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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 07.11.2017, 18:38   #1
männlich Erich Kykal
 
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Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Standard Orpheus

Wenn er sang, war eine Flut im Raume
aus Gefühlen, an die seinen schlagend,
lodernd, glühend, seine Nähe wagend
wie ein Auferwachen aus dem Traume.

Die Entmächtigten an seinem Saume
hob er, ihre Seligkeit ertragend,
an sein Lied, und, seiner Macht entsagend,
schwieg er endlich, wurde Blatt am Baume.

Welche um ihn her entwurzelt wachten,
folgten weiterfort dem tiefsten Klange
seiner Stimme, die sie weiterdachten,

um zu träumen. Still, mit einer sachten
Geste wandte er sich ab, doch lange
saßen sie noch da und lauschten bange.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.11.2017, 14:49   #2
männlich Lewin
 
Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.231

Standard Orpheus

Hallo eKy, wie immer perfekt!
Dennoch erlaube ich mir, an mein "Für Orpheus" vom 23.12.2015 zu erinnern, inzwischen fast untergegangen.
Herzlich grüßt dich Lewin.
Lewin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.11.2017, 20:09   #3
männlich Erich Kykal
 
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Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Hi Lewin!

Vielen Dank für Kommi und Tipp! Ich habe deine Interpretation der Thematik mit Genuss gelesen!

LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.11.2017, 12:58   #4
männlich Sonnenwind
 
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Dabei seit: 06/2012
Alter: 62
Beiträge: 1.514

Hallo eKy,

wie viele Gedichte über Orpheus mag es geben?

Wie viele sehr gute Gedichte? Deines ist eines von ihnen! Behaupte ich einfach mal.

Was ich mich frage:

Ist die Abwendung des Orpheus in der zweiten Terzine wirklich, wie ich vermutete, eine Geste der Enttäuschung? Hätten die Entwurzelten ihn nicht nur weiterdenken und -träumen sollen?

LG
Sonnenwind
Sonnenwind ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.11.2017, 14:08   #5
männlich Erich Kykal
 
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Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Hi Sonnenwind!

Über Orpheus gibt es ungezählte Werke, sozusagen ein Urthema der Lyrik - selbst Reinhard May besang ihn.

Vielen Dank für deine Lobesworte!

Die "Abwendung" findet statt, weil sein Lied, seine Vorstellung zu Ende ist, sie ist also nicht negativ gemeint. Bei sehr guten Stücken ist es danach erst mal still im Saal, das Publikum muss sich erst sammeln und wiederfinden, so sehr ist es in Geschichte oder Musik aufgegangen. Erst dann setzt der tosende Applaus ein.
Ich dachte, bei einem wie Orpheus sind die Lauschenden dann so sehr im Klang versunken und in dem, was er ihnen erzählte, dass die andächtige Stille danach einfach länger anhält, weil die Hörer weiterhin in sich hineinlauschen, wo das Lied immer noch weitergeht, so wie Verliebte, einander in den Augen versinkend, immer noch weitertanzen, wenn die Musik schon lange schweigt.

Wenn einer wie Orpheus die Menschen so erfüllen konnte, wozu dann noch Applaus? Und wie platt und oberflächlich klänge er angesichts solcher Fülle im Inneren? Nein, ihr Schweigen und Schwelgen ist ihm Bestätigung genug.

Mit Enttäuschung hat es also nichts zu tun. Er ruht in sich und ist sich selbst genug, und wenn er fertig ist, ist er eben fertig.

LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.11.2017, 14:46   #6
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Das Gedicht ist wunderbar, lieber Erich.

Alles Liebe
gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.11.2017, 18:27   #7
männlich Erich Kykal
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Hi Gum!

Vielen Dank!

LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.11.2017, 00:29   #8
männlich Orakel
 
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Dabei seit: 10/2012
Ort: Nah am Wurmlöch
Alter: 64
Beiträge: 1.623

Die Mänaden rasen
Kalliope war bemüht
Orakel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.11.2017, 09:31   #9
männlich AndereDimension
 
Benutzerbild von AndereDimension
 
Dabei seit: 06/2009
Beiträge: 3.325

Hallo Erich Kykal,

dein Text ist inhaltlich und handwerklich vom Feinsten.

Das hätte R. May...weil Du ihn erwähnt hast...auch nicht besser machen können.

Nur an dieser Stelle (keine Kritik, eher eine Frage)

Zitat:
tiefsten Klange
seiner Stimme, die sie weiterdachten,
...hängt "die" ein wenig in der Luft.

Ein schönes, gelungenes Sonett!

Gruß, A.D.
AndereDimension ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.11.2017, 12:15   #10
männlich Erich Kykal
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Hi Orakel!

Leider reicht meine klassische Bildung nicht weit genug, um deinen Kommi zu verstehen. Ich nehme deine Anspielung mal als gedachtes Kompliment.


Hi AD!

Ich konnte nicht schreiben: "Seine Stimme, welche sie weiterdachten", das wäre sich metrisch nicht ausgegangen. Aber in der Luft hängt das "die" nicht, es hat einen klaren und direkten Bezug auf "Stimme".

Vielen Dank für deinen Zuspruch!

LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.11.2017, 18:43   #11
männlich AndereDimension
 
Benutzerbild von AndereDimension
 
Dabei seit: 06/2009
Beiträge: 3.325

Stimmt. Ich stand da für einen Moment auf dem Schlauch. Danke für deine Erklärung!
AndereDimension ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.11.2017, 23:30   #12
männlich Erich Kykal
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Kein Ding!
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
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