Erwartung ersticken müssen bei Poetry.de

Dunkelblau · 28.01.2007, 02:45

Nacht. An der Bar saß ein einzelner Mensch. Sie war erbärmlich abgenutzt, er müde. Auf ihr schäumte das Bier, das er gerade umgeschüttet hatte, in ihm war kein Schaum. Eigentlich hatte er gar keine besondere Beziehung zu dieser Bar - diesem schlampig verarbeiteten Holz - und daraus machte sie sich wahrscheinlich gar nichts. Er suchte über sie nur einen Funken Wunder, einen Anhaltspunkt in seiner nihilistischen Scheinwelt aus Rauch und Schall, einen Hauch Zuneigung von irgendwo her, etwas das ihn überleben konnte. Er erstickte die Glut seines Zigarettenstummels in Bier und zog die Augenbrauen hoch um wach zu bleiben, sah über die Schulter um seine Umgebung zu betrachten. Die Kneipe war fast leer, nur noch ein paar Leute in ihren halbdunklen Ecken, rauchend und sich nicht um ihn kümmernd, vielleicht in Gespräche vertieft. Er drehte sich wieder nach vorne. Auf einem Stuhl saß der Barmann und sah fern. Es wird nichts passieren mit dir, begann wieder (halbherzig) diese Stimme in seinem Kopf, nicht heute. Du bist eine Ödnis, geh schlafen.
Nach einer Weile: es wird nichts besser. Er drehte sich wieder um; kein geheimnisvoller Fremder durch die Tür herein, kein Engel der ihn liebte, kein Dämon ihn zu verführen. Er war in der Tat müde, aber aufs Neue die Hoffnung unter der Bettdecke begraben? Vielleicht sollte man den im Schlamm feststeckenden Wagen wirklich nicht unnötig anstrengen, die Räder in Frieden lassen (Scheinfrieden natürlich) und einfach schlafen. Im Führerhaus hinterm nutzlosen Lenkrad. Später mit neuer Kraft aufs Gaspedal treten, mit aller Kraft, bis das Benzin endet. War er so naiv zu glauben, das Auto zum Fahren zu kriegen? War er so naiv zu glauben, das Auto nicht zum Fahren zu kriegen?
Der Mensch spannte mit derartigen Gedanken für einen kurzen Augenblick seine Vernunft an, schaffte es, sich zu übertölpeln, und stand vom Hocker auf. Ging auf die Tür zu durch den dünnen Gang zwischen Stühlen, Menschen, Tischen. Öffnete die Tür (schwerer als sonst?) und verließ Kneipe. Stieg nicht aus.
Der Barmann, der viel später einschlief als er, brummte eine Weile danach missmutig und wischte Asche, Bier und Kippe in die Spüle.

28.01.2007, 02:45	#1
Dunkelblau Dabei seit: 03/2006 Beiträge: 129 Meine Geschichten	Erwartung ersticken müssen Nacht. An der Bar saß ein einzelner Mensch. Sie war erbärmlich abgenutzt, er müde. Auf ihr schäumte das Bier, das er gerade umgeschüttet hatte, in ihm war kein Schaum. Eigentlich hatte er gar keine besondere Beziehung zu dieser Bar - diesem schlampig verarbeiteten Holz - und daraus machte sie sich wahrscheinlich gar nichts. Er suchte über sie nur einen Funken Wunder, einen Anhaltspunkt in seiner nihilistischen Scheinwelt aus Rauch und Schall, einen Hauch Zuneigung von irgendwo her, etwas das ihn überleben konnte. Er erstickte die Glut seines Zigarettenstummels in Bier und zog die Augenbrauen hoch um wach zu bleiben, sah über die Schulter um seine Umgebung zu betrachten. Die Kneipe war fast leer, nur noch ein paar Leute in ihren halbdunklen Ecken, rauchend und sich nicht um ihn kümmernd, vielleicht in Gespräche vertieft. Er drehte sich wieder nach vorne. Auf einem Stuhl saß der Barmann und sah fern. Es wird nichts passieren mit dir, begann wieder (halbherzig) diese Stimme in seinem Kopf, nicht heute. Du bist eine Ödnis, geh schlafen. Nach einer Weile: es wird nichts besser. Er drehte sich wieder um; kein geheimnisvoller Fremder durch die Tür herein, kein Engel der ihn liebte, kein Dämon ihn zu verführen. Er war in der Tat müde, aber aufs Neue die Hoffnung unter der Bettdecke begraben? Vielleicht sollte man den im Schlamm feststeckenden Wagen wirklich nicht unnötig anstrengen, die Räder in Frieden lassen (Scheinfrieden natürlich) und einfach schlafen. Im Führerhaus hinterm nutzlosen Lenkrad. Später mit neuer Kraft aufs Gaspedal treten, mit aller Kraft, bis das Benzin endet. War er so naiv zu glauben, das Auto zum Fahren zu kriegen? War er so naiv zu glauben, das Auto nicht zum Fahren zu kriegen? Der Mensch spannte mit derartigen Gedanken für einen kurzen Augenblick seine Vernunft an, schaffte es, sich zu übertölpeln, und stand vom Hocker auf. Ging auf die Tür zu durch den dünnen Gang zwischen Stühlen, Menschen, Tischen. Öffnete die Tür (schwerer als sonst?) und verließ Kneipe. Stieg nicht aus. Der Barmann, der viel später einschlief als er, brummte eine Weile danach missmutig und wischte Asche, Bier und Kippe in die Spüle.