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Alt 08.05.2016, 18:38   #1
weiblich Andrea.H.S.
 
Benutzerbild von Andrea.H.S.
 
Dabei seit: 04/2015
Ort: Black Forest
Alter: 35
Beiträge: 83

Standard Renovierungsarbeiten

Nach sechs Wochen riecht es in allen Kammern meiner Sehnsucht immer noch nach frischer Farbe. Deine Fehler klebten an allen Wänden und als mir klar wurde, dass in diesem Saustall niemand wohnen wird, entschied ich mich, deine und meine nie wahr gewordene Vergangenheit zu überstreichen. Was für ein Gemetzel. Was für ein TamTam. Nächstes Mal legen wir überall Zeitungen aus.

Nach sechs Wochen Trauer tragen und alles schwarz malen ist es in all den Höhlen meiner Traurigkeit immer noch düsterste Nacht. Mein Versagen tropft aus allen wundgeleckten Wunden und mir wurde klar, dass in dieser Traurigkeit so schnell kein neues Leben entstehen konnte. Ich zog die dicken Vorhänge meiner Selbstvorwürfe zurück und ließ ein wenig Licht der Zuversicht auf das dunkle Tal scheinen. Was für ein von Gott schon lange verlassener Ort. Was für eine Dunkelheit. Nächstes Mal, zieh ich mir die Decke über den Kopf und schließe fest meine Augen in der Hoffnung, dass die Enttäuschung an mir vorbeizieht ohne mich zu bemerken.

Nach sechs Wochen Verwesung und Sterben in all den Ecken meiner Hoffnung, konnte ich heute endlich alle Leichen meiner Zuversicht beerdigen. Mein Hätte-ich-es-doch-besser-gewusst stach mir aus jedem Schatten in die Rippen. Buckelig und von jedem Hoffnungsschimmer verlassen fegte ich die leiblichen Überreste meiner alten Liebe auf. Ich sehe noch mal, wie schön sie einst war. Aber nächstes Mal, mach ich den Zirkus nicht mehr mit. Nächstes Mal verschließen wir die Tür. Und hoffen dass keiner klopft. Und beten, dass keiner merkt, dass ich doch zu Hause bin und bete und hoffe, dass mich jemand bemerkt. A.H.S.
Andrea.H.S. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.06.2016, 13:21   #2
männlich Gylon
 
Dabei seit: 07/2014
Beiträge: 4.269

Liebe Andrea H.S.,
als langjähriges Clubmitglied erlaube ich mir ein wenig Kritik.
Ich lese deine ansprechenden Texte sehr gerne, aber manche Formulierung erscheint mir dann doch zu konstruiert. In diesem Text z.B. die Stelle „Was für ein Gemetzel“. Hier hätte für meinen Geschmack eine alltäglichere Formulierung wie z.B. „Was für eine Sauerei“ besser ins Bild gepasst. Trotzdem wieder gern gelesen.

Wie ich gerade Bemerke hat ein Tapetenwechsel nicht nur in der Geschichte sondern auch auf deinem Haupt stattgefunden.

Liebe Grüße Gylon
Gylon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.06.2016, 22:01   #3
weiblich Andrea.H.S.
 
Benutzerbild von Andrea.H.S.
 
Dabei seit: 04/2015
Ort: Black Forest
Alter: 35
Beiträge: 83

Lieber Gylon,

vielen Dank für deine Rückmeldung. Deine Kritik versteht man wenigstens

Ich weiß selbst, dass ich beim Schreiben zum Dramatisieren neige. Wahrscheinlich weil ich situativ eher der zurückhaltende Typ bin und mein Drama woanders ausleben muss.

Mein Haupt wollte auch wieder in dezenteren Farben erstrahlen, deswegen der Tapetenwechsel.

Liebe Grüße

Andrea
Andrea.H.S. ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.06.2016, 16:01   #4
Stachel
 
Benutzerbild von Stachel
 
Dabei seit: 03/2015
Ort: Niederrhein
Beiträge: 954

Hallo Andrea,

das "Gemetzel" hat mich auch leicht irritiert. Aber es passt gut, finde ich. Es erzeugt ein Bild der Tatkraft und der notwendigen Abrechnung. Da hat jemand nicht nur einfach angestrichen, nein, er hat mit Farbe förmlich gewütet und um sich gespritzt. Dieser kurze "Schocker" verleiht dem Text an dieser Stelle eine interessante Würze.

Dafür kommt mir etwas anderes sehr hakelig vor: Im ersten Absatz ist von "Kammern" die Rede. "Wände" werden gestrichen. Der zweite Absatz bringt "Höhlen" ins Spiel. Ich war gedanklich in einer Wohnung. "Vorhänge" werden zurückgezogen, was zu einer Wohnung besser passt, als zu einer Höhle. Aber ich kann mir eine Wohnhöhle immerhin noch ganz gut vorstellen. Dann aber scheint Licht in das dunkle Tal.
Ein Tal in einer Höhle? Da bin ich gedanklich ein wenig abgehängt. Kurz drauf ist wieder eine (Bett-)"Decke" im Spiel, die über den Kopf gezogen wird. Also wo zur Höhle ... äh Hölle ... sind wir gerade?

Klar, es geht um die Seele des Erzählers. Da darf ein tiefes Tal drin vorkommen und auch Höhlen kann ich einordnen. Aber die Bilder haben mich von Anfang an in eine andere Richtung geführt, als hier plötzlich eingeschlagen wird.

Absatz 3 passt wieder ganz konsequent zu den Wohnungsbilder: fegen, Ecken, Tür, zu Hause, etc.

Zwei weitere Dinge finde ich unglücklich formuliert:
- "stach mir aus jedem Schatten in die Rippen": Das "Stechen" kann ich mir nicht richtig vorstellen. Ist das dolchartig gemeint?
- "wundgeleckte Wunden" finde ich allein wegen der Wortwiederholung von "wund(en)" nicht sehr schön.

Der Schreibstil gefällt mir. Danke für den schönen Text.

Freundliche Grüße vom
Stachel

PS: Hat ja geklappt mit dem Applaus in Bellatoras Faden: Ich bin aufmerksam geworden.
Stachel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.06.2016, 16:10   #5
weiblich Andrea.H.S.
 
Benutzerbild von Andrea.H.S.
 
Dabei seit: 04/2015
Ort: Black Forest
Alter: 35
Beiträge: 83

Lieber Stachel!
Vielen Dank für deine Kritik. Ich kann deine Desorientierung bezüglich der Örtlichkeiten nachvollziehen. Ich habe mir da wirklich keine Gedanken gemacht, ob ich mich nun in einem Seelen"Haus" befinde oder in einer Höhle. So bildlich stelle ich mir das dann doch nicht vor
Andrea.H.S. ist offline   Mit Zitat antworten
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