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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 11.07.2015, 22:49   #1
männlich Trubadix
 
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Standard Der Mensch, der andere Menschen nicht mögen kann

Er mag Menschen nicht, die spielenden Kindern nicht sanftmütig lächelnd hinterhersehen, weil sie ihm teilnahmslos und resigniert erscheinen. Und er mag Menschen nicht, die spielenden Kindern sanftmütig lächelnd hinterhersehen, weil er in ihrem sanftmütigen Lächeln den Versuch erahnt, vor ihm (oder irgendwem, möglicherweise vor sich selbst) als interessierter und gütiger Mensch zu erscheinen. Manchmal kann ihnen, das will er zugeben, für einen Moment die Glut der Nostalgie als aufrichtiges Gefühl in den Augen aufglimmen. Doch sobald diese nostalgische Empfindung von der strengen Überwachungskamera der Selbstobservation bemerkt wird, wird sie, als Möglichkeit einer Authentischmachung der Darstellung erkannt, gegen eine inszenierte, und daher kontrollierbare, Vergangenheitssehnsucht ausgetauscht.
Sie entzücken sich dann daran wie wundervoll sie ihre Rolle spielen und wie herzerweichend der Beobachter ihre Erscheinung empfinden muss und auch diese Entzückung wiederum wird, sobald erkannt, auf einen kontrollierbaren Rückstand reduziert, als verstärkendes Element in ihre Darbietung der Glückseligkeit bei Betrachtung eines spielenden Kindes mit einbezogen. Und so ist die Freude, die sie scheinbar über die spielenden Kinder empfinden, eigentlich das Freuen darüber wie gutherzig sie bei Empfindung dieser Freude auf andere wirken.
Dieses mag er also nicht. Wohl aber die spielenden Kinder, weil er sicher ist, dass diese nicht nur als spielende Kinder vor ihm (oder irgendwem, oder sich selber) erscheinen wollen, sondern wirklich spielende Kinder sind.
Und je hysterischer und anhaltender ihr Lachen gellt, desto mehr mag er sie, denn desto schwerer wird den eitlen Schaustellern ihre Maske der Güte, bis sie ihnen schließlich, unter Ausstoß eines enervierten Seufzers vom Gesicht herunterrutscht und die gesenkten Augen der Aufgabe zu Tage treten lässt, die flüchtige Blicke zu den Umstehenden werfen, ob diese ihre Kläglichkeit wohl bemerkt haben (was aber letztlich egal ist, denn für Menschen dieser Schwäche steht jederzeit der Schutzraum der Gleichgültigkeit bereit). Und so zwingen die spielenden Kinder schließlich, durch die Ausdauer der Authentizität, die gespielte und daher kurzatmige Güte, das Unechte der Betrachter in die Knie.
Nun gibt es an diesem Punkt aber drei mögliche Betrachter: Diejenigen, die sich der echten Genervtheit hingeben (und sich vom Objekt der Betrachtung zurückziehen oder sogut es geht sich im Ignorieren üben) und zwei weitere, etwas raffiniertere Kategorien. Nämlich zum einen die, welche die Genervtheit in sich, oft bis zur Empörung, emporheben, um sich dann, über die gezielte Überziehung dieser Emotion, anderen Betrachtern zu verbinden und mit ihnen die Einigkeit exzessiver Ablehnung zu erleben. Und desweiteren die, die sich als Nonkonformisten gefallen und, gerade im Angesicht dieser ablehnenden Empörung, sich den Genuss des Betrachters der spielenden Kinder aufs Gesicht setzen, wobei dieser Genuss sich insgeheim aus dem Übelbefinden der anderen Umstehenden nährt. Und so ist die Freude, die sie scheinbar über das ausgelassene Spiel der Kinder empfinden, eigentlich das Freuen über die Qual, die die anderen über das laute Kinderspiel erleiden.
Aus solcherlei Gedanken ergibt sich bei unserem Menschen eine gewisse Schwierigkeit Menschen zu mögen.
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