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Alt 07.07.2010, 16:35   #1
Aporie
 
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Standard Unterwegs am unvoraussagbaren Tag (zweiter Teil)

Heute sind es fast zwei Jahre her seit dem Anruf aus dem Krankenhaus. Genügend Zeit, um zu erfahren, dass man den Tag nicht voraussehen kann.
Bevor ich Mutter besuche, rufe ich sie an. Aber sie nimmt den Hörer nicht ab. Ich rufe das Altersheim an, und zwei Minuten später ruft das Altersheim mich an. Jemand sagt, dass es schlecht um meine Mutter steht. Sie liege im Bett und bewege die Augen nicht mehr. Die Ärztin sei bereits unterwegs.
Eine halbe Stunde später stehe ich vor ihrer Zimmertür. Ich habe es abgelehnt. mich begleiten zu lassen. Leise öffne ich die Tür, die mir bisher immer Mutter geöffnet hat. Auch jetzt scheint mir, dass nicht ich sie öffne. In meinem Kopf überblenden sich flüchtige Bilder von Filmszenen, in denen eine Tür leise geöffnet wird und jemand im Türspalt erscheint. Ich bin der Schauspieler, der die Szene betritt und gleichzeitig der Zuschauer, der mich im Türspalt sieht. Der Moment ist von einer feierlichen Unwirklichkeit.
Mutter scheint auf eine anstrengende Weise zu schlafen. Ihr Kopf liegt auf einem steifen grauen Kissen, das ich noch nie auf ihrem Bett gesehen habe. Obwohl sie sonst einen leichten Schlaf hat, reagiert sie nicht auf mein Kommen. Die selbst im Kummer so beweglichen Lachfältchen scheinen wie auf steifes Pergament hingezeichnet, als sei alles Leben bereits aus ihnen weggedrückt.
Verwirrt stelle ich fest, dass ich mir als Eindringling und Wächter zugleich vorkomme. Ich hole mir einen Stuhl und setze mich ans Bett. Als ich nach ihrer Hand greife und zusehe, wie es in ihr atmet, ist mir, als würde ich ein Membran ihres befremdlichen Zustands durchstoßen und in ihrem verwüsteten Inneren ankommen. Sie scheint nicht beteiligt zu sein an diesem gedehnten Einschnaufen und dem unkontrollierten, blubbernden Auskeuchen. Ihre Gesichtszüge entgleiten dem Bild, das ich von ihr habe, manchmal zucken sie wehrlos, wie unter Stromstößen. Ihr Mund steht halb offen, aber wenn er sich nicht bewegt, muss ich die Hand davor halten, um erkennen zu können, ob sie ein- und ausatmet. Hin und wieder rückt sie den Kopf zur Seite, und ihre Züge gleiten wie durch eine Weiche gesteuert auf eine Ausfallschiene, rütteln noch eine Weile nach, dann fällt sie wieder in eine unbewegte Angestrengtheit. Ein heftiger innerer Vorgang scheint stattzufinden, auf den sie offensichtlich keinen Einfluss mehr hat.
Die Gewissheit, dem Tod gegenüberzusitzen, ergreift mich mit einer Mischung aus Scheu und Entsetzen. Wie zum Trost öffnet Mutter unerwartet die Augen, doch sie bewegen sich nicht, der starre Blick geht an mir vorbei ins Leere, und die Augen fallen wieder zu. Die Hand fühlt sich weder warm noch kalt an. Eigentlich so wie immer. Ich möchte ihr nicht nur meine Hand, ich möchte ihr meinen Arm geben, damit sie sich einhaken und Schritt halten kann. Ihr linker Arm liegt auf der Bettdecke, als gehöre er nicht zum Körper, nur der Stoff des hellblauen Nachthemds setzt sich über die Schultern fort.
Ich schlage die Bettdecke etwas zurück, um zu sehen, ob der Atem ihre Brust hebt und senkt. Die drei Knöpfe am Nachthemd stehen offen, der verschrumpfte Innenrand der linken Brust hängt aus der Knopfleiste. Wahrscheinlich habe ich die Brüste meiner Mutter zum letzten Mal als Säugling berührt, und jetzt ist es wohl das letzte Mal überhaupt. Die Wärme, die ich zu verspüren glaube, rührt wohl eher aus meiner Vorbewußten Zeit.
Als hätte meine Berührung ihre Lippen gelockert, rinnt ein feuchter Seufzer aus ihrem Mund. Ich zupfe ein Papiertaschentuch aus meiner Jacke und tupfe ihr den Speichel vom Kinn. Dann decke ich sie weder zu und hebe dabei ihren linken Arm hoch, damit er nachher wieder auf die Bettdecke zu liegen kommt und ich ihre Hand halten kann. Vielleicht bilde ich mir nur ein, einen leisen Druck zu spüren, eine stumme Aufforderung, in ihrer Hand einen Gedanken zu lesen. Wie fasst man den letzten Gedanken?
Jemand klopft an die Tür, bevor sie sich öffnet. Eine Schwester kommt herein, Überraschenderweise schlägt Mutter die Augen auf, als hätte ein höflicher Automatismus sie dazu gedrängt, ihre Aufmerksamkeit jedem zu schenken, der - etwas weniger leise als ich eben - in ihr Zimmer tritt. Diesmal blickt sie mich wirklich an, ihre Finger regen sich in meiner Hand. „Frau Dr. Schöneberger wird gleich kommen“, sagt die Krankenschwester und streicht Mutter mit der Hand über die Stirn, als wolle sie ihr das Schlimmste ersparen, sie salben oder firmen, bevor sie sich nach einem mitfühlenden Blick auf mich wieder zurückzieht.
Mutter behält die Augen offen, auch als die Schwester das Zimmer verlassen hat. Ich sehe, dass sie mir etwas sagen will. „Fff..oo..tt oo“. Ihr Mund rückt jeden Buchstaben einzeln heraus, mehr hat nicht Platz zwischen den zitternden Lippen.
„Willst du das Fotoalbum ansehen?“ Sie kann sogar nicken. Ich hole den mit blauem Linnen bezogenen Band und stelle ihn, ihren Augen zugeneigt, auf ihre Brust, so dass sie Seite für Seite sehen kann, während ich umblättere. Ihre Augen flackern, schließen sich, öffnen sich wieder, die Lippen versuchen zu lächeln. Einige Fotos hat sie offenbar erst vor kurzem eingeklebt, ich habe sie noch nie gesehen: Arm in Arm mit dem Walzer Kari, mit dem sie in jungen Jahren eine Schallplatte gemacht hat, mein Vater in Badehosen, ich selbst, etwa vierjährig, einen Verhütungsgummi aufblasend.
Als die Ärztin kommt, von der man mir schon zwei Mal gesagt hat, sie wäre bereits unterwegs, sind Mutters Augen wieder geschlossen. Ich flüstere, als ich die Ärztin frage, ob es denn nicht etwas bringen würde, Mutter ins Spital zu fahren. Sie ist bereits daran, Mutter eine Sauerstoffmaske anzulegen, während die Schwester die Karre hereinfährt.
„Die können auch nicht mehr machen als wir“, sagt die Ärztin.
In Mutters Handtasche finde ich ihr Handy, auf dem die Nummern meiner Schwester und meines Bruders einprogrammiert sind. Ich höre mir selbst zu, während ich rede und nehme das Unglaubliche des Geschehens im bröckeligen Ton meiner Stimme wahr. Doch meine Geschwister sind besser darauf vorbereitet als ich. Matthias sagt, dass er in den nächsten Zug nach Zürich steigen wird, und Ursula sage ich, dass sie ihr Enkelkind, das sie nicht allein lassen kann, weil seine Eltern in Rimini sind, mitnehmen soll, ich würde irgendwie zwei Schlafgelegenheiten herrichten. Erst als ich das Handy auf den Nachttisch lege und wieder nach Mutters Hand greife, bin ich den Tränen nahe.

Zwei Stunden später ist Matthias da. Wir umarmen uns, seine Wangen sind feucht. Ich überlasse ihm den Stuhl und gehe zum Kühlschrank. Vielleicht ist noch etwas vom Lachs da, den ich das letzte Mal mitgebracht habe. Ich lege mir eine Scheibe auf das ebenfalls gekühlte vorgeschnittene Brot und setze mich in den Schaukelstuhl. Das Brot ist kalt und hart.
Matthias trägt die Mönchskutte. Wie er so dasitzt und Mutters Hand hält, während seine Lippen mit einem stummen Gebet beschäftigt sind, sieht er aus wie eine Illustration in einem katholischen Katechismus.
Als Vater starb, war Matthias sechzehn Jahre alt, Ich sehe ihn noch vor dem Grab stehen, als alle Anderen bereits den Weg in die Abdankungskapelle genommen haben. Ich bin nochmals zurückgegangen und habe den Arm um seine Schultern gelegt. So sind wir eine Weile vor dem offenen Grab gestanden. Die Schulter fühlte sich hart und unnachgiebig an, als ich sie an mich zog. Matthias hat nicht so richtig daran geglaubt, dass ich damit bedeuten wollte, dem sieben Jahre jüngeren Bruder fortan Vater zu sein.
Die Mutter zu ersetzen, würde mir noch schwerer fallen. Als hätte Matthias meine Gedanken erraten, dreht er den Kopf und blickt mich an. Seine Gesichtszüge sind die feinsten von allen Geschwistern. Sein Hang zum Pathetischen ist ein Erbe des Vaters. Mit zweiundzwanzig ging er für drei Monate in ein japanisches Kloster. In meinen Augen war das der Beginn einer zenbuddhistischen Krankheit, von der er sich nie mehr ganz erholen sollte. Er arbeitete damals als Fotograf, gab aber seinen Beruf frühzeitig auf und versuchte, sich als Lehrer für Zen und Pfeilbogenschießen über Wasser zu halten. Schon bevor er sechzig wurde, hatte er eine tiefe Seinskrise, die als Bruder des Herrn im Kloster Einsiedeln endete.
Matthias zieht ein braunes Apothekerfläschchen aus seiner Mönchskutte. „Ich gebe Mutter die Heilige Ölung“, sagt er, „ich darf das, „hat mir der Abt gesagt.“
Das Totenzimmer füllt sich plötzlich mit Lärm, weil Ursula mit der kleinen Rahel eingetreten ist. Sie lacht mit anschwellendem Quietschen, als würden wir einen Geburtstag feiern, stürmt auf mich zu und drückt ihren Kindermund auf meine Wange. Als sie sich anschickt, Mutter einen Kuss zu geben, weicht sie auf halbem Weg zurück und zupft verlegen an den Falten ihres roten Röckchens. Sie blickt zu Ursula hoch, die sich eben auf den Stuhl setzt, den Matthias ihr überlassen hat. Doch Ursula hat jetzt nur Augen für Mutter. Matthias lüpft den Rosenkranz vom Hals der Josephstatue, hockt sich ermäßig auf den Boden, und lässt die hölzernen Perlen durch die Finger gleiten.
Ich lasse den Schaukelstuhl wippen und bin versucht, das Gesicht zu machen, das Mutter machen würde, wenn sie ihre drei Kinder gleichzeitig auf Besuch hätte. Rahel wirft mir einen Blick zu, dann kommt sie zu mir und setzt sich unbefangen auf meinen Schoss. Ich knutsche sie nach Opa-Art und fühle mich dabei fast so alt wie meine Mutter, aber immerhin noch am Leben.
Wir kommen überein, uns am Totenbett abzuwechseln. Matthias will dableiben und Ursula sagt, sie hätten noch nichts gegessen. Ich schlage vor, mit Ursula und Rahel in meine Wohnung zu fahren. Dort könnten sie etwas essen, und nachher könnte Rahel in der Wohnung bleiben, sich etwas hinlegen oder Kika und Viva gucken, während Ursula und ich Matthias ablösen würden.

Als ich die Wagentür öffne, liegt auf dem Nebensitz ein rotbackiger Apfel, ich weiß nicht wie er dahin gekommen ist. „Willst du den essen?“ frage ich Rahel, als sie sich auf Ursulas Schoss setzt, denn in meinem Egoistenauto gibt es nur zwei Sitze. Rahel nickt, ohne besonders begeistert zu sein, und Ursula holt ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und lässt ein paar Speicheltropfen darauf fallen, bevor sie den ungeschälten Apfel damit putzt. „Immer noch besser“, sagt sie, „Rahel isst den Speichel ihrer Großmutter als das von sogenannten Bauern verspritzte Gift.“ Sie legt den Sicherheitsgurt auch über Rahels Körper. Wenn er ein Vorprellen verhindern müsste, käme er wahrscheinlich genau auf den Kinderhals zu liegen, denke ich und fahre vorsichtig und in übertriebenem Abstand hinter den anderen Wagen, die auf der Autobahn unterwegs sind.
Ursula sagt lange nichts. Unsere Gedanken sind woanders, aber am gleichen Ort. Erst als wir an Kloten vorbei fahren und Flugzeuge in Großaufnahme aufsteigen, sagt Ursula zu Rahel: „Das ist der Flugplatz. Vor einem Jahr, als dein Papa nach New York fliegen musste, sind wir mit dem Auto hierher gefahren. Erinnerst du dich? Du wolltest mitfahren, um endlich Flugzeuge aus der Nähe zu sehen.“
„Du hast fast doppelt so lang gebraucht, um wieder nach Aarau zurück zu fahren“, sagt Rahel.
„Deshalb sind wir jetzt ja auch mit dem Zug gekommen.“
„Wird Uroma sterben?“ fragt Rahel. Sie hat in unsere Gedanken gegriffen, und wir lassen es dabei bleiben und sagen nichts.

Als wir in die Straße einbiegen, an der ich wohne, fragt Ursula, wie man zum Bahnhof fahre. Sie würde lieber mit dem Zuge nachkommen, sobald Rahel sich eingewöhnt habe. Ich öffne den Beiden nur rasch die Wohnungstür und zeige ihnen, wo der Kühlschrank steht. Dann fahre ich wieder los.

Beim Parken des Wagens vor dem Altersheim parke, denke ich an den Leichenwagen, den ich so oft vor dem Eingang habe stehen sehen. Jetzt wird er kommen. Mutter hat nie Angst davor gehabt, wenn einmal die Türen für sie geöffnet werden und sie es ist, die hineingestoßen wird. „Wenn der Tod mich holt, werde ich mich eben mitnehmen lassen“, hat sie auf der roten Gartenbank gesagt und dazu den Rauch ihrer Zigarette ausgeblasen. „Warum auch? Alle müssen sterben!“ Sie will beim Wort genommen werden, das sie uns Kindern einmal verkündigt hat. Dass das Leben weitergeht, im Himmel oder in den Flammen der Hölle, je nach dem. Jetzt wird das Fleisch wieder zum Wort. Sie will eingehen in ihr Wort.
Als ich ins Zimmer trete, sagt Matthias, sie habe etwas geflüstert, das aber nicht zu verstehen war. Er will eine Besorgung machen und nachher wieder kommen. Mutters Gesicht sieht jetzt fast friedlich aus, als wäre das Flattern im Innern bereits ausgestanden. Matthias gleitet auf seiner Mönchskutte leise zur Tür. Ich blicke mich im Zimmer um, vor dem es auch Abschied zu nehmen gilt. Ich muss akzeptieren, dass dies das Sterbezimmer meiner Mutter ist, mit dem vom Vater gemaltem Bauernschrank, dem heiligen Joseph aus Gips und den gerahmten Fotos ihrer Kinder an der Wand.
Meine Gedanken angesichts des Todes kommen mir unbeholfen vor. Ich bin so sehr gewöhnt daran, ihn zu verdrängen, dass ich ihn auch nicht fassen kann, wenn ich ihm gegenüber sitze. Ich nehme ihn erst wahr, als ich sehe, dass die Sauerstoffmaske sich nicht mehr bewegt. Mutter hat den Rest ihres Lebens ausgehaucht, ohne ihre Hand aus der meinen zu lösen. Ich kippe die Sauerstoffmaske nach oben. Ihre Lippen sind noch warm, als ich sie küsse. Um nicht ganz allein zu sein, lege ich die verkratzte Schallplatte mit dem Walzer- Kari und dem Geissbergchörli auf. Diololodidiololodidioliadiolidu.

Mutters Stimme wird bleiben.
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Alt 08.07.2010, 11:07   #2
weiblich Aquaria
 
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Tut mir leid, Aporie, den ersten Teil finde ich sprachlich und stilistisch wesentlich besser.

Aber ich tue mich wegen dem Thema schwer damit, hier auf Details herumzuhacken. Auch dieser zweite Teil wirkt auf mich authentisch.

Liebe Grüße,
Aquaria
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Alt 08.07.2010, 13:42   #3
Aporie
 
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Liebe Aquaria

Deine Beurteilung überrascht mich eher.
Vielleicht liegt es daran, dass der erste Teil kompakter ist, während im zweiten etwas abrupt Personen auftreten, die zuvor nicht eingeführt worden sind. Die ihnen zugeordnete Beschreibung stammt teilweise aus anderen Texten.
Sprachliche Vorbehalte würden mich allerdings sehr interessieren. Es wäre mir sehr angenehm, wenn Du Dir die Zeit nehmen würdest, auf Details herumzuhacken.
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Alt 09.07.2010, 11:30   #4
weiblich Aquaria
 
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Ok, mach ich, man liest sich bald.
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Alt 13.07.2010, 10:25   #5
weiblich Aquaria
 
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Hier wie versprochen das Herumhacken auf Details:


Erst mal stören mich viele Fehler, das hier sind einige aus dem ersten Drittel:

Heute sind (ist) es fast zwei Jahre her

Jemand sagt, dass es schlecht um meine Mutter steht (stehe). Sie liege im Bett und bewege die Augen nicht mehr. Die Ärztin sei bereits unterwegs.

Ich habe es abgelehnt.(,) mich begleiten zu lassen.


als würde ich ein (eine) Membran ihres befremdlichen Zustands durchstoßen

rührt wohl eher aus meiner Vorbewußten (vorbewussten) Zeit.


Dann gibt es einige unpassende Beschreibungen, z. B.:

Die selbst im Kummer so beweglichen Lachfältchen scheinen wie auf steifes Pergament hingezeichnet, als sei alles Leben bereits aus ihnen weggedrückt (weggedrückte Lachfältchen??).

Ihre Gesichtszüge entgleiten dem Bild, das ich von ihr habe, manchmal zucken sie wehrlos (nicht die Gesichtszüge zucken, sondern das Gesicht)


Das der Text nicht kompakt ist, hast du selbst schon gesagt. Ich finde auch, dass er zu wenig Struktur hat, die Gliederung wirkt eher wie eine Aneinanderreihung von Ereignissen.
Du erzählst hier sehr langsam, sehr detailiert, die Beschreibungen sind für mich zu ausführlich. Die Handlung steht oft zu lange still und kommt am Ende nirgendwo an. Tempowechsel hätte dem Text gut getan.

Na ja, nichts für ungut, du wolltest ja das "Herumhacken" Freue mich trotzdem auf deine nächsten Geschichten!

Liebe Grüße,

A.
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Alt 18.07.2010, 11:54   #6
Aporie
 
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Liebe Aquaria

Ich war lange nicht mehr hier und sah Deine Antwort erst gestern. Dafür werde ich umso ausführlicher darauf zurückkommen.

Wäre ich jetzt so ungnädig wie Du, würde ich darauf herumhacken, dass man detailliert mit zwei l schreibt.
Ich habe mich um die Vorschau gedrückt (auf das Verb komme ich später), deshalb sind einige Flüchtigkeitsfehler stehengeblieben (sag jetzt ja nicht, es müsse „stehen geblieben“ heißen).
Recht hast Du eigentlich nur, mit der Bemerkung, es müsste „es ist zwei Jahre her“ heißen.
Es gibt „das Membran“ und „die Membrane“, um bei der Rechtschreibung zu bleiben.

Deine sprachlichen Einwände zeugen eher von einer etwas naiven Art, einen literarischen Text zu lesen. Verblüffend, wenn man bedenkt, wie gut Deine eigenen Texte sind.

1. in einem literarischen Text kann man erzählenden Konjunktiv als Wiedergabe von Gehörtem oder Gelesenem sehr wohl mit erzähltem Indikativ mischen.

2. Einer der wichtigsten Grundsätze literarischen Schreibens besteht darin, dem Subjekt naheliegende Verben durch eher ungewöhnliche zu ersetzen. Das Drücken jeder Art ist nicht verengt auf das sich dazu besonders eignende Gesicht als Ganzes. Gedrückt werden auch Lippen, Wangen und die den Ausdruck bezeichnenden Lachfalten. Es gibt Crèmes, von denen in der Werbung behauptet wird, sie würden Falten unterdrücken. Die ehrbare Verwandtschaft von „unterdrücken“ und „wegdrücken“ liegt auf der Hand. Zum Beispiel könnte man, was wesentlich gewagter wäre, auch sagen „Sie hielt die Hand vor den Mund, um ein Gähnen in ein nur hörbares kurzes Aufjaulen wegzudrücken.“
Damit ist auch schon gesagt, dass nicht nur das Gesicht, sondern auch die Gesichtszüge zucken dürfen, allerdings würde ich die beiden Wörter nie direkt aufeinander folgen lassen.

3. Gutes Erzählen zeichnet sich durch ständiges Abschweifen aus. Die Handlung verliert sich immer wieder in Beschreibungen und Reflexionen, die auch ein deutliches Übergewicht haben dürfen.

Ein Mangel meines Textes ist sicherlich die Vorhersehbarkeit des Endes. Schon nach wenigen Zeilen wird klar, dass die Mutter sterben wird. Gute Geschichten enden meist mit einer Überraschung. Auch fehlen dem Text die nötigen Einführungen von Personen, die in ihm auftreten. Ich habe inkauf genommen, dass er etwas zusammengeschustert wirkt.

Aber man könnte das Geschehen zwischen „Ich“ und „Mutter“ ja auch für sich allein lesen. Soviel Mühe muss sein, wenn man etwas kritisiert. Mich hätte eher interessiert, ob sich diese „Geschichte“ in zu viel Pathos ergießt.
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Alt 19.07.2010, 16:06   #7
weiblich Aquaria
 
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Aporie,
mit negativer Kritik ist das so eine Sache. Im Gegensatz zu positiver will sie gut begründet sein und selbst dann ist sie oft schwer zu schlucken. Am Ende kostet sie für einen Kommentator mehr Mühe, wird selten wert geschätzt, oder sogar zum Anlass für persönliche Vorwürfe genommen:

Zitat:
Wäre ich jetzt so ungnädig wie Du, würde ich darauf herumhacken, dass man detailliert mit zwei l schreibt.
Das ist ein Stilmittel. Ich mache mir nicht die Mühe, den Namen heraus zu suchen. Du kannst gern betonen, dass ich detailliert falsch geschrieben habe.
Mein Fehler ärgert mich, nicht der Hinweis darauf.

Ich habe das Fehlen von Flüchtigkeitsfehlern in deinem letzten Text gelobt, das war kein Problem. Hier habe ich den umgekehrten Fall kritisiert und das ist ein Problem?

Über den Konjunktiv in indirekter Rede diskutiere ich nicht. Das müsstest du mir belegen. Über die Membran diskutiere ich auch nicht länger. Der Duden kennt die Membran und die Membrane, das Membran ist falsch.

Wodurch sich gutes Erzählen auszeichnet, ist mit drei Sätzen nicht zu beantworten. Müßig, darüber zu streiten. Für mich persönlich sind Ausgewogenheit, Abwechslungsreichtum, treffende Ausdrücke und Geschlossenheit wichtige Schlagworte. Ich vermute sogar, dass wir im Grunde die gleichen Prämissen haben. Bei guten Ausdrücken gehen die Meinungen sicher auseinander. Deine Ausführungen konnten mich nicht überzeugen.

Mir abschließend zu wenig Mühe beim Kritisieren vorzuwerfen,nachdem ich deinem ausdrücklichen Wunsch nach Details nachgekommen bin und mich insgesamt locker zwei Stunden mit deinem nicht mal Korrektur gelesenen Text befasst habe, ist eine Unverschämtheit, die mich aus den Socken haut.

Aquaria (ungnädig, rechtschreibschwach, naiv, willkürlich mit Kritik um sich werfend und noch dazu ...stinkig)
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Alt 19.07.2010, 23:47   #8
Aporie
 
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Nix von all dem, was über Dich in Klammer steht oder was Du bei mir vermutest. Ich äußere mich dazu später.
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Alt 20.07.2010, 00:30   #9
männlich Ex-JavaScript
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Lieber Aquaria,

Schweizer können ihren Gefühle schwer in Worte fassen, wenn jene einmal gekrànkt wurden, lass Aporie Zeit. Ich habe die Diskussion verfolgt, schon lange, wollte nur Mitteilen, dass mir der 1ste Teil kompakter schien und ich deswegen sogar nicht komplett, sonder überfliegend gelesen habe. Aqua hat gute Kritik geäußert. Wie auch immer. Liest euch Bjtte weiter, mag euer Kritisieren(eiffriger Zuschauer eben)

lg
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Alt 20.07.2010, 09:09   #10
Aporie
 
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Ins Schweizer Nähkästchen passe ich wohl eher schlecht, Locke. Wenn einer mir sagt, ich könne meine Gefühle nicht in Worte fassen, geht das an mir vorbei wie der Mond im Licht der heißen Mittagssonne. Mein Vater, der Bauarbeiter war, sagte „Die Italiener singen zwar bei der Arbeit, aber sonst sind sie die angenehmeren Menschen.“ Schweizer nerven mich, auch wenn ich selbst einer bin, aber meine Gefühle sind längst ausgewandert und kränken kann mich nur der Tod.
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Alt 20.07.2010, 10:12   #11
männlich Ex-JavaScript
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Ich habe das garnicht auf dich bezogen. Mit üblichen Klischees wollte ich hier nur etwas Spassen, soweit ich weiss, denken viele Deutsche, dass Schweizer introvertiert(er) sind(beziehe mich auf TvStudien(lach nur:P). Da ich dich nicht kenne, wäre es ja falsch von mir zu behauten, du als Schweizer kannst dich auf Gefühlsebene nicht Ausdrücken, wenn ich das wirklich Ernst gemeint hätte. Lediglich ein spielerischer Versuch die Fronten zu entkräften.
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