerzen. Der Mensch strebt also danach Schmerz zu vermeiden. Dieses Streben kann gleichzeitig, nach Freuds Beschreibung von Glück, als ein Streben nach Freude (syn. Glück) gesehen werden. Mit Hilfe dieser Definitionen und Gedankengänge lässt sich ein erster Blick auf die Wirkung von Glück auf den Menschen werfen.

Der illusorische Wunsch nach dem Glück in interpersoneller Bedeutung ist laut Freud nicht zu erreichen. Das Glück ist also etwas was der Mensch nicht finden kann, was ihm aber leider nicht bewusst ist. Er erlebt immer wieder Momente des Glücks (s.o.) und fühlt sich dem Glück immer wieder ein Stück näher. Aufgrund dessen spricht Freud bei seiner psychologischen Betrachtung des Glücks nur von einem „Glücksmoment“. In der modernen Psychologie spricht man auch von einem Flow. Wir gehen in unserem momentan Tun und Handeln auf, wir erreichen eine Übereinstimmung von Erwartung und Wahrnehmung. Somit wird an dem psychologischen Modell des Glücks deutlich, dass das Glück in diesem Sinne schlecht für den Menschen sein muss. Er sehnt sich in seinem Narzissmus nach Geborgenheit und Nähe. In diesen Dingen sieht er auch den Sinn seines interpersonellen Lebens. Beziehungen sind Zweckshandlungen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Insofern existiert Glück auf der psychologischen Ebene nur als eine Illusion, nach der der Mensch strebt.

Es bleiben allerdings Fragen im Raum stehen, die mit Hilfe von Freuds Modell nicht geklärt werden können: Wenn ich jetzt diesen Text lese und mir klar gemacht wird, dass das Glück psychologisch gesehen nicht da ist, warum suche ich dann noch danach? Müsste mir nicht eigentlich mein Verstand sagen „STOPP“? Regt mich vielleicht mein Unterbewusstsein an, immer weiter nach Glück zu suchen? Inwiefern hängt diese psychologische Betrachtung und das eigentlich paradoxe Handeln des Menschen mit dem biologischen oder sogar philosophischen Verständnis von Glück zusammen?


Eng verbunden mit Freuds Ausführungen ist die Aussage des Philosophen Epikur. Auch er beschreibt die Lust als Grundmotiv für Glück. Er führt aus, dass die Bedürfnisregulation, also die Beschränkung auf (für ihn) wichtige Dinge, die Grundlage der Lust sei. Die Lust allerdings ist als solche nicht sexuell, sondern als Nicht-Vorhandensein von Unlust zu verstehen.

„Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinem Reichtum hinzu, sondern nimmt ihm einige von seinen Wünschen.“
(Epikur)

Das Glück ist also nicht materialistisch, sondern ist ein Konstrukt aus Träumen, Bedürfnissen und Wünschen. Das oberste Ziel der epikureischen Glücksphilosophie ist die „Eudaimonia“ (griechisch Glückseligkeit). Die Glückseligkeit hat, um mein oben gebrachtes Beispiel noch einmal aufzugreifen, der Mensch B erreicht, der sein Leben für den anderen gibt.
Denn nach Epikur gibt es kein ewiges Leben, sondern die Seele stirbt mit dem Körper.

Nur die (bei Lebzeiten) zu erreichende Seelenruhe (Ataraxia) ist das Ziel der Existenz. Der Mensch also, welcher in meinem Beispiel sein eigenes Leben rettet, anstatt das des anderen, hat keine Seelenruhe erreicht, denn sein Wissen und das Gewissen lassen ihn nicht glücklich sein.Hier lässt sich ein Ausblick auf die Auswirkungen des Glücks vornehmen. Der Mensch und sein Handeln stehen ganz im Zeichen der zu erreichenden Seelenruhe. Das Streben des Menschen ist radikal diesseitig, denn die Seele stirbt gleichzeitig mit dem Körper. Somit würde sich hier die Suche, das Streben nach dem Glück als gut erweisen, denn der Mensch handelt nicht materialistisch und eigennützig, sondern altruistisch und gut. Denn wie sagt Epikur: „Nur Gutes kann zum Glück führen.“

Wenn man nun ganz dicht an meinem Fallbeispiel bleibt, stellen sich keine weiteren Fragen zu Epikurs Theorie zum Glück. Wenn man allerdings die Definition der Personen in meinem Beispiel ein wenig variiert, stellen sich einige interessante Fragen.

Wenn beide Menschen unterschiedliche Vorstellungen vom Glück haben (also biologisch materialistisch und altruistisch), dann wird sich die Situation so entwickeln, wie oben beschrieben. Angenommen, es gebe ein einheitliches materialistisches Glücksempfinden unter den Personen, wie würde sich die Situation in diesem Fall entwickeln? Es würde wohl zum Kampf um die letzte Sauerstoffflasche kommen und der Stärkere der beiden würde sie bekommen. Spannend wird die Situation dann, wenn ein einheitlich altruistisches Empfinden vorhanden ist. Würden sich die Betroffenen nun darum streiten, wer sich für wen opfern darf? Wer würde am Ende gewinnen? Nun, ich denke, dass sich am Ende beide streiten müssen, denn sonst können sie nicht ihrem altruistischen Sinn folgen. Wer dabei gewinnt, hängt wohl davon ab, wer die besseren und überzeugenderen Argumente bringen kann. Bei den Argumenten ist es interessant, wie solch eine Argumentation aussehen müsste, was solche Argumente enthalten würden. Einige Aspekte müssten wohl das Alter, der „Rang“ und sogar die Wichtigkeit des Individuums sein. Wie genau so etwas ausgehen würde und wie eine Argumentation aussieht, lässt sich aber letztendlich nicht allgemein festlegen, sondern die individuelle Situation wird entscheidend sein.

Zuletzt untersuche ich das Beispiel aus der Sicht der (Neuro) -Biologie :
Die Neurobiologie beschreibt die biologisch genaue Herkunft des Glücks als Gefühl. Ich werde den biologischen Standpunkt anhand meines schon oben benutzten Beispieles erklären:
Nehmen wir den Menschen, der sein Bedürfnis nach Sauerstoff stillt und somit das andere Individuum sterben lässt. Bevor er sein Bedürfnis nach Überleben (hier: Sauerstoff) umsetzt, steht er unter Stress. Das Gehirn schüttet in dieser Situation also ein Stresshormon aus: das Adrenalin. Dieses Hormon macht ihn leistungsfähiger und stärker, hilft aber nicht bei der Produktion von Glück. Wenn ich von Produktion von Glück spreche, wird deutlich, dass Glück auch eine biochemische Reaktion in unserem Gehirn ist.
Nun stellt sich die Frage: In welchem Moment ist man (biologisch betrachtet) eigentlich glücklich? Wir sind in dem Moment biologisch glücklich, in dem Serotonin produziert wird. Dies geschieht in „Glücksmomenten“ (z.B. sexuelle Befriedigung, Nahrungsaufnahme, Sauerstoffaufnahme, Drogenkonsum).Dieser Botenstoff verteilt sich nun im Körper und löst ein Glücksgefühl aus, der Körper fühlt sich belohnt und schüttet den „ Belohnungsstoff “ Dopamin aus. Unter Drogen wird dieses Glücksgefühl meist noch stärker, da der Körper Dopamin und Serotonin übermäßig abgibt. Von Natur aus ist der Mensch seit Anbeginn der Zeit potenziell abhängig von diesen Botenstoffen, da sie in Momenten abgesondert werden, die wichtig und notwendig für das Überleben des Einzelnen und für den Fortbestand der Art sind.

Biologisch gesehen ist Glück also nicht nur gut für den Menschen, sondern lebenswichtig, es sichert den Fortbestand der menschlichen Rasse und des einzelnen biologischen Systems, indem es in relevanten Momenten Glück „erzeugt“.

Zusammenfassend und das Grundproblem auf die drei Standpunkte übertragend bleibt also zum Schluss Folgendes zu den einzelnen Aspekten des Fallbeispiels zu sagener materialistische Mensch tut nur das, was sein Überlebensinstinkt ihm sagt: Er nimmt den Sauerstoff um sein eigenes Überleben zu sichern. Biologisch gesehen ist er also glücklich, denn er wird überleben, philosophisch gesehen kann er nicht glücklich sein (auf Dauer), denn sein Überleben tötet ein anderes Leben. Psychologisch gesehen handelt er wie ein Tier. triebhaft, instinktiv. Er kann nicht glücklich sein, denn das Glück existiert nicht. Es bleibt für ihn ein Wunsch.

Der andere Mensch (B) handelt im biologischen Sinne nicht menschlich. Er ist selbstlos, er will nicht weiterhin bestehen, sondern rettet das Leben eines anderen. Hat er damit auch menschlich gehandelt? Denn auch er sichert den Fortbestand eines autonomen Systems, nämlich den des anderen Menschen Philosophisch gesehen (nach Epikurs Ansatz) hat er sein Glück erreicht, er hat seine Seelenruhe erhalten, und sein Handeln war nur auf das Diesseits gerichtet, denn er rettet ja einen Menschen welcher im Diesseits weiter lebt. Nach der psychologischen Definition hat er sein Leben im Grunde verworfen.Er hat es einem „naiven“ (altruistischen) Glücksempfinden geopfert, um einer illusionären Idee von Glück zu folgen.

Die Wirkung des Glücks auf den Menschen bleibt in den meisten Ansichten und Bestimmungen von Glück eher unklar. Es wird eine leichte Tendenz zum Guten oder Schlechten gegeben, aber eine genaue Einordnung trauen sich die Gesellschaftswissenschaften Psychologie und Philosophie nicht zu tun. Anders ist dabei die biologische Erklärung des Glücks und seine Wirkung auf den Menschen. Das Glück ist nicht nur gut für den Menschen und seine physiologische Entwicklung und seinen Reifeprozess, sondern auch notwendig für seinen Fortbestand und seine evolutionäre Entwicklung auf der Erde. Man stelle sich nur einmal ein Welt vor in der der Mensch kein Glück und damit auch keine Freude mehr erleben würde. Es würde nicht lange dauern und die menschliche Rasse würde zwar nicht aussterben, aber sie würde stark reduziert werden, denn wo liegt der Sinn in Fortpflanzung und auch in ganz alltäglichen Dinge, wenn nicht darin, etwas Glück und Freude zu empfinden. Was allerdings passieren würde, wenn es nur noch Glück auf der Welt gibt, wenn nur noch Freude und Glück unser Handeln und Denken formen und bestimmen würden, das zeigt das abschließende Zitat von George Bernard Shaw.

„Glück ein Leben lang?! Niemand könnte es ertragen. Es wäre die Hölle auf Erden.“
(George Bernard Shaw)
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