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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 24.07.2011, 13:01   #1
männlich Crystaloser
 
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Beiträge: 136

Standard Sternenblumenkerne (Sonettenkranz)

1.
Die letzte Hoffnung – Sternenblumenkerne;
Erlöschend, fahl, doch auf der Zunge brennend,
Während Sekundenzeiger schneller rennen …
Siehst du den dunklen Punkt schon in der Ferne?

Die Sicht getrübt, und schmal ist unser Grat,
Noch weit der Epilog dieses Gedichtes,
Ersehnter Tunnel am Ende des Lichtes,
Erschöpfter Hamster fällt bald aus dem Rad.

Die Welt zeigt uns die grimmig kalte Schulter,
Kann sich beileibe auch kaum noch gedulden,
Wer soll denn diese schwache Hoffnung hegen?

Am blauen Morgen und im Abendrot
Bioplacebos, wie Wasser und Brot,
Den Hungernden nie mehr ausgehen mögen.

2.
Den Hungernden nie mehr ausgehen mögen
Die Feuer der Chimäre in den Augen,
Wenn auch Dämonen sich daran vollsaugen –
Sie kämpfen, nur des Überlebens wegen.

Und dieser Kampf ist stets allgegenwärtig,
Die Industrie lässt Wälder ihrer Rohre
Maligne Löcher in den Himmel bohren,
Der Mensch ist mit Natur noch lang’ nicht fertig!

Spiel fordert Opfer, hinterlässt Ruinen,
Der Tod langweilt zu Tode sich in ihnen,
Greift zu innovativen Mitteln, Wegen,

Zu komplettieren die Kollektion,
Lässt liegen seine Köder wie Bonbons,
Wir picken sie gleich ahnungslosen Vögeln.

3.
Wir picken shit gleich ahnungslosen Vögeln,
In einem Teufelskreis aus Schein und Trug
Gefangen. Durst! Jedoch ist leer der Krug.
Und schon vernimmt man leise wieder Nörgeln.

Die Mainstream-Medien all die Gemüter
Bedüngen mit den Dogmen, Drogen; Ritter
Der Wahrheit sind inkognito trotz Vita,
Mit Maulkorb statt dem Helm diese Gralshüter.

In selbst gebauten Käfigen daheim,
Ersticken sich ihr eignes Wort im Keim,
In ihren Städten brennt keine Laterne.

In unsren Städten brennen Leuchtreklamen,
Das Wichtigste: für immer und zusammen!
Den Dummen bleibt ein lebenslanges „Lerne!“.

4.
Den Dummen bleibt ein lebenslanges „Lerne!“,
Doch Dummheit gibt es nicht, nur Glück und Pech,
Und Zweifel nagen an dir unentwegt:
Ist Glück denn alles, was man hätte gerne?

Gehört denn nicht doch etwas noch dazu?
Wie ohne Wüste gibt’s keine Oase,
So tut Licht bloß weh ohne dunkle Phase,
Der Hase fürchtet beides immerzu.

Hast Angst vorm Wolf, dann geh nicht in den Wald!
Hast Angst vorm Alter, werde halt nicht alt!
Tja, leicht gesagt … Man ist kein Viech im Bernstein.

Jedoch vielleicht ein Hellseher? So sage,
Was uns noch blüht auf unsre letzten Tage,
Das Fass ist schon randvoll, quillt über Rotwein.

5.
Das Fass ist schon randvoll, quillt über Rotwein,
Stellt sich im Nachhinein heraus als Wasser,
Noch gestern auf der Flucht, heut’ Ketten rasseln,
Und wieder heißt es: fristen altes Dasein.

Desillusionierung? Nein, zu früh noch!
Zeit zu mobilisieren neue Kräfte,
Erneut zu kämpfen, kämpfen um die Rechte …
Verbohrtheit bohrt das neueste Ozonloch.

All das gleicht einem ewigen Spektakel,
In dem nur eine Axt und acht Tentakel,
Gemeine, sich reproduzierende.

Man wird zum seines Zornes Untertan,
Die Waffe trägt bei sich als Talisman,
Dann: siehe Erfurt, Ansbach, Winnenden.

6.
Mann, siehe Erfurt, Ansbach, Winnenden …
Und unter Wasser den gesamten Eisberg!
Die Sohlen des Desasters sind oft leise,
Durch Nebel seine Irrwege sich winden.

Aus Dunkelheit und in die Finsternis,
Von einer Eisbergspitze in die Sauna
Die Seele wird geschleudert bis zum Trauma,
Bedarf einer wohltuenden Katharsis.

Ein nächtelanges Ballern, voll das Zocken,
Das Hinterteil verschweißt sich mit dem Hocker,
Die Tastatur – ein Nagelbrett für Hände.

Zum Meditieren drauf? Von wegen, lach!
Schon kommt die Morgendämmerung danach,
Und jedes Mal ’nen Schuss näher dem Ende.

7.
Und jedes Mal ’nen Schuss näher dem Ende,
Wobei am Anfang stand natürlich Spaß,
Da war noch halbleer das besagte Fass,
Und sonnenscheinweiß schimmerten die Wände.

Vermag man über Gründe zu urteilen?
Meint einer, sei der Spaß nun eben schuld,
Der Leistungsdruck, mutmaßt ein andrer, rult
In unsrer tollen Zeit, auf Geiz so geilen.

Wird jemals fruchten die Diskussion?
In Geistesabgründe Exkursion
Bringt außer Schmerz nichts Weiteres zum Vorschein,

Der Einsamkeit einer U-Bahn-Toilette,
Viel mehr hat dieser Ort auch nicht in petto,
Ein Körnchen Wahres birgt die Nacht allein.

8.
Ein Körnchen Wahres birgt die Nacht allein,
Endstation, der Körper ist kaputt,
Aus ihm entwichen fast die Alltagswut,
Kaum tragbar werdend fürs todmüde Bein.

Die Pflanzen flüstern, und es atmet Stein,
Ein tiefer Graben in Form einer Nut,
Facettenauge der hufkranken Nut
Wacht schweigend über alles irdisch Sein.

Wie viele Jahre du bereits hier wohnst
Vor diesem Aug’ nackt und des halben Monds
Vergilbtem Ohr, das dir entgegen grinst.

Gemobbt von Firma namens Firmament,
Gehängt das Schicksal an den letzten Cent,
Und ewig wird versklaven Zinseszins.

9.
Und ewig wird versklaven Zinseszins,
Unmöglichkeiten sucht er aufzubürden,
Im Dschungel bürokratischer Behürden
Jongliert der Sinn, mit Zehen auf dem Sims.

Im Meinungsministerium, im Bad,
Da fließt kein Wasser, doch eine Hirnseife
Liegt stets bereit; wir tanzen nach der Pfeife
Von jemand, den es nie gegeben hat.

Die entpolitisierte Politik
Verspricht, zu produzieren den Lichtblick
An Fließbändern bis zum Stimmbänderriss.

Doch sollten Jahre wieder werden fett –
Ist Zufall, wie beim russischen Roulette
So plötzlich Klicken leeren Magazins.

10.
So plötzlich Klicken leeren Magazins,
Ne neue Wendung – äh, in welchem Akt?
Gleich einem Sohn, der seinen Koffer packt,
Ein letztes „Hab euch lieb!“ zum Abschied simst.

Aus schönem Elternhaus in fremde Weiten,
Erwähnt schon im Sonett Numero Acht:
Zu einem Leben im Schlepptau der Nacht
Verstoßen auf des Mondes dritte Seite.

Dorthin, wo nichts dir gibt und alles nimmt;
Sie ist für jene Suchenden bestimmt
Der Bruchstücke eines gewissen Ganzen,

Nach der des Kreises Quadratur. Doch nur
Im Herz verbrannten wie Makulatur
Zerbrechen alle Dolche, Schwerter, Lanzen.

11.
Zerbrechen alle Dolche, Schwerter, Lanzen
Der selbst ernannten Ritter schierer Wahrheit,
Wenn bei 451 Fahrenheit
Die merken: Mond hat auch Protuberanzen.

Sie reißen mit in den Photonenstrudel
Sowohl Ungläubige als auch die Frommen,
Und die, die vorn sind, sehen es schon kommen –
So etwas wie den Eingang zu ’nem Tunnel.

Oh Seele, du suchst deinen Heimathafen!
Und doch bloß nach der Nadel im Heuhaufen,
Einer gelösten Schraube im Getriebe.

Obwohl dein Weg sich misst schon in Lichtjahren,
Wie schaffst du es, den Glauben zu bewahren,
Am Ende wird gewinnen nur die Liebe?

12.
Am Ende wird gewinnen nur die Liebe,
Seht her, ein elend abgebranntes Herz
Kann wieder auferstehen als ein Phönix,
Zu früh, gebt zu, habt ihr es abgeschrieben!

So schließt sich das Quadrat – Pardon, der Kreis,
Die Schraube findet sich, nur ohne Mutter,
Der Sohn, verloren, kommt zurück zur Mutter,
Vom Schnee der Sterne allerdings ganz weiß

Und müd’ vom Waten in des Himmels Seen …
Doch warte mal, ist das denn wirklich Schnee?
Es schmilzt, oh ja, lässt aber sich nicht sieben.

Die Kerne einer Blume!? In Verbannung
Sie waren seine Nahrung, täglich Manna,
Doch nun von Fingern schwitzenden zerrieben.

13.
Doch nun, von Fingern schwitzenden zerrieben
Zu klebrigem Staub in den Taschen, Rost,
Entschwinden Kerne wie die Flaschenpost,
An unerforschtes Schilfgebiet getrieben.

Des Ungreifbaren karge Zeugnisse,
Jenseitiges von dem Beidseitigen –
Es steckt natürlich in den kleinen Dingen,
All dem, was oft bleibt hinter der Kulisse.

Schon sind sie überall, vermischt mit Schalen:
In Ozeanen, Raststätten der Wale,
In alter Werkhalle, dem Reich der Wanzen,

Die hausen im Versteck, bis eine wagt es,
Daraus zu geh’n; sie endet eines Tages,
Lechzend nach Ködergift, durch eine Stanze.

14.
Lechzend nach Ködergift, durch eine Stanze
(In nur acht Zeilen) platt, bleibt nicht mal Grat,
Oder als Hamster, der noch (!) läuft im Rad
(Doch würde je verspüren Lust zu tanzen?),

Sieht er ein wenig mitgenommen aus.
Du magst dich fragen: „Wer?“ – lyrischer Held.
Von all den Plagen der modernen Welt
Hat langsam Schnauze voll, will nur nach Haus’.

Nun, aus die Maus! Zu seinem stillen Grabe
Wird er in aller Heimlichkeit getragen –
Ein Fleck bloß, den es gelte zu entfernen.

Weder er findet Frieden unterm Efeu,
Noch tröstet seine Seele, weil zerstreut,
Die letzte Hoffnung – Sternenblumenkerne.

15.
Die letzte Hoffnung – Sternenblumenkerne
Den Hungernden nie mehr ausgehen mögen,
Wir picken sie gleich ahnungslosen Vögeln,
Den Dummen bleibt ein lebenslanges „Lerne!“.

Das Fass ist schon randvoll, quillt über Rotwein,
Dann: siehe Erfurt, Ansbach, Winnenden;
Und jedes Mal ’nen Schuss näher dem Ende,
Ein Körnchen Wahres birgt die Nacht allein.

Und ewig wird versklaven Zinseszins …
So plötzlich: Klicken leeren Magazins,
Zerbrechen aller Dolche, Schwerter, Lanzen.

Am Ende wird gewinnen nur die Liebe.
Doch nun, von Fingern schwitzenden zerrieben,
Will flechten der Stift den Schlusszweig des Kranzes.

10/2009

© Max Schatz
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Alt 27.07.2011, 20:41   #2
männlich Crystaloser
 
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Schweigen ist Silber,
aber ne kleine Kritik
wäre mir lieber
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Alt 27.07.2011, 20:49   #3
männlich Ex-Schamanski
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Ok, Bronze.

Du hast Dir eine unglaubliche Mühe gegeben, aber die Reime sind nicht sauber. Das sollte bei Sonetten und gerade bei der Königsdisziplin des Sonettenkranzes gegeben sein, finde ich.
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Alt 27.07.2011, 21:23   #4
männlich Crystaloser
 
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Hallo, Maki!

Freut mich sehr, dass Du es, wies aussieht, bis Ende gelesen hast. Habe ich eigentlich bei der Länge nicht vorausgesetzt, aber leicht gehofft, dass das Gedicht bei etlichen Sonettliebhabern hier zumindest auf Interesse stößt.
Ja, es sind Ungereimtheiten dabei (z.T. reimt sich sogar männlich/daktylisch auf weiblich), ich hab versucht, das in Grenzen zu halten, aber irgendwo hab ich selbst Grenzen. Jedoch sind nicht alle Reime unsauber.
Und wie siehts aus mit dem Inhalt? Irgendeine Meinung dazu?

Gruß!
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Alt 27.07.2011, 21:32   #5
Ex-Odiumediae
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Ich finde, es liegt zwischen Bronze und Silber.

Sonette sind so eine Sache, man kann sehr streng nach poetischen Regeln oder etwas lockerer zu Werke gehen. Du hast Dich für letzteres entschieden, indem Du nicht allzu sehr auf Metrum und Länge der Verse sowie auf die Betonung selbst und durchweg saubere Reime geachtet hast.

Bei einem Sonettkranz, finde ich, kann man es dem Dichter nachsehen, zumal es ein schwieriges Unterfangen ist, einen Sonettkranz nach strengen Regeln zu gestalten (z.B. maximal 5 Reimgruppen pro Sonett, bei durchgängig gleicher Verslänge, also z.B. Alexandriner, Endecasillabo oder Neunsilber, usw.).

Den Stoff, und keinen uninteressanten, wie ich finde, hast Du auf jeden Fall gefunden; Du verfolgst Ideen, Gedanken, erzählst damit eine Gedankengeschichte und das finde ich, ist Dir sehr gut gelungen.

Das Einzige, was mich etwas stört, ist, dass die einzelnen Sonette teilweise sehr lose verbunden sind. Das Gleichgewicht zwischen Kohäsion und Kohärenz ist unausgewogen. Einige Sonette beginnen mit einem Vers, der kaum in Verbindung zu den folgenden zu stehen scheint. Das aber ist einer der Hauptaspekte des Sonettkranzes und daher ist der Kranz für mich kein Gold mehr, sondern eine Bronze-Silber-Legierung mit etwas mehr Silber als Bronze.

Meinen Respekt hast Du auf jeden Fall dafür, dass Du einen Sonettkranz vollendet hast, ich arbeite immer noch an zweien und komme nicht recht voran.

Trotz der negativen Kritik habe ich das Werk gern gelesen. Deshalb denke ich, die ein oder andere Überarbeitung wäre es auf jeden Fall wert und sehen lassen, kann es sich allemal.
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Alt 27.07.2011, 21:51   #6
männlich Ex-Schamanski
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Mit "Bronze" wollte ich keine Wertung abgeben. Schweigen ist Silber, mein Gelaber bestenfalls Bronze.

Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Einen Heidenrespekt dafür, daß Du Dich an die Sache herangewagt hast. Auch inhaltlich habe ich nichts zu nörgeln. Nur die reimtechnischen und rhythmischen Unebenheiten finde ich schade in Anbetracht der Arbeit, die hier hineingesteckt wurde.
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Alt 29.07.2011, 21:22   #7
männlich Crystaloser
 
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Hallo Odi und Maki,

danke für Eure aufbauende Kritik!

Ja, ich habe mir einige Freiheiten erlaubt, z.B. eben 7 Reimgruppen statt 5 (außer Sonett 8), auch vereinzelte trochäische Versanfänge und Verschiebungen der Betonungen habe ich in Kauf genommen, ehrlich gesagt, um sich die Arbeit zu erleichtern. Diese bestand darin, den schon existierenden, haarsträubend unrhythmischen Text in einen durchwegs 5-hebigen Jambus zu bringen, was eine Woche in Anspruch genommen hat, weiß nicht, ob das viel oder wenig ist.

Die Schlusszeile fällt natürlich aus dem Konstrukt, ist aber wenigstens in gewissen Gleichklang mit der eigentlich zu wiederholenden Zeile gebracht (..lech..-..flech..; ..dergift - der Stift; durch eine - Schlusszweig des ) und absichtlich (na gut, gewissermaßen aus Not) ausnahmsweise daktylisch gehalten, um den Rhythmus zum Schluss zu verlangsamen.

Zitat:
Einige Sonette beginnen mit einem Vers, der kaum in Verbindung zu den folgenden zu stehen scheint. Das aber ist einer der Hauptaspekte des Sonettkranzes und daher ist der Kranz für mich kein Gold mehr, sondern eine Bronze-Silber-Legierung mit etwas mehr Silber als Bronze.
...beginnen mit einem Vers, der kaum in Verbindung zum gesamten Sonett steht.
Ich denke auch, dass das die wahre Kunst, das Wesentliche eines Sonettkranzes ist. Nicht bloße (assoziative) Übergänge zu schaffen, sondern so zu verflechten, dass jedes Einzelsonett für sich alleine existenzberechtigt, also voll aussagekräftig ist. Das ist mir eben nicht ganz gelungen. Obwohl - man kann den einzelnen Sonetten schon vage Themen, eher Stichworte zuodnen, auch anhand der sich wiederholender "Schlagwörter" (was formal wohl auch nicht sein sollte) z.B. Hoffnung, Kampf usw.

Zitat:
ich arbeite immer noch an zweien und komme nicht recht voran.
mich würde unter anderem interessieren der zeitliche Aspekt dieses Prozesses. Wie lange dauert es bei Dir von der Idee bis zur Vollendung - welche ich Dir natürlich wünsche. Verstehe ich es richtig, dass es ein doppelter Kranz werden soll? Solche Form gibts auch, oder?
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Alt 29.07.2011, 22:55   #8
Ex-Odiumediae
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Zitat:
Zitat von Crystaloser Beitrag anzeigen
Ja, ich habe mir einige Freiheiten erlaubt, z.B. eben 7 Reimgruppen statt 5 (außer Sonett 8), auch vereinzelte trochäische Versanfänge und Verschiebungen der Betonungen habe ich in Kauf genommen, ehrlich gesagt, um sich die Arbeit zu erleichtern.
Dafür habe ich volles Verständnis, es ist schließlich verdammt schwer, so viele passende Reime zu finden, zumal man ja noch viel mehr finden muss, wenn man das strenge Maß einhält. Man bräuchte dann für einem ‚Doppel-‘ bzw. ‚Dreifachreim‘ nochmal vier passende im ersten Quartett des jeweils nächsten Sonetts. Das heißt, wenn man streng vorginge, müsste man fünfzehn mal sechs oder sogar fünfzehn mal sieben passende Reimwörter finden und damit noch eine kohärente und kohäsive, aber dennoch verdichtete Geschichte erzählen. Da ist es beinahe vorprogrammiert, dass der Inhalt zu kurz kommt. Und wenn man dann noch ebenso starr auf Metrum, Versmaß und Kadenzen achtet, wird es richtig schwer.


Zitat:
Zitat von Crystaloser Beitrag anzeigen
mich würde unter anderem interessieren der zeitliche Aspekt dieses Prozesses. Wie lange dauert es bei Dir von der Idee bis zur Vollendung - welche ich Dir natürlich wünsche. Verstehe ich es richtig, dass es ein doppelter Kranz werden soll? Solche Form gibts auch, oder?
Sehr lange! Nicht immer, wenn ich Lust zu schreiben habe, fällt mir auch etwas Gescheites ein und manchmal passiert es, dass ich an einem Werk Stunden oder sogar Tage lang arbeite, es mir aber nicht gefällt, wenn ich es beendet habe. Solche Werke gehen dann umgehend in den Papierkorb, damit ich nicht in Versuchung gerate, den Schund zu veröffentlichen.

An dem einen Sonettkranz arbeite ich nun schon seit Monaten, immer mal wieder, wenn ich Zeit, Lust und Ideen habe, die in das Konzept passen. Wenn ich fertig bin, werde ich sicher gut und gerne das dreifache an Sonetten geschrieben und manche vielleicht drei oder vier mal geschrieben und wieder vernichtet haben. Aber je besser mir eines gelingt, desto besser soll mir dann auch wieder das nächste gelingen und zwischen zweien, die mir wirklich gefallen, darf einfach kein mittelmäßiges Sonett stehen, deshalb dauert es so lange. Zehn sind fertig, aber zwei davon stehen noch ‚frei‘; das heißt deren tieferer Bezug zu den anderen steht bisher nur in meinem Kopf fest.

Der zweite Kranz ist aus einer Laune heraus entstanden, eher für mich, zur Übung und besteht erst aus vier Sonetten, die aber schon linear miteinander verbunden sind.

Wie lange hast Du an diesem Kranz gearbeitet? Hast Du schon Konzepte für einen oder mehrere weitere Sonettkränze oder arbeitest Du schon an einem weiteren?
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Alt 31.07.2011, 15:15   #9
männlich Crystaloser
 
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Zitat:
Sehr lange! Nicht immer, wenn ich Lust zu schreiben habe, fällt mir auch etwas Gescheites ein und manchmal passiert es, dass ich an einem Werk Stunden oder sogar Tage lang arbeite, es mir aber nicht gefällt, wenn ich es beendet habe. Solche Werke gehen dann umgehend in den Papierkorb, damit ich nicht in Versuchung gerate, den Schund zu veröffentlichen.
ich muss sagen, ich bewundere diese Art, mit seinen Texten umzugehen. In mir sträubt sich manchmal etwas gegen den Papierkorb, sodass ich dieser Versuchung öfters nicht widerstehen kann/konnte.

Zitat:
Wie lange hast Du an diesem Kranz gearbeitet? Hast Du schon Konzepte für einen oder mehrere weitere Sonettkränze oder arbeitest Du schon an einem weiteren?
Es ist insgesamt, abgesehen von einem Sonett in meiner Muttersprache, mein erster Versuch im Sonettschreiben. Die ersten 5 Sonette entstanden im Sommer vor zwei Jahren innerhalb einer Stunde oder so. Im Herbst dann bin darauf zurückgekommen und mit einem Sonett pro Tag den Kranz beendet. Die Überarbeitung vor kurzem, die in meinen Augen abgeschlossen war, dies aber nun in Frage steht, hat noch zusätzlich etwa 1,5 Wochen gedauert.

Sonette, geschweige denn Sonettenkränze, werde ich wohl keine mehr schreiben, da ich mich sowieso mehr der Prosa zuwenden will - wenn ichs schaffe. Dieser war inhaltlich für einen mir vorschwebenden Gedichtband konzipiert. Ob ein Leser aber die Assoziationen (das Kohärente?), die ich versuche einzubauen, auch wahrnimmt und das "Konzept" erkennt, ist natürlich andere Sache. Man ist bekanntlich blind für sein Unvermögen.
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Alt 31.07.2011, 15:27   #10
Ex-Odiumediae
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Zitat:
Zitat von Crystaloser Beitrag anzeigen
Sonette, geschweige denn Sonettenkränze, werde ich wohl keine mehr schreiben, da ich mich sowieso mehr der Prosa zuwenden will - wenn ichs schaffe. Dieser war inhaltlich für einen mir vorschwebenden Gedichtband konzipiert. Ob ein Leser aber die Assoziationen (das Kohärente?), die ich versuche einzubauen, auch wahrnimmt und das "Konzept" erkennt, ist natürlich andere Sache. Man ist bekanntlich blind für sein Unvermögen.
Interessanter Gedanke, aber ich denke, darauf kann man nicht immer Rücksicht nehmen. Wenn man wirklich gute Ideen zu haben glaubt, finde ich, sollte man sie umsetzen. Wenn ich die Gedanken betrachte, die Du in dem Kranz verarbeitet hast, drängt sich mir der Gedanke auf, dass Du Prosa wahrscheinlich insgesamt besser schreiben könntest als Gedichte, aber den Eindruck habe ich nur aus diesem Text gewonnen, deshalb muss er natürlich nicht zutreffen, zumal ich noch nicht so viele von Deinen Texten gelesen habe. Das werde ich gleich einmal nachholen.
Ex-Odiumediae ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.07.2011, 15:46   #11
männlich Crystaloser
 
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Zitat:
zitat von Odiumediae:
Wenn ich die Gedanken betrachte, die Du in dem Kranz verarbeitet hast, drängt sich mir der Gedanke auf, dass Du Prosa wahrscheinlich insgesamt besser schreiben könntest als Gedichte
Wenn Du meinst, dass bei mir Inhalt das Formale, Dichterische überwiegt, hast Du wahrscheinlich Recht. Ich kann schlecht Emotionen in Lyrik umsetzen, dafür muss man als Person gewissen Gefühlsreichtum besitzen, schreibe aber auch recht eintönige Prosa (Trivialliteratur zugeordnet, wo es auf Spannung ankommt). Ist es aber nicht so, dass ein Sonett eher Gedanken als Gefühle ausdrücken soll?
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Alt 31.07.2011, 16:05   #12
Ex-Odiumediae
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Zitat:
Zitat von Crystaloser Beitrag anzeigen
Ist es aber nicht so, dass ein Sonett eher Gedanken als Gefühle ausdrücken soll?
Ich denke, das kann man sicherlich auf beide Arten sehen, aber wenn man von Petrarcas Sonetten ausgeht (was man nicht muss, ich aber als sinnvoll erachte), lässt sich der Sinn von Sonetten auch so ausdrücken, dass er Gefühle ausdrücken soll, die als Resultat tieferer Gedanken ausgedrückt werden. Allerdings benutze ich Sonette auch vorwiegend, um Geschichten zu erzählen, weil es mir Spaß macht, diese in die festen Strukturen einzuarbeiten. Darüber könnte man ewig diskutieren, aber ich schätze, ich könnte mich zwischen den Hauptstandpunkten gar nicht entscheiden. Wozu tendierst Du?
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Alt 02.08.2011, 22:38   #13
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Ich bin zwar noch ganz 'neu' in der Dichtung, aber ich kann mir meinen Kommentar nicht verkneifen

Ich finde das Werk im ganzen betrachtet schön und auch die Aussage gefällt mir, aber dem genaueren Blick halten die Sonette eben (leider) nicht stand.
Trotzdem schmälert das nicht den Respekt, den du dir dadurch verdient hast; ich habe - inspiriert von deinem Werk - auch angefangen einen Sonettenkranz zu flechten und muss sagen, dass das wirklich sehr viel anspruchsvoller ist, als das einfache Dichten; und mich ungemein fesselt!
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Alt 03.08.2011, 22:39   #14
männlich Kurier
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Hi Crystaloser,
Ich mag Sonette.
Die Überschrift deines Gedichtes war für mich bereits eine schöne; Sonette, in Sonettkranz verbunden.
Mit Neugier und einer gewissen Vorfreude begann ich zu lesen, doch bereits nach den ersten vier Zeilen war ich enttäuscht, die Freude gedämpft, und mein Interesse erloschen; ich habe die „restlichen“ Verse nur noch überflogen – mein erster Eindruck wurde nicht verbessert.(die Zeile 8 fiel mir ein).
Es ist lobens- und anerkennenswert, sich mit gebundener Lyrik, an einem Sonett, und gar einem Sonettkranz zu versuchen, doch guter Wille ist nur ein Baustein.
Wohlgemerkt: Die Idee ist gut, der Inhalt überrascht, eine vorbildliche Fleißarbeit, aber, Schwachstellen nagen an deinem Ziel.
HG Kurier
Kurier ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.08.2011, 23:10   #15
männlich Crystaloser
 
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Nun, da doch mehr Antworten kommen, als ich mir eigentlich erträumt hatte,
kann ich mir eine Antwort meinerseits nicht verkneifen. Heute hab ich ein Brett vorm Kopf und bin mies gelaunt, Patzer in der ausdrucksweise bitte ich daher vorab zu entschuldigen.

@ Kurier: Deine Enttäuschung resultiert womöglich aus den hohen Erwartungen an ein Gedicht, das sich Sonettenkranz nennen will. Du sprichst gar von Vorfreude. Kommt noch dazu, dass gerade in diesem Forum. Mir ist aufgefallen, dass die meisten & besten & aktivsten Poeten hier sehr viel Wert auf Reinheit der Reime und Metrik und sozusagen Schönheit der Dichtung legen. So etwas formt ein Forum - was in ist und gern gelesen wird und was nicht. Anderswo sind vielleicht mehr Fans der modernen Lyrik versammelt, und Jurys von Gedichtwettbewerben haben auch eigene Kriterien. Dazwischen sind noch viele Fälle, die schwer in irgendeine Schublade passen.

Was ist nun eine schöne, dichterische Dichtung? Ich glaube für mich selbst, langsam dahintergekommen zu sein, dass solche Beurteilung stark von der Wortwahl abhängt, die schlüssig und homogen sein muss. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.
Möge mein Kranz dann als Beispiel dienen, dass ich das (gelungene Wortwahl) nicht drauf habe. Obwohl's wahrscheinlich nicht funktioniert, versuche ich trotzdem, mein Unvermögen teilweise als Intention aussehen zu lassen:

Ich hab einige Sonettenkränze gelesen, zugegeben überwiegend in meiner Muttersprache, deren Schreiber zweifellos Meister sind, die in Reim, Rhythmus und Klang makellos sind, deren Inhalt ich jedoch als fast überflüssig wahrgenommen habe. Verdichtung? Stilistisch Ständige Aufzählungen von (natürlich zueinander passenden, schön zu lesenden) Adjektiven, inhaltlich mehrere Wiederholungen der gleichen Aussage - spricht alles nicht gerade dafür.

Also hab ich versucht, dies in Grenzen zu halten, stattdessen auf Alliterationen zu setzen. Außerdem mag ich es, Begriffe und Motive aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Wortwelten, Spezifisches und Allgemeines, selbst unterschiedliche Stimmungen nebeneinander zu stellen. Das ist es wohl, was dann unfreiwillig komisch wirkt, die Plausibilität und Homogenität zerstört.

Aber ich mache das aus einfachem Grund: Von Gedichten erwarte ich als Leser in erster Linie nicht, dass sie auskomponiert wirken, gefühlvoll klingen, sondern dass sie zum Nachdenken anregen, weil eben nicht alles gleich klar erscheint, dass man hinter irgeindeiner Zeile eine zweite Bedeutung zumindest vermuten darf. Möglicherweise kann in diesem Fall Prosa das in der Tat genauso, wenn nicht besser, tun.

Kurzum, ich kann verstehen, dass meine Sonette dem genaueren Blick nicht standhalten.

@ Shadowblade: Präsentierst Du vielleicht irgendwann Deinen fertigen Kranz?

Mich bedankend bei allen für die Meinungen
Crystaloser
Crystaloser ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.08.2011, 11:19   #16
männlich Shadowblade
 
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Alter: 31
Beiträge: 6

Ich kann deinen Unmut nachvollziehen.

Aber ich persönlich (Schande über mich) kann mit moderner Dichtung kaum etwas anfangen, hauptsächlich deshalb, weil ich selbst völlig unbedarft auf dem Gebiet bin. Ich halte mich lieber an einfach verständliche Regeln, deshalb dichte ich gerne Sonette (wobei ich bis zu diesem Thread auch "verdrängt" hatte, dass sie eigentlich in Alexandrinern gedacht sind, naja, das machts nur klobig, zumindest, wenn ich sie schreibe.)


Zu meinem eigenen Sonettenkranz. Naja, ich hänge momentan in der Mitte und der Anfang gefällt mir schon lange nicht mehr so gut, wie als ich es geschrieben hab' - da fehlt vor allem die inhaltliche Komponente, es gibt zwar ein Thema, aber vor allem die ersten 3-4 Sonette unterscheiden sich zu wenig voneinander.
Naja, wenn ich den Kranz mal zu Ende flechte, werde ich ihn wahrscheinlich trotzdem vorstellen
Da fällt mir ein, dass mir vor allem die letzte Zeile also die Selbstreferenz auf das Dichten eines Sonettenkranzes extrem gut gefällt. Ich finde Meta-Lyrik brilliant.
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Antwort

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