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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 16.02.2016, 17:50   #1
männlich Opal
 
Dabei seit: 03/2012
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Beiträge: 133

Standard Ein extremes Wunderkind

Mama: „Junge, du bist ein Phänomen.“

Das erste Mal war sie sprachlos gewesen, als sie mich vom Wickeltisch hatte fallen lassen, und plupps, konnte ich Kauderwelsch sprechen, ich, der zuvor keine zwei zusammenhängenden Silben herausgebracht hatte. Nun plötzlich waren es ganze Wörter. Weil keiner genau sagen konnte, welche Sprache es denn sei, nannten sie es Kauderwelsch.

Ein paar Jahre danach, ich hatte gerade meinen siebten Geburtstag und war aufgeregt, weil diesmal der Sohn eines arabischen Scheichs zu Besuch kommen sollte, den Mama eingeladen hatte. Ich fuhr mit meinem neuen Fahrrad, einem Geschenk von Tante Adele, die schon in der Frühe angereist war, gegen den nächsten Laternenpfahl, und plupps, konnte ich fließend Arabisch sprechen. Mama war vor lauter Freude minutenlang stumm geblieben, mit Tränen der Rührung in den Augen.

Später fiel mir die Einstiegsluke auf den Schädel von einem tschechischen Panzer, als ich ihn neugierig inspizierte, und ich konnte prompt fließend Tschechisch.

Dann kam ich in die Pubertät, eine schwierige Phase für einen schüchternen Jungen wie mich. Bis zu meinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr hatte ich kein Mädchen heimgeführt, ja, nicht einmal angesprochen. Mir fehlten die richtigen Worte. Zu meinem vierundzwanzigsten Namenstag hatte Mutter eine Überraschung für mich. In meinem Zimmer sollte sie liegen. Ich war aufgeregt. In meinem Bett lag ein unbekanntes Fräulein, splitterfasernackt. Ich bekam einen Schock, musste ins Krankenhaus, war stumm geworden. Nur Mama plapperte in einer Tour.

Nach überwundenem Schock stellte ich aber zu Mamas Glück fest, dass ich auf einmal die Worte drauf hatte, um Mädchen imponieren zu können und sie lud gleichzeitig zwei Girls ein in unser Heim, die eine aus der mährischen Walachei gebürtig, die andere aus Syrien.

Nun war ich sprachlos. Der erlittene Schock hatte mich der tschechischen wie auch der arabischen Sprache beraubt. Darüber war ich so erschrocken, dass ich auch noch meine Muttersprache verlor. Ich verstand einzig nur noch Kauderwelsch. Papa klagte: „Jetzt haben wir ein verblödetes Genie in der Familie.“

Als ich ungeachtet dessen mein Kauderwelsch ins Internet reinstellte und viel Beifall erhielt, fand Mama es wiederum phänomenal, was ich an ihrem erhobenem Daumen erkannte, ihrer extra für mich erlernten Zeichensprache. Im Netz verständigten sie sich ebenfalls damit. Waren wohl auch behindert.
Opal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.02.2016, 19:37   #2
männlich Ex-Lichtsohn
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Beiträge: 1.493

Standard Eine wirklich nette Story

gern gelesen und das Schmunzeln las immer mit.

Nur zum Schluss hatte ich ein komisches Gefühl: mir kam vor, die Geschichte wollte eigentlich in eine andere Richtung, wollte weitererzählen, aber du hast sie eingefangen und eingestellt - vielleicht ein ganz kleines bisserl zu früh. Wer weis was noch aus ihr hätte werden können.

LG
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.02.2016, 21:28   #3
männlich Opal
 
Dabei seit: 03/2012
Alter: 50
Beiträge: 133

Standard hi

Danke, Lichtsohn, ich will mit dem Text experimentieren, habe ma auf die Schnelle ein paar Textstellen hinzugefügt in Klammern. Jetzt dürfte es unskurril und klar rüberkommen. Wenn ich allerdings eine Satire draus machen wollte, müsste der gesamte Text scharfzüngiger, spöttischer formuliert werden. Dazu fehlt mir aber auch wohl die aggressive Stimmung gegen dererlei Mütter.

Ein extremes Wunderkind

Mama: „Junge, du bist ein Phänomen.“

Das erste Mal war sie sprachlos gewesen, als sie mich vom Wickeltisch hatte fallen lassen, und plupps, konnte ich Kauderwelsch sprechen, ich, der zuvor keine zwei zusammenhängenden Silben herausgebracht hatte. Nun plötzlich waren es ganze Wörter. Weil keiner genau sagen konnte, welche Sprache es denn sei, nannten sie es Kauderwelsch. (Ich glaube, ich konnte vor dem Sturz schon Zweisilbiges herunterlallen, nur ist es keinem aufgefallen.)

Ein paar Jahre danach, ich hatte gerade meinen siebten Geburtstag und war aufgeregt, weil diesmal der Sohn eines arabischen Scheichs zu Besuch kommen sollte, den Mama eingeladen hatte. Ich fuhr mit meinem neuen Fahrrad, einem Geschenk von Tante Adele, die schon in der Frühe angereist war, gegen den nächsten Laternenpfahl, und plupps, konnte ich fließend Arabisch sprechen. Mama war vor lauter Freude minutenlang stumm geblieben, mit Tränen der Rührung in den Augen. (Eigentlich konnte ich nur ein paar Brocken Arabisch, welche ich mir aus einem Fremdsprachenlexikon angeeignet hatte, um den Scheichjungen zu überraschen. Davon hatte Mutter nichts gewusst, und dann, als ich die erlernten Worte nach dem Fahrradsturz in meinem etwas benommenen Zustand von mir gegeben hatte, hielt sie mich erwartungsgemäß für ein Sprachgenie.)

Später fiel mir die Einstiegsluke auf den Schädel von einem tschechischen Panzer, als ich ihn neugierig inspizierte, und ich konnte prompt fließend Tschechisch. (Obwohl, ich hatte lediglich einige Sprachfetzen von fluchenden tschechischen Panzergrenadieren aufgeschnappt und nachgeäfft. Für Mama war es natürlich mehr.)

Dann kam ich in die Pubertät, eine schwierige Phase für einen schüchternen Jungen wie mich. Bis zu meinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr hatte ich kein Mädchen heimgeführt, ja, nicht einmal angesprochen. Mir fehlten die richtigen Worte. Zu meinem vierundzwanzigsten Namenstag hatte Mutter eine Überraschung für mich. In meinem Zimmer sollte sie liegen. Ich war aufgeregt. In meinem Bett lag ein unbekanntes Fräulein, splitterfasernackt. Ich bekam einen Schock, musste ins Krankenhaus, war stumm geworden. Nur Mama plapperte in einer Tour.

Nach überwundenem Schock stellte ich aber zu Mamas Glück fest, dass ich auf einmal die Worte drauf hatte, um Mädchen imponieren zu können und sie lud gleichzeitig zwei Girls ein in unser Heim, die eine aus der mährischen Walachei gebürtig, die andere aus Syrien. (Wahrscheinlich war das Wortepotential schon vorher vorhanden, einfache Ansprache, mit denen man junge Damen beeindrucken kann, und nicht mit Abgehobenem.)

Nun, (wo es drauf ankam, gegenüber den beiden fremdsprechenden Damen) war ich sprachlos. Der erlittene Schock hatte mich der tschechischen wie auch der arabischen Sprache beraubt. Darüber war ich so erschrocken, dass ich auch noch meine Muttersprache verlor. (So die Erklärung von Mum.) Ich verstand einzig nur noch Kauderwelsch. Papa klagte: „Jetzt haben wir ein verblödetes Genie in der Familie.“

Als ich ungeachtet dessen mein Kauderwelsch ins Internet reinstellte und viel Beifall erhielt, fand Mama es wiederum phänomenal, was ich an ihrem erhobenem Daumen erkannte, ihrer extra für mich erlernten Zeichensprache. Im Netz verständigten sie sich ebenfalls damit. Waren wohl auch behindert. (Natürlich war dies Kauderwelsch in Wirklichkeit eine ganz normale Sprache eines ganz durchschnittlichen Jungen. Aber daran mochte Mama nicht denken.)
Opal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.02.2016, 13:55   #4
männlich Opal
 
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Alter: 50
Beiträge: 133

Ein extremes Wunderkind

Mama: „Junge, du bist ein Phänomen.“

Das erste Mal war sie sprachlos gewesen, als sie mich vom Wickeltisch hatte fallen lassen, und ich urplötzlich Kauderwelsch sprechen konnte. Zuvor hatte ich keine zwei zusammenhängenden Silben herausgebracht. Nun plötzlich waren es ganze Wörter. Weil keiner genau sagen konnte, welche Sprache es denn sei, nannten sie es Kauderwelsch.

Ein paar Jahre danach, ich hatte gerade meinen siebten Geburtstag und war aufgeregt, weil diesmal der Sohn eines arabischen Scheichs zu Besuch kommen sollte. Mama hatte ihn eingeladen. Ich fuhr mit meinem neuen Fahrrad, einem Geschenk von Tante Adele, die schon in der Frühe angereist war, gegen den nächsten Laternenpfahl, und konnte augenblicklich fließend Arabisch sprechen. Mama war vor lauter Freude minutenlang stumm geblieben, mit Tränen der Rührung in den Augen. Eigentlich hatte ich mir nur ein paar Brocken Arabisch angeeignet gehabt, aus einem Fremdsprachenlexikon, um den Scheichjungen zu überraschen.

Später konnte ich prompt fließend Tschechisch, obwohl ich lediglich einige Sprachfetzen von fluchenden tschechischen Panzergrenadieren aufgeschnappt und sie nachgeäfft hatte, als ich neugierig einen ihrer Panzer inspizierte und mir die Einstiegsluke auf den Schädel gefallen war.

Dann kam ich in die Pubertät, eine schwierige Phase für einen schüchternen Jungen wie mich. Bis zu meinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr hatte ich kein Mädchen heimgeführt, ja, nicht einmal angesprochen. Mir fehlten die richtigen Worte. Zu meinem vierundzwanzigsten Namenstag hatte Mutti eine Überraschung für mich. In meinem Zimmer sollte sie liegen. Ich war aufgeregt. In meinem Bett lag ein unbekanntes Fräulein, splitterfasernackt. Ich bekam einen Schock, musste ins Krankenhaus, war stumm geworden. Nur Mama plapperte in einer Tour.

Nach dem überwundenen Schock stellte ich aber zu Mamas Glück fest, dass ich auf einmal die Worte drauf hatte, um Mädchen imponieren zu können und sie lud gleichzeitig zwei Girls ein in unser Heim, die eine aus der mährischen Walachei gebürtig, die andere aus Syrien.

Den beiden fremdsprechenden Damen gegenüber war ich sprachlos geblieben. Der erlittene Schock hatte mich der tschechischen wie auch der arabischen Sprache beraubt. Darüber war ich so erschrocken, dass ich auch noch meine Muttersprache verlor. Ich verstand einzig nur noch Kauderwelsch. Papa klagte: „Jetzt haben wir ein verblödetes Genie in der Familie.“

Als ich ungeachtet dessen mein Kauderwelsch ins Internet reinstellte und viel Beifall erhielt, fand Mama es wiederum phänomenal, was ich an ihrem erhobenem Daumen erkannte, ihrer extra für mich erlernten Zeichensprache. Im Netz verständigten sie sich ebenfalls damit. Waren wohl auch behindert. Allerdings war dieses Kauderwelsch in Wirklichkeit eine ganz normale Sprache eines total durchschnittlichen Jungen gewesen. Aber daran mochte Mama nicht denken.

Geändert von Opal (17.02.2016 um 17:19 Uhr)
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